BANKEN / ANLAGE-BERATUNG Schlacht um Groschen
Monatelang mußten Testkunden an Bank- und Sparkassenschaltern Rat suchen, wie sie 2000 Mark am besten anlegen könnten. Ihre Erfahrungen faßte Auftraggeber Helmut Laux, Verkaufs-Psychologe aus Frankfurt, zusammen: »Erschütternd.«
Laux hatte für die Dresdner Bank AG ertestet, was Kritiker westdeutscher Kreditinstitute schon wußten: Hinter den Beratungsschaltern der fast 14000 Sparkassen- und 4300 Bankfilialen herrschen meist Rat- und Interesselosigkeit; kleine Anleger werden oft durch Fachjargon verwirrt oder durch imponierendes Gehabe abgeschreckt. Jetzt wollen Großbanken das ändern.
Die Dresdner Bank, zweitgrößte mit 13 Milliarden Mark Bilanzsumme, verordnete für 3000 ihrer Berater einen Laux-Nachhilfekurs in Verkaufstechnik. Das Ziel fixierte Dr. Kurt Richebächer, Generalbevollmächtigter der Dresdner: »Individuelle Beratung selbst des kleinsten Sparers.«
»Eigentlich ist es eine Flucht nach vorn«, erläutert Richebächer. »Wir wollen mit der Aktion beweisen, daß es uns damit Ernst ist, eine Bank für jedermann zu sein.
Beim Branchenführer Deutsche Bank AG (18,2 Milliarden Mark Bilanzsumme) engagierte Direktor Dr. Eckart van Hooven den Verkaufs-Trainer Heinz M. Goldmann, Autor des in 16 Sprachen übersetzten Bestsellers »Wie man Kunden gewinnt«.
Für die beiden Großen ist es eine »Schlacht um die Spargroschen« (Richebächer), denn das Geld der Bürger lockt immer mehr. Seit 1950 stieg > der Anteil der Privathaushalte an der gesamten Vermögensbildung von 16 auf 44 Prozent;
> die Summe der Einlagen auf Sparkonten von drei auf 136 Milliarden Mark.
Gleichzeitig sank der Anteil von Firmen, der angestammten Bankenkundschaft. »Die reichen Leute, die uns früher ihr Geld brachten, gibt es nicht mehr«, untertreibt Dr. Richebächer.
Die plötzlich interessant gewordenen Kleinsparer jedoch trugen ihr Geld am liebsten zu den Sparkassen. Deren Filialnetz ist dichter als das der Banken, sie vermitteln billigen Hypothekar-Kredit für Eigenheimbauten, und sie sind Durchschnittsbürgern weniger unheimlich als die Banken mit ihrem Image von Marmor, Macht und Großfinanz.
Die westdeutschen Banken verdoppelten während der letzten zehn Jahre die Zahl ihrer Außenstellen, um näher an die Sparer heranzukommen. Die Dresdner hat heute bereits 600 Filialen, die Deutsche Bank sogar 860. Die Spareinlagen wuchsen auf 23 Milliarden Mark bei den Banken insgesamt, aber immer noch haben die Sparkassen mehr als dreimal soviel, 83 Milliarden Mark.
»Das negative Image muß weg«, befand Eckart van Hooven. Und Richebäcker: »Wir sind ein Dienstleistungsbetrieb. Wir müssen unsere Leistungen am Schalter verkaufen.«
Seit einem Jahr drillt deshalb Verkäufer-As Goldmann in psychologischen Wochenseminaren »Instrukteure«, die an den Schaltern der Deutschen Bank das Bild vom freundlichen und hilfreichen Finanz-Onkel festigen sollen.
Helmut Laux dagegen hält nichts von Goldmanns Trainingsmethoden: »Verkaufspsychologie kriegt man in Beamte nicht hinein.« Außerdem vergesse, so Laux, der Berater im Kampf mit dem Kunden mehr als 90 Prozent von dem, was ihm vorher eingetrichtert wurde. Laux »programmierte« deshalb das Personal der Dresdner Bank für eine einheitliche Anlageberatung.
Die »Programmsteuerung« (Laux) besteht aus einem Formularblock, den auch der jüngste Banklehrling handhaben kann: Auf dem Formular braucht der Schaltermann die Wünsche des Kunden nur anzukreuzen. Als Informationsspeicher dient eine Aufstellmappe mit Bildtafeln, die erläutern, wie man Unter Ausnutzung der verschiedenen Anlagemöglichkeiten »mit System sparen« kann.
Damit zu den programmierten und. gedrillten Beratern auch Kundschaft kommt, setzen die beiden Großbanken Massenwerbung ein. In ganzseitigen Anzeigen fragt die Deutsche Bank: »Nutzen Sie auch alle Möglichkeiten, um Ihren Lebensstandard finanziell zu sichern?« Die Dresdner wendet zwei Millionen Mark für Inserate in Zeitschriften und Tageszeitungen auf.
Zweiseitig und in Farbe mahnen die blauen Kinderaugen eines sommersprossigen Mädchens, aus »Verantwortung für Familie und Zukunft« bei der Dresdner Bank zu sparen. Die neue Werbephilosophie des Bank-Riesen, formuliert von Helmut Laux: »Kinder sprechen das Gefühl an.«