FINNLAND / OST-WEST-KANAL Rückkehr für Rubel
Gegen Barzahlung hat Moskau ein Stück Rußland verpachtet -- erstmals in der Geschichte der Sowjet-Union. Seit Montag dieser Woche ist der Saimaa-Kanal, dessen südliche Hälfte die Sowjets 1944 von Finnland annektierten, offiziell wieder eine komplette finnische Wasserstraße.
Der 53 Kilometer lange Wasserweg zwischen den 25 000 Quadratkilometer weiten Binnengewässern um den Saimaasee und der um 75 Meter niedrigeren Ostsee, 1856 eröffnet, hatte dem seinerzeit zaristischen Großherzogtum Finnland 25 Jahre später bereits die Baukosten, drei Millionen Silberrubel, wieder eingebracht.
Alles Holz aus der Saimaasee-Region schwamm durch 28 Schleusen zu den Holzausfuhrhäfen am Finnischen Meerbusen. In den dreißiger Jahren trug der Kanal jährlich 800 000 Tonnen Güter, meist Holz, durch die Karelische Landenge.
Nach Kriegsende schnitt sich die Sowjet-Union die ganze Landenge und den halben Saimaa-Kanal vom Feindesland ab. Finnlands Waldwirtschaft mußte einen Holzweg finden, der teurer war, und sehnte sich nach dem alten.
Erst nach Abschluß des russischfinnischen »Freundschafts und Beistandspakts« von 1948 trauten sich die Finnen, den neuen Freunden mit Kanalwünschen zu kommen. Die Sowjet-Union winkte ah. Aber 1958 erklärte sie sich bereit, ihn für 50 Jahre zu verpachten. 1962 kam es zum Vertrag.
Seitdem verwalten diesen schmalen Streifen alter Heimat die Finnen wieder. Er ist auf beiden Ufern im Schnitt 30 Meter breit und schließt die ehemals finnische Insel Malij Wysozkij in der Bucht von Wiborg (finnisch: Viipuri) als Lager- und Umschlagplatz ein. Im Pachtgebiet dürfen die Finnen Schulen, Wohnungen und Postdienste errichten, gelten Finnlands Recht, Währung und Pressefreiheit.
Aber beim Ausbau des Kanals durften nur finnische und russische Arbeitskräfte beschäftigt werden. Heute ist er tiefer und breiter als zuvor und hat nur acht -- jetzt vollautomatische -- Schleusen. Sie können Schiffe bis 78 Meter Länge und 1600 Tonnen Tragfähigkeit aufnehmen. Die Probe-Durchfahrt des finnischen Frachters »Bore IX« verlief glatt.
Außer rund 300 Millionen Mark Ausbaukosten hat Finnland kürzlich schon die erste Leihgebühr an die Russen bezahlt: gut sechs Millionen Mark als einmalige Abfindung. Fortan kassieren die Sowjets je nach Kanalfrachtmenge Jahresbeträge in Rubel von 800 000 bis 1,1 Millionen Mark.
Ob der Kanal mit dem »inzwischen großgewordenen Straßen-Lastzugverkehr konkurrieren kann, ist allerdings fraglich: Sattelschlepper und Traktoren rollen auch im Winter. Der Kanal aber ist vier Monate lang zugefroren.
Frachter aller Länder dürfen ihn benutzen, sofern sie nicht Kriegsmaterial tragen. Für Passagier- und Wassersport-Fahrzeuge aus Drittländern ist die rote Hälfte, mithin der ganze Kanal, gesperrt. Aber selbst finnische Wassersportler benötigen für jede Fahrt ein russisches Plazet.
Die Sowjet-Union übt im Pachtgebiet weiterhin die Paß-, aber nicht mehr die Zollhoheit aus, und sie kann, wenn sie es aus Sicherheitsgründen für nötig hält, Sonderregelungen für »alle Fahrzeuge und Bürger in diesem Gebiet« erlassen.
Aus denselben Gründen kann sie den Kanal für Fahrzeuge und Bürger aus Drittländern sogar vollends schließen.