Wienand Sachkonto 48002
Karl Wienand, 45, Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, als Bonner Lobbyist der Münchner Charterfluggesellschaft Paninternational ins Gerede gekommen, dementierte »hart und nachdrücklich«. Niemals habe er, so machte Wienand »mit aller Deutlichkeit« bekannt, von der Unglücksfirma, die nach einem Absturz bei Hamburg (22 Tote) in eine 100-Millionen-Pleite trudelte, Beraterhonorare kassiert.
Das Dementi wurde nur wenige Tage alt. Doch Wahrheitsliebe war es nicht, die den Parlamentarier so schnell den Tatsachen näherbrachte, vielmehr kompromittierte ihn das Auftauchen eines verschollenen Briefes, den ihm Pan-Chef Tassilo Trommer ("Anlage: 1 Verrechnungsscheck") im Oktober 1970 geschrieben hatte.
Zwar habe er den Brief aus München, so erinnerte sich der Bonner nun wieder zuverlässig, nie bekommen, wohl aber »fünf oder sechs Schecks«. Dies indes sei eine »rein private Angelegenheit«, ließ Wienand wissen. Er sei seinem angeblichen Freund Trommer einmal finanziell beigesprungen, und der Pan-Millionär habe das Darlehen dann in Raten abgestottert.
In seinem Schreiben vom 14. Oktober 1970 avisierte der Luftfahrer dem Volksvertreter die anstehende Rate als »Ihr Honorar für den Monat September«. Im selben Billett entschuldigte sich Trommer, der dem Abgeordneten »auf freiberuflicher Basis« bereits im August einen mit jährlich 150 000 Mark dotierten Vertrag angeboten hatte, artig für die Verspätung.
Pünktlich zahlte Wienands Schuldner ohnehin nie. Auch die Rate für August etwa -- ebenfalls 12 500 Mark -- war dem Bonner erst Mitte September angewiesen worden. »Herrn Wienand«, lautete der Scheck mit dem Vermerk: »Verwendungszweck Honorar betr. Beratungskosten.«
Den auf dem Scheck vermerkten Sachverhalt, den der SPIEGEL in der vergangenen Woche erhärten konnte, hatte Wienand bislang stets energisch bestritten. In einem Brief an den SPIEGEL schrieb er im vergangenen Dezember: »Richtig ist ferner, daß ich von der Firma Paninternational keinerlei Zahlungen erhalten habe. Nach dem vorläufigen Jahresabschluß 1970 und nach dem vorläufigen Zwischenabschluß zum 30. September 1971, die beide von der BRG -- Betriebsberatungs- und Revisionsgesellschaft mbH -- erstellt wurden, sind keine Zahlungen an mich als Betriebsausgaben gebucht worden.«
Das Gegenteil ist erweislich wahr. In der Buchhaltung des Münchner Luftfahrtunternehmens wurde solcher Geldverkehr unter Betriebsausgaben, nämlich als Kreditoren-Konto, in das Lieferanten gebucht werden, unter der Nummer 66 529 geführt. Konto-Überschrift: »Wienand Berater.« Seit dem Zusammenbruch der Firma im Herbst 1971 ist dieses Kontoblatt 66 529 verschwunden.
Tassilo Trommer geriet gegenüber seinem privaten Gläubiger Wienand derart in Verzug, daß am 24. August 1970 sogar eine doppelte Rate -- 25 000 Mark -- fällig war. Der unter diesem Datum verbuchte Scheck Nummer 24 63 75, Deutsche Bank in München, Filiale Dachauer Straße, ausgestellt am 11. August 1970, trägt den Text: »Verwendungszweck Beratung.«
Diesen Honoraren folgten bis zum 17. September 1971 weitere Raten -- dazwischen Einzelbeträge von 37 500 Mark. Das Geld floß in der Paninter-Buchhaltung auch unter dem Titel »Rechts- und Beratungskosten etc.« als Sachkonto 48 002 oder auf Honorarkonto 40 701. Diese Kontokarten waren am vergangenen Freitag noch vorhanden; ihre Eigenart enthüllt sich selbst dem Kenner erst beim liebevollen Studium.
