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Rommel: Ende einer Legende

aus DER SPIEGEL 35/1978

Seit seiner Rückkehr aus Afrika kam Erwin Rommel häufiger mit Hitler zusammen. Der Diktator war froh, bei den Lagebesprechungen auf Rommels Fronterfahrungen zurückgreifen zu können, da ihm seit Brauchitschs Entlassung Ende 1941 kein Oberbefehlshaber des Heeres mehr zur Verfügung stand.

Jeden Mittag erschien Rommel auf dem Berghof zur Lagebesprechung bei Hitler. Die Beratungen wurden an einem langen Tisch mit roter Marmorplatte in der gobelingeschmückten Haile des Hauses abgehalten. Aus dem riesigen Fenster der Halle konnte man weit über das Tal schauen. Rommel fand den Blick atemberaubend, sooft er hinaussah.

Später erzählte er: »Ich war dort als Berater, so als eine Art amtierender Oberbefehlshaber des Heeres. So war das gedacht. Aber es kam nicht viel dabei heraus, weil der Teilnehmerkreis viel zu groß war, um die Probleme richtig anzupacken.«

Aber einmal gelang es Rommel doch, Hitler unter vier Augen zu sprechen und ihn zu einem Wort über

© Alle Rechte bei Hoffmann und Campe verlag Hamburg

Deutschlands Zukunft zu bewegen. Großadmiral Dönitz, sagte Rommel, habe ihm berichtet, daß jetzt mehr als 30 U-Boote im Monat verlorengingen; es würde nicht mehr lange dauern, und ihnen stünde das gesamte Kriegspotential nicht nur des British Empire, sondern auch der USA gegenüber.

»Plötzlich blickte Hitler auf«, erinnerte sich Rommel, »und sagte, auch ihm sei klar, daß nur noch eine geringe Chance bestünde, den Krieg zu gewinnen. Aber der Westen würde niemals Frieden mit ihm schließen, jedenfalls nicht die Staatsmänner, die jetzt am Ruder wären. Er sagte, er habe niemals Krieg mit dem Westen gewollt. Aber jetzt müßte der Westen seinen Krieg haben -- bis zum Ende.«

Oft sah man in diesem Sommer 1943 Rommels untersetzte Gestalt in aufmerksamer Haltung schweigend neben anderen Wehrmachtgeneralen an Hitlers Beratungstisch stehen. Im General stab des Heeres rätselte man bereits was Rommels Anwesenheit zu bedeuten habe. Hermann Kaiser. Hauptmann im Heer, schrieb in sein Tage buch: »Hitler soll beabsichtigen, die Aufgaben des Chefs Generalstab des Heeres aufzuteilen. Rommel soll Oberbefehlshaber z. b. V. werden«

Doch es kam anders. Generalfeldmarschall Rommel sollte eine führende Rolle in dem Kampf übernehmen, von dem Hitler gerade gesprochen hatte: in dem Krieg gegen den Westen.

Am 30. Oktober legte Generaloberst Alfred Jodl, der Chef des Wehrmachtführungsstabes, Hitler einen Bericht des Generalfeldmarschalls Gerd von Rundstedt, des Oberbefehlshabers (OB) West, vor. Der Bericht enthüllte die Schwäche des von der NS-Propaganda hochgelobten »Atlantikwalls«, der seit August 1942 an der europäischen Küste gegen England errichtet wurde. Er war nicht stark genug, eine umfassende Landung des Gegners zu verhindern.

Ein beschleunigter Ausbau der Küstenbefestigungen war deshalb notwendig. Nach Jodls Meinung war dies eine ideale Aufgabe für Rommel und seinen Stab: Rommel sollte die Führung dei Abwehrschlacht im Fall einer Invasion übernehmen.

So weit wollte Hitler freilich nicht gehen. Er wies Jodl an, eine Weisung zu entwerfen, die für Rommel zunächst lediglich »Operationsstudien« vorsah aber keine »operative Führung«. Am Abend des 5. November 1943 teilte Hitler dem Feldmarschall seine Entscheidung mit. »Ich sehe«, sagte er dazu, »in einer feindlichen Großlandung im Westen die Entscheidungsstunde dieses Krieges, die auf jeden Fall unter rücksichtslosem Einsatz auch der allerletzten Kräfte Deutschlands zu unseren Gunsten aussehlagen muß.«

Rommel wurde Hitler unmittelbar unterstellt und ihm der Auftrag erteilt, den Stand der Verteidigungsvorbereitungen zu prüfen und Vorschläge für Angriffsoperationen gegen einen gelandeten Feind zu unterbreiten. Hitler deutete an, daß er Rommel bei Beginn der Invasion die operative Führung anvertrauen werde.

