Otto Köhler SACHVERSTAND
Was mag unserem Bundesinnenminister demnächst ein fallen? Wird er ein Gremium von Tabakindustriellen mit der Untersuchung beauftragen. ob Nikotin krebsfördernd sei? Wird er einen Mädchenhändlerausschuß prüfen lassen, ob Prostitution der Keuschheit schaden könnte?
Das alles ist gut möglich, denn Innenminister Paul Lücke hat seinen Sinn für derlei kauzige Späße gerade erst bewiesen.
Seit Jahren beklagen vor allem die Verleger kleiner und mittlerer Tageszeitungen die zunehmende Konzentration der Presse durch die Konzerne weniger Großverleger. Unabhängige Publizisten machen sich Sorgen, wo die Meinungsfreiheit bleibt.
Davon hat auch der Bundesinnenminister gehört, und er berief deshalb jetzt eine Pressekommission, die die Wettbewerbslage in der deutschen Presse und die Folgen der Pressekonzentration untersuchen soll. Neben Vertretern der Verbände und Rundfunkanstalten gehören dem Gremium sechs Interessenvertreter der Konzentrations-Betroffenen, nämlich der Verlage, an. Und alle sechs Verleger, die in dieser Kommission die Gefahren der Konzentration untersuchen sollen, sind sachverständig:
> Anton Betz, Verleger der »Rheinischen Post« (23 Bezirksausgaben), zugleich als Mitverleger des »Mittag« verbunden mit dem Springer-Konzern (Betz: »Wir kommen oft zusammen, und in den Fernseh-Interessen sind wir einig");
> Die Gerd Bucerius, Gesellschafter des zweitgrößten Pressekonzerns, der Gruner + Jahr GmbH;
> Hans Dürrmeier, Gesellschafter der »Süddeutschen Verlag GmbH« ("Süddeutsche Zeitung") mit Beteiligungen an »Abendzeitung«, »Stuttgarter Nachrichten«, »Bayerische Staatszeitung«, »Epoca« und sechs Fachzeitschriften;
> Dr. Wilhelm Ehmer, Verleger der »Lüdenscheider Nachrichten« und Aufsichtsrats-Vorsitzender der »Standortpresse GmbH« (117 Mitgliedsverlage);
> Dietrich Oppenberg, Verleger und Herausgeber der »Neuen Ruhr Zeitung«, die ihrerseits zum drittgrößten Presseunternehmen gehört, einer sozialdemokratischen GmbH, die sich auch gleich »Konzentration« nennt;
> Axel Springer, Beherrscher des größten bundesdeutschen Pressekonzerns mit sechs Tages-, zwei Sonntagszeitungen und elf Wochen- und Monatszeitschriften.
Das ist eine Verlegermannschaft, die alles daransetzen wird, die Gefahren der Pressekonzentration ins rechte Licht zu setzen. Und deshalb konnte Lücke leichten Herzens auf drei unabhängige Wissenschaftler verzichten, die zunächst zur Kommission gehören sollten,
Einer von ihnen, der Co-Direktor des Instituts für Konzentrationsforschung an der Freien Universität Berlin. Professor Dr. Helmut Arndt, hatte sich durch sein neuerschienenes Buch »Die Konzentration in der Presse und die Problematik des Verlegerfernsehens« eigentlich ganz von selbst aus dieser wohlausgewählten Kommission ausgeschlossen. Resümee des Arndt-Buches: »Die von Großverlegern zusammengefaßte oder abhängig gewordene Presse kann durch einheitliche Berichterstattung und gelenkte Kritik zu einem politischen Machtfaktor werden, der keiner parlamentarischen Kontrolle unterworfen ist.«
Damit setzt sich Professor Arndt genau in Gegensatz zu Axel Springers Meinung, der -- sachverständig wie er ist -- in der Konzentration oder, wie er lieber sagt, im »Heranwachsen größerer Zeitungsunternehmen« die schöne Gelegenheit für die Presse erblickt, »freier« und »selbstbewußter« zu werden.
Es war darum sehr taktvoll von Innenminister Lücke, daß er Arndt der Konzentrations-Kommission fernhielt. Die sechs Großverleger in der Kommission werden sicherlich unter Axel Springers kundiger Anleitung die wohlklingenden Formulierungen finden, die den kleinen und mittleren Verlegern außerhalb der Kommission ihr baldiges Ende schmackhaft machen. Und das ist schließlich eine Leistung, auf die sich unabhängige Wissenschaftler mit ihrem knöchernen Realitätssinn nicht so leicht verstehen.
So hübsch und originell die Eingebung des Bundesministers auch sein mag, gerade die sechs Großverleger die Gefahren der Konzentration untersuchen zu lassen, Lücke wird doch auch diesen Einfall übertreffen. Er will demnächst noch einen ständigen Beirat für Fragen der Presse- und Meinungsfreiheit bilden, Für den Vorsitz hat er schon den rechten Kandidaten benannt,
Dieser Kandidat betrachtet Franco-Spanien, das keine Pressefreiheit kennt, als »Demokratie« und betrachtet Südafrika, wo die Meinungsfreiheit im Gefängnis endet, wie die Bundesrepublik als einen Staat, der dafür sorgt, »daß die Sonne der Freiheit nicht untergeht«.
Der Name des sachverständigen Kandidaten: Paul Lücke.