Beispielsweise wurde ein Winand-Scheck über 25 000 Mark laut Kontoauszug 44 der Deutschen Bank am 8. März 1971 in das abhandengekommene Pan-Konto 66 529 »Wienand Berater« gebucht, doch im Herbst 1971, als die Blätter welkten und die Pan-Schecks platzten, verschwand der Posten in einem unter Nummer 19 101 neu errichteten Konto »Sond.priv.Tro.« (Sonderkonto privat Trommer). Solche Tatbestände sind Wienand nach eigenem Zeugnis verborgen geblieben. Lediglich »als Privatmann« und allein »aus menschlicher Fürsorge« (Wienand) habe er Pan nicht nur bei westdeutschen Behörden, sondern weltweit seine Hilfe geliehen.
Wienand fühlte sich menschlich aufgerufen, als das brasilianische Luftfahrtministerium den Münchner Bedarfsfliegern die im Juli 1970 beantragte Landeerlaubnis für Kettenflüge im 14-Tage-Turnus nicht gewährte. Und Ministerialrat Hans-Werner Paas, Referent Luftverkehr in Georg Lebers Bonner Ministerium, hatte ein Hilfsersuchen der Pan-Flieger abgeschlagen: »Es wird erneut mitgeteilt. daß irgendwelche Vorstellungen meines Hauses bei den brasilianischen Luftfahrtbehörden nicht in Betracht kommen.«
Deshalb werde »Herr Wienand, der im deutschen Parlament Fraktionsvorsteher der Regierungspartei ist«, so fabulierte Trommer »an einen Verbindungsanwalt in Rio, im November 1970 selbst nach Brasilien fliegen, um über die Landerechte zu verhandeln.
»Insbesondere die politische Hilfe von Herrn Wienand über die deutsche Botschaft«, schrieb Trommer, werde »sehr nützlich sein, da sicher das deutsche Parlament kein Verständnis hätte, daß Brasilien finanzielle Unterstützung im Rahmen der Entwicklungshilfe erhält. aber andererseits ein Touristikprogramm, das Devisen bringt, ablehnt«.
Wienands Lufthansa-Ticket Richtung Rio war bereits gebucht, als Termine Herbert Wehners »echten Stellvertreter« (Regierungssprecher Conrad Ahlers) in Bonn zurückhielten. Aber Pans Touristik-Chef Dieter von Langen, der nun allein flog, »konnte dennoch parlamentarischen Beistand genießen: Wienand, der für Pan tätige Privatmann, hatte über das Auswärtige Amt in Bonn einen Fraktionskollegen, der just Mittelamerika bereiste, mit der Aufgabe in Rio betraut: den SPD-Bundestagsabgeordneten Joachim Raffert, jetzt designierter Parlamentarischer Staatssekretär im Wissenschaftsministerium.
Auch im heimischen Bonn wirkte Wienand ("Es kommt darauf an, seinen Beitrag zu leisten") still, aber zäh zum Besten seines Privatschuldners Trommer, bis Gerichtsvollzieher und schließlich am 4. November 1971 die Iduna-Versicherung (Slogan: »Immer der richtige Rahmen") durch Entzug des Kasko-Schutzes die Pannenflotte aus dem Verkehr zogen. Vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuß zu Bonn wird Wienand demnächst Gelegenheit zuteil, seine Version der Wahrheit über seine Rolle im Paninter-Drama weiterzuentwickeln.
Dem SPIEGEL erklärte er in der vergangenen Woche: »Ich habe zu der ganzen Angelegenheit Paninternational nichts mehr zu sagen. Was ich zu sagen habe, werde ich dem Untersuchungsausschuß sagen.«