Rundstedt wurde von dieser Zusage jedoch nicht unterrichtet. Im Gegenteil, Hitler ließ ihm durch Generalfeldmarschall Keitel, den Chef des Oberkommandos der Wehrmacht (OKW), bestellen, daß an seiner Stellung als OB West nicht gerüttelt werde. Keitel versicherte, der »Führer« wisse, daß Rommel kein Stratege, wohl aber ein »tätiger Soldat« sei. Keitel: »Es ist mit Rommel schwierig, weil er sich nur ungern unterstellt. Er ist in Afrika sehr selbständig gewesen. Aber ich glaube, daß Sie der einzige Mann sind, dem sich auch ein Rommel fügen wird.«

Rommel aber schöpfte neue Tatkraft aus seinem kurzen Zusammensein mit Hitler. Begeistert schrieb er an seine Frau: »Welche Kraft geht von ihm aus Mit welchem Glauben und welcher Zuversicht hängt sein Volk an ihm!«

Warum hatte Hitler gerade Rommel für den West-Posten gewählt? Rommel war der einzige deutsche Heerführer der über Erfahrungen im Kampf gegen Engländer und Amerikaner verfügte Diese Gegner kannten und fürchteter ihn. Außerdem wollte Hitler ihm dh Möglichkeit geben, sein durch die Kapitulation der Heeresgruppe Afrika verlorenes Ansehen wiederherzustellen.

Rommel war dafür dankbar, aber seine Freude hielt sich in Grenzen. Als er sich von seinem früheren Dolmetseher Ernst Franz verabschiedete, erklärte er: »Der Krieg ist so gut wie verloren, und schwere Zeiten stehen um bevor. Nach mir zugegangenen Berich ten wird der Gegner täglich stärker ar Menschen und modernem Material während unsere Propaganda über di Wunderwaffen bis jetzt nichts als Bluff ist. Leider haben wir es oben mit Men schen zu tun, deren Fanatismus dem Wahnsinn gleichkommt!«

Hitlers Auftrag lautete: Überprüfung der getroffenen Verteidigungsmaßnahmen an der gesamten Küste gegenüber England, im Norden beginnend.

Am 1. Dezember versammelte sich Rommeis Stab am Münchner Hauptbahnhof und bestieg einen Sonderzug. Zwei Wochen lang besichtigten die Männer die Küste Dänemarks und staunten über die wohlgefüllten Lebensmittelgeschäfte. Rommel hielt es für höchst unwahrscheinlich, daß der Gegner in Dänemark landen würde, weil Deutschland hier die Luftüberlegenheit besaß.

Am 14. Dezember flog er nach Süddeutschland, wo er noch einige Tage Urlaub machen wollte. Ihm gegenüber am Klapptisch saß Generalleutnant Wilhelm Meise, sein neuer Pionierführer, an dem als erstes die buschigen Augenbrauen auffielen. Nach einer Weile begann Rommel laut zu denken.

»Bei der kommenden Invasion«, sagte er, »ist unser eigener Nachschub an Flugzeugen, Sprit, Raketen, Panzern, Geschützen und Geschossen gering und wird durch die feindlichen Zerstörungen immer mehr eingeengt. Ich bin zwar Optimist, aber kann mich doch nicht dem Optimismus der obersten Führung anschließen, die noch mit strategischen Operationen unsererseits eine Invasion abwehren will. Man kann die Verteidigung nur an der Küste selbst durchführen.«

Gebannt hörte Meise zu, als Rommel beschrieb, wie er sich die Schaffung eines unüberwindlichen, zehn Kilometer breiten Streifens von Minenfeldern und Bunkern entlang der gesamten Atlantikküste vorstellte.

»Ich will Minen gegen Menschen, gegen Panzer, gegen Fallschirmjäger, ich will Minen gegen Schiffe und gegen Landungsboote«, sagte der Generalfeldmarschall laut; er schrie es fast, um gegen das Dröhnen der Heinkel-Motoren anzukommen. Dann nahm er ein Stück Papier und begann zu zeichnen. Von Anfang an setzt

Rommel alles auf eine Karte.

Rommel fuhr fort: »Ich will Minenfelder entwickelt sehen, die unsere Infanterie überqueren kann, nicht aber Feindpanzer. Ich will an Draht befestigte Minenzünder, die auf Zug reagieren. Minen, die beim Zerschneiden des Drahtes losgehen; elektrisch betätigte Minen und solche, die durch Unterbrechung der Lichtschleuse detonieren. Einige müßten in Nicht-Eisen-Metallkästen liegen, damit die Minensuchgeräte des Gegners nicht ansprechen.«

Und mit einigen knappen, treffenden Strichen veranschaulichte Rommel, wie er sich das vorstellte. Meise schrieb später: »Feldmarschall Rommel war meines Erachtens der größte Pionier des Zweiten Weltkriegs. Ich konnte ihm nichts Neues beibringen, sondern er war mein Lehrmeister.«

Am 18. Dezember fuhr Rommel nach Frankreich. Luftangriffe von 2000 und 3000 Bombern waren an der Tagesordnung. Millionen von gegnerischen Soldaten wurden, wie man wußte, für den Angriff auf Hitlers »Festung Europa« ausgebildet, aber noch konnte kein Deutscher sagen, wo sie landen würden. Rommels Aufgabe war es, sie aufzuhalten.

