Weinbau Sachfremde Einflüsse
Wortreich wies Landwirtschafts- und Weinbauminister Dieter Ziegler, 52, jeglichen Verdacht von sich: Daß er in die Panscherei-Affäre der Weinhändler-Dynastie Pieroth verwickelt sein könnte, sei »konstruiert«, »wirr« und »unzutreffend«.
Das finden rheinland-pfälzische Staatsanwälte gar nicht. Nach ihren Erkenntnissen liegt zumindest der Verdacht nahe, daß auch der christdemokratische Minister in den unappetitlichen Skandal verstrickt ist, der seit fast fünf Jahren die Justiz beschäftigt.
Spitzenmanager und Gesellschafter der Pieroth-Betriebe werden verdächtigt, von 1979 bis 1985 rund sieben Millionen Liter Wein mit minderwertigen Zusätzen verschnitten zu haben, darunter Weine aus Österreich, die mit dem Frostschutzmittel Glykol gesüßt waren. Ziegler selbst soll, so glauben die Ermittler, den ertappten Sündern entgegengekommen sein.
Die Landeszentralstelle für Wein- und Wirtschaftsstraftaten in Bad Kreuznach verfügt zum Beispiel über Erkenntnisse, daß der Minister der Firma Pieroth angeboten hat, für den Vertrieb glykolverseuchter Weine eine Ausnahmegenehmigung zu erteilen.
Das jedenfalls hat Peter Winter ausgesagt, Geschäftsführer der Wein International Weingüter- und Kellerei-Verwaltung (WIV), wie sich das Pieroth-Unternehmen seit 1988 nennt. Gemeinsam mit dem Frankfurter Rechtsanwalt Wilhelm Schaaf, der nach dem Auffliegen des Glykol-Skandals als Treuhänder in die vom Konkurs bedrohte Firma geholt worden war, traf sich Winter im Sommer 1987 zu einem vertraulichen Gespräch mit Ziegler im Mainzer Ministerium.
Die WIV-Abgesandten argumentierten, die Glykol-Grenzwerte im europäischen Ausland seien längst nicht so streng wie in der Bundesrepublik. Der Minister, der laut Winter-Aussage »allein« mit den WIV-Männern verhandelte, zeigte für das Anliegen offenbar Verständnis. Nach Angaben von Winter gab Ziegler den Rat, sie sollten Wein mit einem Glykolgehalt von drei bis vier Milligramm je Liter »noch nicht« vernichten. Der Weinbauminister laut Winter: »Meines Erachtens können Sie für diese Weine eine Ausnahmegenehmigung erhalten.«
Der Bericht über das vertrauliche Gespräch alarmierte den Staatsanwalt Gottfried Hickel, 37, der bis Ende Februar in der Pansch-Affäre ermittelte. Er sah erhebliche »Zweifel an der Unvoreingenommenheit dieser Landesregierung hinsichtlich des Pieroth-Verfahrens aufkommen«.
Hickel und vier weitere Staatsanwälte glaubten sich in ihren Vermutungen bestätigt, als sie im Februar plötzlich von dem Fall entbunden wurden. Der Grund: Nachdem die Ermittler Hinweise auf eine enge Verbindung zwischen dem Staatssekretär und Chef der Mainzer Staatskanzlei, Hanns Schreiner, und dem früheren Pieroth-Geschäftsführer Adolf Huber gefunden hatten, planten sie eine spektakuläre Aktion. Die Fahnder wollten die Wohnung und das Büro von Schreiner durchsuchen, wurden aber vom Chef der Bad Kreuznacher Staatsanwaltschaft, Hermann Hillebrand, und dem Koblenzer Generalstaatsanwalt Hans-Joachim Ulrich gestoppt - mit ausdrücklicher Billigung des freidemokratischen Justizministers Peter Caesar, 50.
Das beispiellose Justizspektakel, dessen Hintergründe ein Untersuchungsausschuß des Mainzer Landtages jetzt auf Initiative der SPD durchleuchten will, veranlaßte Staatsanwalt Hickel zu einer einschneidenden Entscheidung: Er beantragte seine Entlassung. In einem acht Seiten langen Brief an Justizminister Caesar beklagt sich der Ermittler, auf das Pieroth-Verfahren würden »sachfremde« Einflüsse ausgeübt.
