VIETNAM / SOWJET-TRAWLER Rote Bälle
Der rote. Ex-Thunfisch-Jäger »Gidrofon« pirschte im Golf von Tonkin auf einen Riesenfisch: den amerikanischen Flugzeugträger »Constellation«. Doch der Fischer wurde abgefangen. Nach einer Hatz von 73 Minuten konnte sich das Navy-Bergungsschiff »Conserver« zwischen den aggressiven Russen und den nicht so wendigen Träger schieben.
Der graugrüne Sowjet-Fischer drehte ab und dümpelte im Kielwasser des US -Riesen. In der Hoffnung, Geheimes zu finden, fischte er, was amerikanische Blaujacken über Bord warfen: Steak - und Gemüsereste.
Die »Gidrofon« ist kein Einzelgänger. Seit drei Flugzeugträger und 30 weitere Schiffe der 7. US-Flotte im Golf von Tonkin gegen Nordvietnam operieren, werden sie ständig von Sowjet-Trawlern beschattet.
Die Amerikaner haben keine Handhabe, die aufdringlichen Fischkutter fernzuhalten. Denn die Roten tuckern in freien Gewässern und rechtfertigen ihre Anwesenheit im Golf von Tonkin, dem Operationsgebiet amerikanischer Flugzeugträger im Luftkrieg gegen Nordvietnam, überdies mit einem international als Vorfahrtsregel respektierten Signal: roter Ball, weißer Rhombus, roter Ball. Das bedeutet: »Wir sind mit Unterwasserarbeit beschäftigt.« Ihre Unterwasserarbeiten erledigen die Trawler stets in Nähe amerikanischer Formationen.
In Wahrheit überwachen Moskaus Tonkin-Fischer Radar und Funk der amerikanischen Schiffe und Flugzeuge. Sie funken die Vietnam-Einsätze der F-4C Phantoms und der A-4 Skyhawks nach. Hanoi.
Etwa 3000 sowjetische Fischdampfer von der Art der »Gidrofon« können für Spähaufgaben auf allen Weltmeeren eingesetzt werden. Sie sind mit Radar - und Funkgeräten, elektronischen und photographischen Apparaten ausgerüstet, mit denen sie den Funkverkehr zwischen westlichen Flottenverbänden und deren Heimathäfen sowie zwischen amerikanischen Flugzeugbasen und deren Befehlszentralen in den USA abhören können.
Die sowjetischen Trawler dampfen vor Amerikas Küsten und registrieren die Raketenstarts auf den Abschußplätzen von Cape Kennedy und Vandenberg. Sie schnüffeln an Englands Gestaden und erkundeten vor Anthorn die erste Nato-Radiostation für den Einsatz der Nato-Seeverbände. An den Nato-Flottenmanövern Anfang 1965 im Nordatlantik nahmen über 400 sowjetische Trawler als ungebetene Gäste teil.
Mitte vergangenen Monats interessierte sich ein sowjetischer Trawler für den Flugzeugträger »HMS Hermes«, der zu Übungen in den Gewässern um Nordschottland kreuzte: Er war zwei Monate zuvor als erstes Schiff der britischen Marine ausschließlich mit Raketen bestückt worden.
Ein Verband von 115 US-Schiffen, die 40 000 Soldaten vom amerikanischen Pazifik-Stützpunkt Okinawa zu einem großangelegten Landungsmanöver nach Taiwan schipperten, konnte die Sowjet -Schatten nicht abschütteln.
Die »Gidrofon« im Golf von Tonkin war besonders gut ausgerüstet. Auf die Warnung ihres amerikanischen Bewachers »Conserver«, amerikanische U -Boote seien in der Nähe, antwortete sie in holprigem Englisch: »Danke für die Warnung. Ich sie können sehen.«
Jedesmal, wenn die »Conserver« auf den Russen zudrehte, setzte der Trawler sogleich das Zwei-Flaggen-Signal K X: »Kommen Sie mir nicht zu nahe.« Schließlich gaben die Russen auf. Zum Abschied grüßte sie eine Marine-Band mit US-Rock 'n' Roll.
Für die heimreisende »Gidrofon« (vermutlicher Heimathafen: Wladiwostok) kam jedoch Trawler »Ampermetr« als gleichwertiger Ersatz. Er hatte vor dem amerikanischen Inselstützpunkt Guam die Vietnam-Einsätze der B-52-Bomber erfaßt.
Britischer Flugzeugträger »Hermes«, Sowjet-Bewacher: Zum Abschied Rock'n'Roll