Als er am nächsten Tag nach Paris fuhr, um seinen Antrittsbesuch bei Rundstedt zu machen, stand die Nachricht von seiner Ankunft in allen Zeitungen.,. Anscheinend kann ich nicht rasch genug den Engländern und Amerikanern angekündigt werden«, schrieb Rommel. Er fühlte sich geschmeichelt, daß sein Name noch so viel galt.

Es war lange her, daß er Rundstedt zuletzt gesehen hatte. Mit 68 war Rundstedt der »große alte Herr«, der sogar von den Franzosen respektiert wurde. Er kränkelte allerdings und neigte zur Lethargie. seine Augen waren umschattet und trüb, sein Gesicht war bleich, das dünne Haar klebte am Kopf.

Selten begann er vor zehn Uhr zu arbeiten, stundenlang las er Kriminalromane und Karl Mays Abenteuergeschichten, oder er spielte im Wintergarten des Hotels, in dem sich sein Hauptquartier befand, mit einem Bergdackel. Seine Einstellung zu Hitler war ambivalent. Oft schimpfte er: »Ich kann nicht mal den Posten vor meinem Quartier ohne Genehmigung Hitlers von der Vorderfront nach der Hinterfront meines Hauses verschieben!« Aber jedesmal, wenn Hitler ihn gefeuert hatte -- 1938 und 1941 -, akzeptierte er unterwürfig den neuen hohen Posten, den der »Führer« ihm anschließend gab. Rundstedt war zu ehrgeizig für einen alten Soldaten, um einfach in der Versenkung zu verschwinden.

Nach dem Essen gab er Rommel einen Überblick über die Lage im Westen. Er schloß mit den Worten: »Ich sehe black.« Rommel war ziemlich erschüttert über die Untätigkeit im Stab Rundstedts.

Rommel erinnerte sich nur zu gut, wie die Engländer ihn Anfang 1942 dadurch schachmatt gesetzt hatten, daß sie innerhalb von zwei Monaten mehr als eine Million Minen in Nordafrika verlegten. In Frankreich aber waren in drei Jahren lediglich 1 700 000 Minen verlegt worden. An diesem Tag schrieb Rommel an seine Frau: »Nun will ich mit aller Macht mich auf die neue Aufgabe stürzen und sehen, daß sie erfolgreich gelöst wird.«

Von Anfang an setzte Rommel alles auf eine Karte: Er ging davon aus, daß der Küstenabschnitt der 15. Armee, der sich von Belgien bis zur Sommemündung erstreckte, das Ziel einer Landung der Alliierten sein werde. Dieser Armee galt seine erste Besichtigungsfahrt.

Am 20. Dezember erschien Rommel zum Mittagessen auf dem Gefechtsstand des Generalobersten Hans von Salmuth, des Oberbefehlshabers der 15. Armee. Salmuth, Preuße und Heerführer, der in schweren Kämpfen an der Ostfront gestanden hatte, war voller Herablassung gegenüber Hitlers »Inspekteur«; später gab er zu, er habe eine instinktive Abneigung gegen Generale wie Rommel gehegt. Aber da Rommel dank der Unterstützung Hitlers dazu beitragen konnte, die Westfront zu verstärken, war Salmuth bereit, ihn zu ertragen.

Rommel hatte eine klare und -- wie sich später herausstellte -- richtige Vorstellung von der Invasionsstrategie des Gegners. Zuerst würde es schwere Bombenangriffe geben. Dann würden in breiter Front von der See her Hunderte von Sturmbooten und Panzerlandungsschiffen kommen -- unter dem Feuerschutz von Schiffsgeschützen und Jagdbombern. Gleichzeitig würden Luftlandetruppen unmittelbar im Hinterland abgesetzt werden, die den Atlantikwall von rückwärts aufbrechen und so schnell wie möglich einen Brückenkopf bilden sollten.

Dagegen entwickelte Rommel schon in seiner ersten Unterredung mit Salmuth eine Verteidigungsstrategie. »Feldmarschall Rommel steht auf dem Standpunkt«, heißt es in einer Notiz des Stabs der 15. Armee, »daß die Besatzung der Küste verdichtet werden muß. Reserven sind direkt heranzuführen und zum sofortigen Gegenstoß anzusetzen. Setzt sich der Engländer erst an Land fest, so ist er nicht wieder herauszubringen.«

Rommel berichtete dann über seinen Plan, einen Minengürtel entlang der gesamten Küste anzulegen. Es seien 600 000 unverlegte Minen vorhanden, und selbst Scheinminenfelder würden, wie sich in Afrika erwiesen habe, die Engländer lange aufhalten.

Salmuth war beeindruckt und sagte eifrig: »Wichtig ist die Zuführung starker Jagdkräfte im Invasionsfall.« Rommel: »Ich rechne mit etwa tausend Jägern.« Darauf Salmuth: »Mit tausend Jägern ist die Invasion abzuschlagen.«

Rommel und Salmuth inspizierten dann gemeinsam den Abschnitt der 15. Armee: die festungsmäßig ausgebauten Häfen, die kümmerlichen Minenfelder von nur 20 bis 50 Meter Tiefe, die MG-Nester, die bombensicheren Bunker für Schnellboote bei Dünkirchen und die oft photographierte 28-cm-Batterie »Großer Kurfürst« beim Cap Gris-Nez, nur 30 Kilometer von der englischen Küste entfernt.

