BEAMTE Ruhighalten
Kaum im Amt, tat Manfred Wörner schon Gutes: Mit grünem Chefstift schrieb der christdemokratische Verteidigungsminister »Einverstanden« auf eine Akte und besiegelte damit, im Februar vorigen Jahres, die außergewöhnlich großzügige Beförderung eines ÖTV-Gewerkschafters und Sozialdemokraten.
Doch auf Wörner lastet der Fluch der guten Tat: Heute muß sich der Minister vom Bundesrechnungshof »sachwidrige« Entscheidungen und »unzulässige Begünstigung« vorhalten lassen. Auch dieser Fall ist von dem damaligen Staatssekretär Joachim Hiehle, der wegen der Affäre um General Günter Kießling gehen mußte, angerührt worden.
Hiehle hatte im Januar 1983 dem Vorsitzenden des Hauptpersonalrates im Verteidigungsministerium, Erich Krause, zu einem ungewöhnlichen Karrieresprung verholfen und damit Mißgunst provoziert. Zudem löste er einen Streit aus zwischen den konkurrierenden Arbeitnehmerorganisationen, der ÖTV und dem Deutschen Beamtenbund.
Krause ist seit April 1958 freigestelltes Mitglied des Personalrates. Dieses Gremium entspricht dem Betriebsrat in der Privatwirtschaft. Bevor er sich hauptamtlich der Vertretung seiner Kollegen widmete, hatte Krause lediglich einige Monate lang als Schreiner bei der Bundeswehr in Köln-Wahn gearbeitet.
Freigestellte Personalräte dürfen, so das Bundespersonalvertretungsgesetz, in ihrer Karriere weder behindert noch begünstigt werden. Sie bleiben zwar oft mehrere Wahlperioden ihrem eigentlichen Arbeitsplatz fern, sollen aber in dieser Zeit nicht von allen Beförderungen ausgeschlossen werden.
Um die Beförderung aktiver Arbeitnehmervertreter zu regeln, wurde das Instrument der sogenannten fiktiven Nachzeichnung des beruflichen Werdegangs erfunden: Freigestellte Personalräte können danach in dem Umfang höher eingestuft werden, in dem auch Kollegen mit gleicher Ausbildung beim Bund vorwärtskommen.
Nach diesem Muster rückte Erich Krause 1967 in die Lohngruppe I für Arbeiter auf und erhielt zusätzlich eine Vorhandwerkerzulage. Dann tat sich lange nichts, bis ihm mit Wirkung vom 1. Januar 1983 der große Schub beschert wurde: Krause avancierte vom Arbeiter zum Angestellten der Vergütungsgruppe IIa nach Bundesangestelltentarif (Monatseinkommen: etwa 5000 Mark) - eine Beförderung, die der Erhebung eines Feldwebels in den Majorsrang gleichkäme. Zugewinn pro Monat: rund 2000 Mark brutto.
Damit nicht genug: Hiehle beglückte den Personalratsvorsitzenden Anfang 1983 auch noch mit einer rückwirkenden Beförderung zum Angestellten der Tarifgruppe III vom 1. Januar 1978 an. Der Mehrverdienst, der Krause zustand, wurde für das Jahr 1982 nachgezahlt: etwa 18 000 Mark. Und da Krause bis zur Pensionierung noch drei Jahre seine Pflicht tun muß, kann sich der neue Rang auch voll auf das Altersruhegeld auswirken.
Diese »fiktive Nachzeichnung« der Krauseschen Laufbahn, so die Prüfer des Bundesrechnungshofes, sei »nicht nachvollziehbar«. Und die rückwirkende Höhergruppierung, heißt es in ihrem vorläufigen Bericht, müsse »als unzulässige Begünstigung« angesehen werden. Auch Krauses Übergang zum Angestellten paßt den Prüfern nicht. Krause habe selber noch 1967 Wert darauf gelegt, Arbeiter zu bleiben. Maßgebend dafür sei die Überlegung gewesen, daß er als Arbeiter für den Personalrat kandidieren wollte.
Der Bundesrechnungshof: »Eine Nachzeichnung für die Vergangenheit entgegen dem früheren erkennbaren Willen des Arbeitnehmers ist von vornherein sachwidrig.« Krause sei ein »ungerechtfertigter Vorteil« zugeschanzt worden, ein solcher »Sprungaufstieg« komme normalerweise nicht in Betracht.
Der in die Bundeswehr vernarrte Wörner hatte, als er Krauses Beförderung zustimmte, die Brisanz des Falles nicht erkannt. Kaum war der Akt vollzogen, erreichten ihn anonyme Beschwerdebriefe, wurde der Rechnungshof alarmiert. ÖTV-Leute vermuten, daß die Kollegen vom Beamtenbund die Sache nutzten, um der Gewerkschaft zu schaden.
Peinlich für Wörner wurde die Geschichte, als Wilhelm Diehl, Vorsitzender des Personalrates bei der Standortverwaltung in Kassel, sich rührte. Dem war gerade eine ähnliche Höhergruppierung abgeschlagen worden. Nun drohte er, kurz vor der hessischen Landtagswahl im Herbst 1983, er wolle seinen Parteifreund Wörner auf einer CDU-Veranstaltung am 18. September 1983 wegen der Begünstigung scharf angehen.
Doch Wörner hatte einen Freund, der ihn zunächst vor dem Ärgsten bewahrte: den Stellvertreter Krauses im Hauptpersonalrat, Ministerialrat Werner Karrasch. Der hat sich mittlerweile noch durch andere Aktivitäten zweifelhaften Ruhm erworben: Die Affäre Kießling ist unter anderem seinem bösartigen Geschwätz über die angebliche Homosexualität des Generals zu verdanken.
Unter dem Briefkopf des Hauptpersonalrates ließ Karrasch, Mitglied in Beamtenbund und CDU, seinem Minister am 16. September einen Aktenvermerk zukommen. Die Beförderung des Vorsitzenden Krause, so petzte Karrasch bei Wörner, sei durch das Benachteiligungsverbot »auf keinen Fall gedeckt«. Eindringlich warnte Karrasch seinen Parteifreund vor Diehls geplanter Attacke und vor der Prüfung des Rechnungshofes.
Der tatkräftige Wörner-Freund spendete dem Minister aber auch Trost; vor dem Wahltermin in Hessen drohe keine Gefahr. Karrasch: »Mit dem mir bekannten zuständigen Bearbeiter im Bundesrechnungshof habe ich gesprochen. Er wird die Sache zunächst hinhaltend behandeln.«
Außerdem, so Karrasch, wolle er sich Diehl vorknöpfen und dafür sorgen, »daß die Angelegenheit bundeswehrintern bleibt und geregelt wird«. Karrasch gönnerhaft: »Ich bin sicher, daß ich Herrn Diehl, mit dem ich gut bekannt bin, ruhighalten kann.«
Das unangenehme Thema blieb planmäßig unter der Decke. Auch der Rechnungshof kam, wie von dem emsigen Karrasch prophezeit, mit seinem Gutachten erst jetzt heraus. Vielleicht muß sich der Ministerialrat bald selbst mit dem Rechnungshof auseinandersetzen. ÖTV-Mitglieder wollen erreichen, daß auch die fiktive Karriere der grauen Eminenz Karrasch überprüft wird.
Seit seiner Freistellung im September 1960 kletterte der Personalrat vom Regierungsamtmann im gehobenen Dienst (Endgrundgehalt derzeit monatlich 3190,76 Mark) auf der Karriereleiter bis zum Ministerialrat de luxe (6446,69 Mark).