Hart kritisiert Hickel den Weinbauminister. Zieglers Äußerungen »gegenüber unmittelbar vom Verfahren betroffenen und auch wirtschaftlich an dessen Ausgang interessierten Personen« seien geeignet, die »Ermittlungen und die Beweisführung in einer Hauptverhandlung empfindlich zu beeinträchtigen«.
Auch der Justizminister kommt in Hickels Kritik schlecht weg. So habe Caesar Ende Januar die Weisung erteilen lassen, Haftbefehle gegen drei Pieroth-Verwandte und zwei frühere Geschäftsführer »bis zum Vortrag im Ministerium . . . nicht zu vollstrecken«. Hickel: »Für diese Weisung gab es keine Rechtsgrundlage.«
Minister Caesar vermag darin nichts Ungesetzliches zu erkennen. Bei heiklen Fällen wie dem Pieroth-Verfahren sei eine vorherige Unterrichtung des Justizministers »eine Selbstverständlichkeit«. Von einer Einflußnahme auf das Verfahren könne schon deshalb keine Rede sein, weil die Haftbefehle schließlich auch vollstreckt worden seien.
So ganz normal, wie Caesar glauben machen möchte, lief die Aktion gegen die Pieroth-Manager allerdings nicht ab. Der Justizminister behielt seine Informationen nicht für sich, sondern unterrichtete auch die Landtagsfraktionen von CDU, SPD und FDP, zum Teil vorab, über die Verhaftungen.
Um das Maß vollzumachen, mischte sich Caesar persönlich ein. Nach Angaben von Staatsanwalt Hickel, der Ende Juni aus dem Dienst scheidet, hat Caesar einen der Beschuldigten, den früheren Pieroth-Manager Werner Klopfer, zu einem Gespräch im Ministerium empfangen.
Klopfer habe »mehrfache Angriffe« gegen die Staatsanwaltschaft vorgebracht, dabei habe der Minister, wie Klopfer später protokollierte, seine Untergebenen »nie . . . direkt verteidigt«.
Neue Vorwürfe richten sich auch gegen Elmar Pieroth, 55, den Bundesvorsitzenden der CDU-Mittelstandsvereinigung und Wirtschaftsminister-Kandidaten der Ost-CDU. Der Politiker muß womöglich wegen einer Falschaussage mit einem Verfahren rechnen.
In einem Prozeß gegen den Rechtsanwalt eines ehemaligen Weinlieferanten hatte Pieroth 1985, damals Wirtschaftssenator in West-Berlin, ausgesagt, er sei zwar bis 1981 Aufsichtsratsvorsitzender des Familienbetriebes gewesen, über Vorgänge der Geschäftsführung aber nie informiert worden.
Mehrere ehemalige Angestellte des Unternehmens behaupten nun, Pieroth habe bis mindestens 1981, also auch während der Glykol-Panscherei in den Kellereien der Firma, eine wesentlich wichtigere Rolle gespielt, als er bis heute zugebe. So soll Pieroth in seiner Zeit als Aufsichtsratsvorsitzender, von 1971 bis 1981, nebenbei als Berater für die Firma gewirkt haben. Pieroth habe dafür, vertraglich abgesichert, sechsstellige Honorare kassiert.
Zweifel an Pieroths Seriosität hat auch die konservative Welt geweckt. Das Blatt enthüllte letzte Woche, der Volkswirt Pieroth, der als DDR-Minister für rasche Einführung der sozialen Marktwirtschaft sorgen will, habe seine Diplomarbeit 1968 an der Mainzer Universität wohl nicht allein geschrieben. Pieroth räumte ein, er habe während des Studiums in einem »Team von Freunden« gearbeitet und auch einiges »delegiert«. Nun müsse, kommentierte bissig die Münchner Abendzeitung, auch die Frage geklärt werden: »Hat Pieroth beim Diplom gepanscht?«
Im Verdacht, bei der Examensarbeit die Feder geführt zu haben, steht ein alter Bekannter, der im Panscher-Verfahren den Weinhändler Pieroth schwer belastet hat: der frühere Firmen-Manager Werner Klopfer. f