Über Weihnachten blieb Rommel in seinem Gefechtsstand in Fontainebleau und notierte alles, was er gesehen hatte. »Im übrigen zerbreche ich mir Tag und Nacht den Kopf über die neue Aufgabe«, schrieb er an seine Frau, »ich habe gute Hoffnung, daß wir es schaffen werden.«

In den 50 Briefen, die er von nun an bis zum Juli 1944 schrieb, war dies seine ständig wiederholte Botschaft. Es schien, als habe er einen Psychiater wegen seiner ständigen Depressionen konsultiert, und der Arzt habe ihm geraten, sich diese paar Worte immer wieder vorzusagen: an den Sieg glauben!

Am 27. Dezember erläuterte Rommel sein Verteidigungskonzept dem Feldmarschall Rundstedt, der ihn anschließend zum Tee einlud. Ebenso wie Salmuth war Rundstedt mit Rommels Grundsatz einverstanden, die feindliche Landung noch auf dem Wasser und am Strand zum Scheitern zu bringen.

Aber in einer Frage war er anderer Meinung, und das sollte sich als sehr wichtig erweisen: Rundstedt weigerte sich, die Panzerdivisionen ganz nach vorn an die Küste zu verlegen. Falls die Invasion an anderer Stelle erfolgen würde (Rundstedt: »Über den wahrscheinlichen Schwerpunkt beiderseits der Somme besteht auch für mich kein Zweifel"), könne er keine seitliche Verschiebung vornehmen.

Das neue Jahr begann. Vom 2. bis 5. Januar 1944 besichtigte Rommel den nächsten Abschnitt auf seiner Karte, die Küsten der Niederlande und Belgiens. Er rechnete nicht ernsthaft damit, daß der Gegner hier eine Landung wagen würde, denn das ganze Gebiet war von Flüssen und Kanälen durchzogen und konnte ebenfalls leicht überschwemmt werden.

Rommel ärgerte sich, als er sah, wie wenig die schmucken Städte und Dörfer Belgiens und Hollands unter dem Krieg gelitten hatten. »Überall tiefer Friede«. notierte er am 3. Januar. »Sie verdienen gut, zahlen keinen Beutezoll und warten auf die Befreiung von uns. Ihre Städte sind schön und vom Feind verschont geblieben, weiß man doch, wie hart unser Volk sein Leben nach allen Seiten verteidigen muß.«

Was ist mit den 1000 Jägern, die Hitler versprochen hat?

Daß das Leben in einem Land, wo »Milch und Honig fließt«, auf die deutschen Besatzungstruppen abgefärbt hatte, erschien Rommel als ein zusätzliches Problem. Auf dem Papier standen 1,3 Millionen Soldaten im Westen: aber viele Küstendivisionen bestanden aus Einheiten, die man lediglich zur Erholung von den Kämpfen an der Ostfront hierhergeschickt hatte.

Andere Divisionen waren kaum motorisiert, unzureichend bewaffnet und über den Feldmarschall und riet ihm dann väterlich: »Sie sollten mal Ihre Nase etwas länger hier ins Geschäft stecken, dann sehen Sie auch, daß man nicht alles auf einmal machen kann. Ihr Programm braucht bis zur Vollendung mindestens ein Jahr. Wer Ihnen etwas anderes erzählt, redet Ihnen nach dem Mund oder ist saudumm:

Rommel wartete, bis die Offiziere seines Stabes den Raum verlassen hatten. Dann brüllte er Salmuth zusammen, bis er heiser war. Mit rotem Kopf begleitete ihn Salmuth zum Wagen. Als sie abfuhren, wies Rommel mit dem Daumen zurück auf die in der Ferne immer kleiner werdende Gestalt Salmuths und sagte grinsend zu Ruge: »Das ist vielleicht ein grober Kerl. Den muß man genauso behandeln, wie er ist.«

Seiner Frau schrieb der Feldmarschall am nächsten Tag: »Ich glaube bestimmt, daß wir die Abwehrschlacht im Westen gewinnen, wenn noch etwas Zeit zum Einrichten bleibt.« Er glaubte tatsächlich noch an den Sieg.

Seine Befehle wurden allen Truppenführern mitgeteilt. Rommel begann mit der einfachen Feststellung: »Die Hauptkampflinie ist der Strand.« Bevor irgendein Landungsfahrzeug des Gegners überhaupt die Küste erreichte, so betonte er. müsse es Minen und todbringende Unterwasserhindernisse überwinden. Hinter der Küste sei die schwer verminte Todeszone mit ihren infanteristischen Widerstandsnestern und Artilleriestützpunkten; jeder Mann, der ein Gewehr halten könne, habe zu kämpfen, selbst die Bäckerei-Kompanien. Dahinter sollten dann Geschütze und vor allem die kostbaren Panzer mit ihren Kanonen warten, um die Strände mit Sperrfeuer zu belegen.

