INNENMINISTERIUM Salaam ndiyo
Mitten in Kenia, auf der Straße von Nyeri nach Nanyuki, machte der deutsche Arzt Horst Hagen im Frühjahr eine schreckliche Entdeckung. An einem vorbeifahrenden Landrover, Aufschrift »West German Radio«, prangten die Aufkleber »Grüne in den Landtag« und »Frieden schaffen ohne Waffen«.
Hagen sah Rotfunk. Als ihm ein Afrikaner, des Deutschen mächtig, den Friedens-Slogan in Suaheli übersetzte ("Salaam ndiyo bila bunduki"), klinkte der Doktor aus. Das Wort »ndiyo«, so erfuhr er, besitze »einen imperativen Charakter, der logische und vernünftige kritische Überlegungen ausschließt«. Hagen: »In diesem Zusammenhang heißt es etwa: 'Es geht ganz bestimmt völlig' ohne Waffen.«
So stand es zwar nicht am WDR-Auto; aber die Suaheli-Übersetzung brachte Hagen zusätzlich in Rage. Unter dem Betreff »Linkslastigkeit des WDR« wandte sich der Facharzt für Inneres nach seiner Rückkehr an den Fachminister für Inneres Friedrich Zimmermann (CSU).
»Auf Kosten des Steuerzahlers«, beschwerte er sich, »und zu Lasten des guten deutschen Rufes in Kenia fährt hier eine Rundfunkanstalt gefährliche Parolen durch ein fremdes, befreundetes Land spazieren.« Und: »Die unterschwellige Manipulation politisch weniger kritischer Menschen in unserem Vaterland wie im Ausland muß endlich aufhören.« Deshalb: »Bitte, hochverehrter Herr Minister, schreiten Sie hier ein!«
Zimmermann schritt ein. Befaßt wurden - bis in den Sommer hinein - das Auswärtige Amt, die Bonner Botschaft in Kenia, ein offizieller Dolmetscher, die Staatskanzlei in Düsseldorf und WDR-Intendant Friedrich-Wilhelm von Sell.
Als Halter des beklebten Automobils sei der WDR-Korrespondent Peter Laudan ermittelt worden, teilte die Staatskanzlei dem Intendanten mit. »Das Auswärtige Amt«, so heißt es weiter, »sieht nach Mitteilung des Bundesministers des Innern zwar die auswärtigen Beziehungen zu Kenia durch diesen Vorgang nicht belastet«, gleichwohl sei »die Frage aufzuwerfen, ob Fahrzeuge einer öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalt in dieser Weise benutzt werden sollten«.
Die Antwort steht schon fest. Der WDR schrieb dem aufgeregten Afrika-Reisenden Hagen, die »strikt beachtete Neutralität in politischen Fragen« schließe »auch ein Verbot der Werbung für politische Aktivitäten jedweder Art an Dienstfahrzeugen« ein.
WDR-Mann Laudan versteht den Wirbel um den Friedensaufkleber nicht, und daß der Slogan der christlichen Aktion Sühnezeichen, wie behauptet, von Kommunisten erfunden worden sei, glaubt er schon gar nicht.
Andere wohl auch nicht. Als im vergangenen Jahr der DDR-Korrespondent einer süddeutschen Tageszeitung von West- nach Ost-Berlin zurückfahren wollte, durfte er die Grenze zur DDR erst passieren, nachdem er den gleichen Aufkleber von seinem Auto entfernt hatte.