ENGLAND / PRIVATARMEEN Sanfter Mann
In roten Lettern warnt eine Aufschrift »Streng geheim«. Dann folgt die Erklärung: »Vorschläge für ein Elitekorps im Königreich Saudi-Arabien.«
Autor des weiß gebundenen Dossiers ist der einstige britische Oberst und heutige Kaufmann Archibald David Stirling, 54. Als Chef der Firma »Watchguard International« offeriert Stirling nahöstlichen und afrikanischen Staaten »besondere Dienste": >Militär-Inspizienten und militärische Berater,
* Fachleute für die Bekämpfung von Guerillas -- sowie
* »als Spezialität der Gesellschaft« Leibwachen für Staatsoberhäupter und Minister.
Schon für den halben Preis eines Düsenkampfflugzeugs, so wirbt ein smaragdgrüner »Watchguard«-Katalog, »kann gehörige Vorsorge getroffen werden«. Die Zeiten, da sich Länder offen bekriegten, seien vorbei; heute müsse sich ein Staatsmann vor Subversion schützen, vor politischem Mord und vor Staatsstreichen.
Mit »Watchguard«-Hilfe schützt sich beispielsweise der Präsident von Sambia, Kenneth Kaunda: Instrukteure der Stirling-Firma drillen einen paramilitärischen Trupp von Kaunda-Leibwächtern. Auch die mit ägyptischer Hilfe bekämpften Royalisten im Jemen waren angeblich »Watchguard«-Kunden; mehrere Öl-Scheichs am Persischen Golf sollen es heute noch sein.
Der Oberst a. D. rekrutiert seine Mitarbeiter gelegentlich aus den Verteranen einer britischen Elitetruppe, den »Special Air Services (SAS). Stir-
* l944 in Tunesien.
ling selbst ist Gründer und Heros dieser Nah- und Einzelkampf er-Truppe der britischen Armee, die erstmals 1941 gegen Rommels Landser in Nordafrika eingesetzt wurde. Der deutsche Rundfunk taufte Stirling respektvoll den »Gespenster-Major«.
Im Kampf gegen Deutsche und Italiener sabotierte SAS-Mann Stirling so erfolgreich, daß Churchill ihn zum Oberstleutnant beförderte und ihn mit einem Byron-Zitat charakterisierte: »Noch niemals hat ein sanfterer Mann Schiff' angebohrt und Schädel eingeschlagen.«
Seit dem Krieg gehören SAS-Freiwillige -- ihr Abzeichen ist ein silberner, senkrechtstehender Dolch mit goldenen Schwingen -- zur britischen Feuerwehr für Unruhegebiete im Commonwealth. SAS-Reservisten aber werden gern von Stirling angeworben.
Denn der »Watchguard«-Chef -- dessen Firma aus Gründen der Steuer-Ersparnis auf der Kanalinsel Guernsey registriert ist -- braucht Guerillakampf-Veteranen. In seinen Vorschlägen für Saudi-Arabien zum Beispiel pries Stirling seine Söldner als Experten für »alle Formen konterrevolutionärer Aktion« an.
»Watchguard«, so versprach die streng geheime Offerte, könne für das Königreich insgesamt 151 Mann Sondertruppen rekrutieren und ausbilden. Mögliche Bewaffnung der Elitetruppe: zwei leichte Flugzeuge, drei Hubschrauber, Mörser und Panzerabwehrgeschütze aus der Waffenkammer eines Stirling-Bekannten. Kosten und Unterhalt der Einheit während der ersten zwei Jahre: 4,5 Millionen Mark.
Stirling ist überzeugt, daß sein Anti-Guerilla-Service gute Zukunftschancen hat: »Alles deutet darauf hin, daß es eine langfristige Aufgabe für uns gibt.« Dennoch hat der Brite vorgesorgt: Stirling ist auch im Fernsehgeschäft nach Übersee tätig.