Aber noch hatte sich Rommel wegen des Einsatzes der Panzerdivisionen nicht durchsetzen können. Die einzigen Panzerreserven des OKW befanden sich in Frankreich, und sie konnte Rommel nicht fest in sein Küstenverteidigungssystem einbauen. Außerdem bildete General Leo Freiherr Geyr von Schweppenburg, Oberbefehlshaber der Panzergruppe West, die verfügbaren Panzerdivisionen für großräumige Operationen aus, mit denen er den Feind nach einer Landung vernichten wollte.

Rommel traf mit Geyr am 8. Januar zusammen und sah in ihm sofort den typischen monokeltragenden Generalstabsoffizier. Geyrs Rußlanderfahrungen tat Rommel als unbrauchbar für die bevorstehende Schlacht im Westen ab. Geyr wiederum war entsetzt darüber, daß Rommel die Panzer wie eine Artillerie in festen Stellungen hinter dem Verteidigungsgürtel offen postieren wollte.

Keiner gab dem anderen nach. Rommel und Geyr waren Schwaben, beide hatten einen persönlichen Stolz, beide waren eigensinnig bis zur Sturheit. Von diesem Zeitpunkt an füllen sich Aktenordner und Tagebücher mit zahllosen Berichten über die ständig explosiver werdende Auseinandersetzung zwischen den beiden Militärs.

Elf Wochen nachdem er von Hitler den »Sonderauftrag West« erhalten hatte, besichtigte Rommel zum erstenmal den abgelegenen bretonischen Küstenabschnitt. Hier lag die 7. Armee. In Le Mans, wo sich der Gefechtsstand der Armee befand, diskutierte er mit Generaloberst Friedrich Dollmann über die möglichen Invasionsräume des Feindes.

Rommel war davon überzeugt, daß der Gegner nicht in Dollmanns Abschnitt, sondern rechts von ihm, im Bereich von Salmuths 15. Armee, also an der Kanalküste, angreifen werde. »Wesentliches Argument für diese Beurteilung«, so erinnert sich Dollmanns Generalstabschef, Generalmajor Max Pemsel, »war der kürzere Weg der Alliierten nach Deutschlands Lebenszentrum, dem Ruhrgebiet.«

Dollmann hingegen versuchte. Rommel davon zu überzeugen, wieviel günstiger für den Gegner eine Landung in der Normandie sei. Sowohl das offene Land mit den kleinen Feldern und den großen Hecken als auch die Halbinsel Cotentin mit ihrem großen Seehafen Cherbourg an der Nordspitze seien für Landungen besonders geeignet. Der gesamte Abschnitt der 7. Armee war nur schwach befestigt.

Am 29. Januar ging es wieder auf Fahrt, diesmal nach Saint-Lô, zum Kommandierenden General des LXXXIV. Korps, das die Normandie verteidigte. General Erich Marcks, der über große operative Kenntnisse verfügte, hatte die Angriffsstudie des Heeres-Generalstabs für den Überfall auf die Sowjet-Union entworfen und in jenem Feldzug ein Bein eingebüßt. Nun stand er in der Normandie mit einer Prothese, grimmig entschlossen, sich an den Engländern dafür zu rächen, daß sie seine halbe Familie in einem nächtlichen Luftangriff getötet hatten.

Marcks war sehr zuversichtlich, aber Rommel kritisierte ihn, weil er nicht alle verfügbaren Kräfte an der Hauptkampflinie eingesetzt habe. Rommel urteilte kritisch über die Truppen in der Normandie. »Es ist noch recht viel zu tun, denn so mancher hat hier ein ruhiges Leben geführt und nicht genügend an den bevorstehenden Kampf gedacht«, schrieb er in einem Brief an seine Frau.

Rommel lebte jetzt nur noch seiner Aufgabe. Keine noch so große Überredungskunst konnte ihn veranlassen, sich die berühmte Felseninsel Mont Samt-Michel anzuschauen. Ihm bereitete nur der breite Strand Sorgen, der günstig für Luftlandungen war. »Zwei Batterien fehlen dort oben, zwei Batterien!« verkündete er und zeigte auf den Glockenturm der Abtei. Es war nur ein halber Scherz.

Als er einmal in der ehemaligen Villa des englischen Industriellen Alfred Mond in Samt-Mab zu Mittag aß, zeigte ihm sein Stabschef Gause begeistert eine Vase, die er dort entdeckt hatte; sie war in der berühmten Prozellanmanufaktur von Sévres hergestellt worden. Rommels Augen leuchteten auf. »Porzellan!« sagte der Generalfeldmarschall erregt, »Meise, können

+ 1938 bei der Eröffnung eines Sportfestes in Breslau. Am Rednerpult: Reichssportführer von Tschammer und Osten; rechts: Reichsinnenminister Frick.

die uns nicht Porzellanminen machen?«

Er fand aber auch Zeit, Frau Lucie über seine Arbeit und seine Sorgen zu berichten. In Rußland stand die Wehrmacht jetzt unter schwerem Angriffsdruck der Sowjet-Armeen, doch Rommel war überzeugt, Hitler werde auch diese Krisen meistern.

