CDU/CSU Schema 13
Der schwarze Baron sah rot: »Nun kommen solche Affen und werfen mir vor, ich sammelte Karolinger und Integral-Katholiken um mich.«
CSU-MdB Karl Theodor Freiherr von und zu Guttenberg, 45, empörte sich über das Echo, das seine Aktivität vom Frühjahr im Sommer fand.
Im Bonner Theologenkonvikt Augustinum - rund 1000 Meter vom Parlament entfernt - hatte am 16. Mai unter strikter Geheimhaltung eine Männerrunde einen neuen Verein aus der Taufe gehoben: »Politische Arbeitsgemeinschaft Kirche und Welt - Freundeskreis christlich-demokratischer und christlich-sozialer Politiker e.V.«
Ein gemeinsamer Feind einte die Freunde. Den Namen geprägt hatte der Prominenteste der Runde: CSU-Baron Guttenberg. Assistiert hatten ihm einschlägige Bekannte: Ex-Legationsrat Graf Huyn und der Intendant des Saarländischen Rundfunks, Franz Mai;
beide, ebenso wie Guttenberg, eingeschworene Feinde Bundesaußenminister Gerhard Schröders.
Stille Förderer des eingetragenen Vereins standen ihnen zur Seite. Von Guttenberg angesprochen, doch ausdrücklich nicht um Beitritt gebeten, befanden
- Konrad Adenauer: »Das ist ne jute
Sache«;
- Franz-Josef Strauß: »Ich stehe dem Vorhaben mit Sympathie gegenüber«;
- Eugen Gerstenmaier: »Daraus kann etwas werden.«
Was daraus werden wird, will der Verein der Öffentlichkeit auf einer Eröffnungsveranstaltung im September in Bonn sagen. Die Gründungsmitglieder schworen zunächst ihren Verein laut Satzung auf den »in der Christenheit wiederbelebten ökumenischen Geist« ein und auf die Christenpflicht, »unter Hintansetzung eigener Bequemlichkeit und materieller Vorteile alle politischen Bereiche mitzugestalten«.
Nicht diese aus dem Konzilschema 13 entlehnten Formulierungen, sondern Guttenbergs eigene Worte gewannen das Wohlwollen von Adenauer, Strauß und Gerstenmaier.
Guttenberg: »Wir wollen ein bikonfessioneller Kreis sein, katholische und evangelische Christen sollen gemeinsam versuchen, das 'C' der CDU zu aktivieren.« Daraus folgt: »Der Evangelische Arbeitskreis der CDU ist eine überholte Sache. Entweder sind wir eine Union oder wir sind keine.« Vorsitzender des Evangelischen Arbeitskreises: Bundesaußenminister Gerhard Schröder.
Die »Frankfurter Rundschau« sah hiermit die konventionellen Bonner Fronten wiederhergestellt. Mit der vereinfachenden Überschrift »Schröders Gegner formieren sich« deckte sie die Geheimbündelei auf. Der Bonner Journalist Ulrich Frank-Planitz polemisierte in »Christ und Welt« gegen »Kirche und Welt": »Die Karolinger proben den Aufstand.«
Nicht wissend, daß »Christ und Welt«-Gesellschafter Gerstenmaier als evangelischer Oberkonsistorialrat mit dem bislang noch überwiegend katholisch besetzten Vereinszirkel sympathisierte, schrieb der Journalist, bei den Gründungsmitgliedern handele es sich »durchweg um bekannte Persönlichkeiten aus dem erzkonservativen Milieu des politischen Katholizismus«. Über Gerstenmaier erreichte Guttenberg, daß ihm in einer der nächsten Ausgaben von »Christ und Welt« in einem Interview Gelegenheit zur Gegendarstellung gegeben wird.
In einem Fall allerdings kommt sie zu spät. CDU-MdB Eduard Adorno, 45, sandte eine Beitrittserklärung, die ihm auf Empfehlung seines Fraktionskollegen und Vereins-Mitgründers Werner Marx zugeschickt war, postwendend zurück. Begründung: »Die Vereinigung hat eine Entwicklung genommen, die ich nicht gutheiße.«
Andere hießen die Entwicklung gut. Zu den Mitglieder-Neuerwerbungen der jüngsten Zeit zählt Adenauer-Sohn Georg, durch eine bikonfessionelle Ehe auf den bikonfessionellen Verein vorbereitet. Er ist mit einer evangelischen Schwedin verheiratet.
Unmittelbarer Anstoß zur Vereinsgründung war für Guttenberg die letzte Bundestagswahl. Im Herbst 1965 verlor die CDU einen Großteil ihrer Stammwähler, eine Tendenz, die sich bei der Wahl in Nordrhein-Westfalen am 10. Juli verstärkte. Guttenberg: »Da hat man doch gesehen, wohin der Hase läuft.«
Vereinsgründer Guttenberg
Freundeskreis fürs Christliche