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Briefe

»Rosen und Disteln«
aus DER SPIEGEL 30/1976

»Rosen und Disteln«

(Nr. 28/1976, SPIEGEL-Titel »Herbert Wehner, der Wähler-Schreck«; Nr. 29/ 1976, Fortsetzung der Titelgeschichte) Dank für Ihren Gruß an den großen, guten »alten« Mann!

Lörzweiler (Rhld.-Pf.) HANS-RUDOLF ROCHS

Wie sinnig, Herbert Wehner solch ein Geburtstagsgeschenk zu machen! Sie wollen wohl der CDU/CSU Wählerstimmen verschaffen?

Eggstätt (Bayern) EVA MARIA MÜLLER

Ich bin 28, ich bin eine Frau, ich wähle SPD -- und nicht zuletzt wegen Wehner. Der Mohr darf nicht gehen!

München BARBARA KALTER

Herbert Wehner wäre nie fähig, gegen einen Parteifreund so vorzugehen, wie Franz Josef Strauß in Sachen Heubl. Das beweist seine Haltung gegenüber Wienand.

Köln MARLENE GRÜNEBERG

Wir haben in der deutschen Politik zwei Choleriker, Herbert Wehner und Franz Josef Strauß. Unser Volk vermag das einzuordnen. Malen Sie nicht den Teufel an die Wand: Die deutsche Politik wäre ärmer ohne Herbert Wehner (wie ohne Franz Josef Strauß). Ich kann hier das Wort Leidenschaft nicht interpretieren. Herbert Wehner lebt aus ihr (wie auch Franz Josef Strauß).

Düsseldorf ARMIN OESTEREICH

Trotz aller Fehler, die »Onkel Herbert hat, ist er mir zigmal lieber als Franz Josef Strauß und ich warte sehnsüchtig auf den Tag, an dem ich auch von FJS solche Polizeiphotos (wie von Wehner abgebildet) im SPIEGEL sehen kann. Lissendorf (Rhld.-Pf.) LOTHAR SCHUN

Er ist so demokratisch, Fraktionskollegen als »Arschlöcher« und »Hampelmänner« zu titulieren, einen Senat des Bundesverfassungsgerichts als »die acht Arschlöcher von Karlsruhe«. Arme SPD! Man muß staunen, daß Parlamentarier, die auf sich halten, ihn überhaupt noch als ihresgleichen annehmen -- womöglich für weitere vier Jahre?

Troisdorf (Nrdrh.-Westf.)

DR. GÜNTER WEIGAND Sozialanwalt

Ich habe, außer in meinen Memoiren »Kauf dir einen bunten Luftballon«, noch nirgendwo über Herbert Wehners Tätigkeit in Berlin als Spielscharführer einer Musikgruppe der Marxistischen Arbeiterschule, kurz MASch genannt, gelesen. In der MASch studierten die Agitationstruppen. bestehend aus jungen Burschen und Mädchen, die rote Blusen trugen, ihre Kampflieder ein. Meistens nach den Melodien von gängigen Schlagern, mit revolutionären Texten versehen. Hier lernte ich Ende der zwanziger Jahre als junger Journalist den musikalischen Ausbilder dieser Truppen, einen blonden jungen Mann, namens Kurt Funk, kennen. Erst viel später erfuhr ich, daß er eigentlich Herbert Wehner heißt. Übrigens legten sich die Leiter der MASch alle Pseudonyme zu. Der Politleiter, der sich Johann Schmidt nannte, hieß in Wirklichkeit Lászlo Radványi. Das einzig Bemerkenswerte an ihm war seine bildschöne junge Frau, Anna Seghers, die alle zärtlich Netty nannten. Ein Herr Keller hieß in Wirklichkeit Georg Lukács, und der Bühnenautor Julius Hay* nannte sich Stefan Faber. Wehner trug außer seinem Pseudonym den Spitznamen »der Musikclown«. Er sei der musikalischste Kommunist der Welt, versicherte man mir. Der beherrsche alle Instrumente, vom Pianoforte bis zur Mundharmonika. Tutzing (Bayern) GÉZA VON CZIFFRA

Daß »Onkel Herbert« sich von Ernst-Günter Hansing »erstmals« porträtieren ließ, stimmt nicht ganz. Im Rahmen einer Reihe »Bonner Porträts« habe ich am 25. Juni 1975 auch von Herbert Wehner einige Blätter

gezeichnet. Ich mache dies geltend, weil es gar nicht so leicht war, gerade von Wehner einen Termin zu bekommen.

Karlsruhe EMIL WACHTER

Sollte Wehner bereits in Moskau den späteren SED-Chef Ulbricht »Wulbricht« genannt haben, dann kann er tatsächlich schon in der UdSSR dessen »geschworener Feind« gewesen sein. Die Namensverhunzung ist äußerst bösartig: »wol« heißt auf deutsch »Ochse«. Wahrscheinlich hat aber Wehner auch von tschechischen Moskau-Emigranten hinzugelernt. Im Tschechischen heißt Ochse »vul«. Nach dem 21. August 1968 war auf Tausenden von Häuserwänden der CSSR das Wort »Vulbricht~ eingeritzt. Mit »Vul« bezeichnet man auch den »Halbstarken«.

Lohne (Nieders.) WOLFRAM SEIBT

Oberstudienrat

Vergessen haben Sie noch, daß Herr Wehner den Abgeordneten Todenhöfer (CDU) in »Hodentöter« umfunktionierte. Und das im Hohen Hause.

Karlsruhe OTTO DERFLA

Wem spielt nicht schon ein Lächeln um die Lippen, wenn »Onkel Herbert« seinen Auftritt bat?

Flensburg FRANK VOLKERT

Zum Wählerschreck: Für mich (Rentnerin) nicht, denn ich habe ihn durch alle Jahre -- trotz seiner manchmal zu heftigen, aber doch wunderbaren herzhaften Reaktionen -- als einen einsamen, wunderbaren Menschen empfunden.

Bremen E. HEIKE * Radványi: ungarischer Soziologe und Schriftsteller; Anna Seghers ("Das siebte Kreuz"): Mentorin der DDR-Literatur; Lukács: bedeutender marxistischer Literaturtheoretiker; Hay ("Haben"): ungarischer Dramatiker.

Wenn die SPD Herbert Wehner im Wahlkampf versteckt, so tut sie der Demokratie keinen guten Dienst. Allmählich erinnert mich auch diese Partei an eine Barfrau, die uns nur ins Öhrchen beißt, damit wir ihr einen ausgeben.

Aachen HEINER FRANZEN

Es ist viel über diesen herausragenden Vollblutpolitiker gesagt und geschrieben worden. Er erklärt sich aber im Grunde selbst. In seinem, nur noch in wenigen Exemplaren vorhandenen Buch »Rosen und Disteln«, das er 1948 zu den Ursachen und Ergebnissen des dramatischen Ringens um 1848 geschrieben hat, sagt er unter »Ausklang":

... schweren Herzens habe ich aus der Fülle des Interessanten das herausgesucht, was hier noch Platz finden kann. Aber es sind doch Gedanken, selbständige Gedanken; Du kannst und wirst Dir über sie wohl Deine eigenen machen. Und das wäre gut.

Das wäre in der Tat gut! Für manche, ja für viele. Für heute und für morgen!

Worms MORITZ WAMMES

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