Zwanzig Jahre später erinnerte sich Meise, sein Chef habe sich bis zum bitteren Ende in uneingeschränkter Bewunderung für den »Führer« geäußert -- nicht aber über die Nazis in seiner Umgebung. Rommel habe Hitler einen Phantasten und Visionär genannt, »der im Gespräch unter vier Augen vernünftigen Vorschlägen zugänglich ist, aber nachfolgend im Zusammensein mit Bormann und Gefolge schnell umfällt und auf deren byzantinische Utopien hört«.

Am 17. Februar wohnte Rommel einem Kriegsspiel bei, das Geyr in Paris organisiert hatte. Zwischen den Generalen von Heer, Marine und Luftwaffe kam es dabei zu schweren Meinungsverschiedenheiten. Marcks humpelte zum Kartentisch hinüber, pochte mit der Hand auf die Küste der Normandie und legte überzeugend dar, daß hier und wahrscheinlich zugleich in der Bretagne die Invasion kommen werde, wobei die Eroberung des großen Hafens von Cherbourg das Ziel sei.

Aber Rommel erwiderte ebenso entschieden, nach Auffassung seiner Marine-Experten sei wegen der Unterwasserriffe vor der Küste jede Anlandung in der Normandie auszuschließen. Salmuth schrieb später: Ich war äußerst erschrocken über das Ganze.«

Dann fuhr Rommel in einen Erholungsurlaub. Seine Frau war inzwischen in ein großes neues Haus in Herrlingen eingezogen. Als Rommel die kurze, runde Auffahrt hinauffuhr, hatte er eine Überraschung für seine Frau: einen einjährigen Terrier namens Ajax, den ihm die Organisation Todt geschenkt hatte. »Er schlägt gleich an, wenn jemand kommt«, sagte Rommel, »das wird ein guter Wachhund fürs

Haus.«

Lucie Rummel hatte ebenfalls eine Überraschung Ihr ihn -- einen Besucher: Karl Strölin. den Oberbürgermeister von Stuttgart, der sein Amt der Tatsache verdankte, daß er altes Parteimitglied war. Im Ersten Weltkrieg hatte er kurze Zeit in derselben Einheit wie Rommel gedient.

Rommel wußte nicht. daß Strölin einer Anti-Hitler-Verschwörung angehörte. Aus Rommels Privatkorrespondenz geht hervor, daß Strölin tatsächlich schon mehrere Monate lang versucht hatte. Kontakt mit ihm aufzunehmen. Als Generalleutnant Gause im Februar zur Genesung in Herrlingen gewesen war, wo Lucie Rommel seiner ausgebombten Frau großzügig Unterkunft gewährt hatte, war der Oberbürgermeister häufig zu Gast in der Villa gewesen und hatte Gause und Rommeis Frau in intensive politische Diskussionen verwickelt.

Aber Rommel war nicht gekommen, um mit Fremden über Politik zu reden. Er wollte mit seiner Frau und seinem Sohn allein sein, Ajax ans Haus gewöhnen und durch das schwäbische Land wandern. Politik interessierte ihn ebensowenig wie Sèvres-Porzellan. Doch höflich erklärte er sich bereit, Strölin zu empfangen.

Der Gast nahm einige Papiere aus seiner Aktentasche und hielt in Gegenwart der Familie Rommel und des Adjutanten Aldinger einen Vortrag über die Verbrechen des nationalsozialistischen Regimes und sprach von der Notwendigkeit, daß sich der Feldmarschall mit seinem Namen zur Rettung des Reiches« zur Verfügung stelle. Strölin berichtete von den »großen Abschlachtungen« an Juden und anderen Bevölkerungsgruppen im Osten und schloß:., Und wenn der Hitler nicht stirbt, dann hat alles keinen Sinn!«

In diesem Augenblick erhob sich Rommel und erklärte mit lauter Stimme: »Herr Strölin, wenn Sie eine solche Meinung haben, wäre ich Ihnen sehr verbunden, wenn Sie das nicht vor meinem minderjährigen Sohn sagen würden.«

Strölin packte seine Papiere zusammen und ging. Sein Einfluß auf Rommel war gleich Null. Der Feldmarschall erwähnte Strölin niemals außerhalb seiner Familie und sah ihn nicht mehr wieder. Rommel war weit davon entfernt, an Hitlers endgültige Niederlage zu glauben.

Als er einige Tage später in Brüssel mit Generaloberst von Falkenhausen, dem Militärbefehlshaber in Belgien und Nordfrankreich, zusammentraf, versetzte er den alten Edelmann und Nazigegner in helle Empörung durch die frisch-fröhliche Ansicht, er werde dem Feind bei seiner Landung an der Küste eine schwere Niederlage beibringen.

Bereitwillig unterschrieb Rommel auch ein Dokument, um dem obersten Kriegsherrn seine Ergebenheit zu beweisen. Am 4. März brachte ihm Hitlers Wehrmachtadjutant Schmundt ein solches Papier zur Unterzeichnung nach Fontainebleau: eine Erklärung gegen den »Verrat« des Generals von Seydlitz, der in sowjetischer Gefangenschaft eine Anti-Hitler-Bewegung organisiert hatte. Schmundt: »Mit der zunehmenden Härte des Krieges kommt es darauf an, dem Führer die Sicherheit zu geben, daß dieser Verrat eine bedauerliche Einzelerscheinung ist, die übrige Generalität aber treu hinter ihm steht.«

Rundstedts Unterschrift prangte schon auf Schmundts Ergebenheitsadresse. Rommel unterschrieb, nach ihm unterzeichneten die Generalfeldmarschälle Kleist, Busch, Manstein und Weichs.

Im Frühjahr 1944 gehörte also Rommel immer noch zu Hitlers Rewunderem, und doch wagte es Rommel erstmals, Hitlers Lagebeurteilung anzuzweifeln -- in der wichtigen Frage, wo die feindliche Invasion zu erwarten sei. Hitler sagt voraus, wo die Alliierten landen.

Schon Mitte Februar hatte Hitler mehrmals erklärt, die anglo-amerikanische Invasion werde an der normannischen und möglicherweise auch an der bretonischen Küste stattfinden. Strategisches Ziel sei die Einnahme des Hafens von Cherbourg. Nach Darstellung von Hitlers Luftwaffenadjutanten, Oberst Nicolaus von Below, stammten diese Angaben aus Dokumenten, die ein an der britischen Botschaft in Ankara arbeitender Spion, der für Himmlers SD arbeitete und den Decknamen »Cicero« trug, auf Mikrofilm aufgenommen hatte.

»Warum um alles in der Welt sollten die Engländer das ausgerechnet ihrem Botschafter in der Türkei mitteilen?« rief Hitler. Aber sie hatten es getan, und von einem anderen Dokument wußte Hitler sogar das Kodewort der Invasion: »Operation Overlord«. Das steht auch in Jodls Tagebuch, aber weder Hitler noch seine engsten Berater mochten den Feldmarschallen im Westen die Quelle ihrer Erkenntnisse preisgeben.

Bei einer Lagebesprechung am 4. März wiederholte Hitler lediglich seine »Vorahnung«. Daraufhin tickerten die Fernschreiber des Oberkommandos der Wehrmacht; »Als vornehmlich bedroht sieht der Führer die Normandie und die Bretagne an, da sie sich zur Bildung von Brückenköpfen gut eignen.«

Hitler verlangte eine Übersicht über die Stärke der Verteidigungsanlagen in der Normandie, und so mußte sich Rommel am 6. März erneut auf den Weg zu der weitentfernten Seine-Bucht machen. Rommel hielt die lange Fahrt für ein törichtes und überflüssiges Unternehmen.

In Begleitung von Marcks inspizierte er die 711. und die 716. Infanteriedivision, die die Küste zu verteidigen hatten. Rasch absolvierte er am nächsten Tag die Besichtigung des restlichen Abschnitts. Südöstlich von Vire waren weite Landstriche bereits überflutet. Bei Quineville entdeckte er auf dem Vorstrand ein acht Kilometer langes Hindernis aus »Rollblöcken«. Rommel bat Marcks, den Truppen seine Anerkennung auszusprechen.

Rommels Stab kehrte von den Inspektionsfahrten an die normannische und die bretonische Küste zum Gefechtsstand der Heeresgruppe B zurück, der sich jetzt in La Roehe-Guyon befand, einem malerischen Dorf am Westrand der Ile de France.

Das nahegelegene Schloß, mit seiner Rückseite in Felsen hineingebaut und von der Ruine eines normannischen Bergfrieds überragt, war das üppigste Quartier, in

dem Rommel gelegen hatte. Pioniere hatten in das Kreidegestein feste Stollen gesprengt, in denen die 20 Stabsoffiziere und die 80 Mannschaften des Stabs vor Luftangriffen geschützt untergebracht waren.

Rommel wohnte in einem bescheidenen Appartement im Erdgeschoß des Schlosses, das in einen Rosengarten führte. Sein Arbeitszimmer aber war ein repräsentativer Saal, an dessen Wänden kostbare Gobelins und Ölgemälde hingen. Über Rommels Renaissance-Schreibtisch waren drei Jahrhunderte lang historische Dokumente hinweggegangen. Rommel fand das alles durchaus angemessen.

Auch diese Umgebung versetzte ihn in Hochstimmung. Mit seiner Begeisterung für die bevorstehende Schlacht steckte Rommel alle anderen an.

Hauptmann Hellmuth Lang, der neue Ordonanzoffizier Rommels, schrieb über seine ersten Eindrücke nach Hause: »Niemand in der Umgehung des Feldmarschalls hat kalte Fuße. Wenn auch der einzelne betroften wird, was hart ist, hier merkt man doch, daß Bedenken für den Endkampf, der starke Opfer kosten wird, nicht vorhanden sein müssen. Mit der Schlacht im Westen wird auch der Krieg zu unseren Gunsten entschieden sein, wenn er auch noch nicht zu Ende sein wird.«

Die gleiche Zuversicht bekundete Rommel in drei Briefen an Frau und Sohn. »Ich bin überzeugt, daß wir es hier schaffen werden, wenn noch einige Zeit ist, um die Verteidigung zu verstärken, notierte er; dann würde er die Schlacht gewinnen und damit den Ausgang des Krieges entscheiden. Am 17. März, wenige Stunden vor der Abreise zu einem Treffen mit Hitler in Berchtesgaden, schrieb er an seine Frau: »Im Westen sind wir bester Zuversicht. es zu schaffen. Allein der Osten muß halten.«

Hitler hatte einen Sonderzug nach Paris geschickt, der alle hohen Generale und Admirale im Westen nach Bayern bringen sollte. Am 19. März um 14 Uhr meldete sich Rommel auf dem Berghof beim »Führer«. An diesem Tag gab es nur eine kurze Zeremonie. Rundstedt las die von den Feldmarschällen unterzeichnete Ergebenheitsadresse vor und überreichte sie Hitler feierlich.

Der nächste Tag war einer Zusammenkunft im nahegelegenen Schloß Kleßheim vorbehalten. Als Hitler spät am Nachmittag eintraf, herrschte heftiges Schneetreiben. Generaloberst von Salmuth war erschrocken über Hitlers Aussehen. »Jetzt kam ein alter, gebückter Mann mit ungesundem, aufgedunsenem Gesicht ins Zimmer«, notierte er. »Er machte einen absolut abgekämpften, müden, ja kranken Eindruck.«

Aber Hitler schien noch durchaus Entschlußkraft zu besitzen, denn in seiner einstundigen Rede, die laut Rommels Kriegstagebuch »von wundervoller Klarheit und überlegenster Ruhe« war, äußerte Hitler wiederum die Überzeugung, (laß der Feind an der normannischen und der bretonischen Küste angreifen werde und nicht an der viel näheren Kanalküste: »Am meisten geeignet und damit am meisten gefährdet sind die beiden Halbinseln des Westens bei Cherbourg und Brest, die den Anreiz und die leichteste Möglichkeit zur Bildung eines Brückenkopfes geben, der dann unter einem Masseneinsatz von Luftwaffe und schweren Waffen aller Art planmäßig erweitert werden wird.«

»Das ganze Landeunternehmen des Gegners«, fuhr er fort, »darf unter keinen Umständen länger als einige Stunden oder höchstens Tage dauern. Nach einmal zerschlagener Landung wird diese vom Gegner unter keinen Umständen wiederholt werden.«

Anschließend legte Hitler dar, warum ein Mißlingen der Invasion zu einem totalen Sieg führen wurde: »Die von uns in ganz Europa, ausgenommen die Ostfront, eingesetzten Kräfte von rund 45 Divisionen fehlen im Osten und werden und müssen sofort nach der Entscheidungsschlacht im Westen nach dem Osten abtransportiert werden, um dort eine grundlegende Änderung der Lage herbeizuführen. Es hängt somit von jedem einzelnen Kämpfer der Westfront, der kriegsentscheidenden Front, der Ausgang des Krieges und damit das Schicksal des Reiches ganz allein ab.«

Daran hatte Rommel bisher nicht gedacht, aber von nun an gebrauchte er diese Argumente häufig. Also hing das Schicksal Deutschlands jetzt davon ab, ob er, Erwin Rommel, die bevorstehende Schlacht gewinnen würde.

In einem separaten Gespräch versicherte er Jodl und auch Hitler, er werde den feindlichen Ansturm niederschlagen; bis Ende April sei faktisch die gesamte Küste vollgepackt mit Hindernissen, die den Landungstruppen schwerste Verluste zufügen würden. »Meines Erachtens wird es dem Feind in diesen Abschnitten nicht gelingen«, versicherte Rommel, »an Land Fuß zu fassen.« Zugleich forderte Rommel erneut, ihm alle Panzer und motorisierten Verbände im Westen zu unterstellen. Hitler versprach, es sich zu überlegen.

Anschließend wurde Tee serviert. Hitler schickte die Stenografen hinaus und ließ Rundstedt kommen, der an dem Gespräch nicht teilgenommen hatte. Schlecht gelaunt erschien der Feldmarschall. Nach fünf Minuten war er wieder draußen und begab sich sofort zum Bahnhof. »Es hatte überhaupt gar keinen Zweck«, beklagte er sich hei jedem, der ihm zuhören wollte. »Der Führer ließ mich überhaupt nicht zu Worte kommen. Ich bin daraufhin selber rausgegangen.«

Rommel erfuhr eine bessere Behandlung; er erschien eine halbe Stunde später mit leisem Lächeln auf den Lippen. Draußen nickte Hitlers Arzt, Professor Morell, dem Obersten Tempelhoff, Rommels Erstem Generalstabsoffizier« zu und meinte: »Gratuliere! Nunmehr sind Sie la des neuen OB West. Rundstedt war schon nach fünf Minuten verschwunden, Ihr Chef brachte es auf dreißig.«

Morell irrte. Rundstedt behielt seinen Posten, und das Panzer-Problem blieb in der Schwebe. Im nächsten Heft

Die Invasion beginnt -- Speidel weigert sich, die 7. Armee zu alarmieren -- Salmuth hält die Landung für mißglückt und geht ins Bett

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