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Schlag gegen DDR-Friedensfreunde

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aus DER SPIEGEL 52/1983

Die DDR-Führung hat, nach dem Beginn der Nachrüstung in der Bundesrepublik und nach dem Ende des Lutherjahres, ihren Druck auf kirchliche und unabhängige Friedensgruppen verstärkt. Damit zerschlagen sich die Hoffnungen führender Kirchenleute, daß die SED auch nach Ende der Feierlichkeiten zum 500. Geburtstag des Reformators mehr Toleranz walten läßt.

In vielen Städten gingen die DDR-Behörden mit Haussuchungen, Festnahmen und Verhaftungen gegen Rüstungsgegner und Pazifisten vor. So wurde am 12. Dezember in Ost-Berlin gegen die Malerin Bärbel Bohley und die Angestellte Ulrike Poppe Haftbefehl erlassen. In ihren Wohnungen wurden Photos und Schriften beschlagnahmt, darunter Materialien westlicher Friedensgruppen und Broschüren der Grünen. Beide hatten, als Anhänger der DDR-weiten Bewegung »Frauen für den Frieden«, gegen die Dienstpflicht für Frauen nach dem neuen Wehrdienstgesetz protestiert und zur Nachrüstungsdebatte im Bundestag einen Appell an die Abgeordneten unterstützt, in dem es hieß: »Alle Waffen in Ost und West sind auf uns und unsere Kinder gerichtet. Wir werden die Opfer in einem neuen Krieg sein.«

Ulrike Poppe war zudem Mitgründerin eines privaten Kinderladens im Ost-Berliner Viertel Prenzlauer Berg, der 1980 von einer Elterngruppe aus Protest gegen die staatliche Erziehung eingerichtet worden war. Der Kinderladen wurde, vier Tage nach Frau Poppes Verhaftung, von den Behörden geschlossen: Sie ließen die Eingangstür zumauern.

Scharf gingen die Behörden auch gegen Friedensfreunde in Weimar und Potsdam vor. In Weimar wurden bereits Mitte Oktober und Ende November fünf _(Im Alternativ-Kinderladen Prenzlauer ) _(Berg mit Sohn Jonas. )

Lehrlinge und eine Gärtnerin verhaftet. Sie sollen, so der Vorwurf, in der Innenstadt Friedenslosungen wie etwa »SS 20 - Nein, Danke« auf Wände gesprüht haben. Und nach einer Schweigeaktion für den Frieden auf dem Potsdamer Platz der Nationen, an der etwa 30 DDR-Bürger teilgenommen hatten, wurden ein Ehepaar und zwei Krankenhausangestellte verhaftet. Neue Repressalien gab es auch in Jena, Karl-Marx-Stadt und Dresden, die Zentren christlicher Friedensaktionen und zugleich jene DDR-Bezirke sind, in denen die meisten Ausreiseanträge gestellt werden.

Den harten Kurs will der ehemalige FDJ-Führer Egon Krenz fortsetzen, der Ende November als Vollmitglied ins Politbüro und Sekretär ins Zentralkomitee berufen worden war. Im Kampf um die Nachfolge des gesundheitlich angeschlagenen Politbürokraten Paul Verner, der im ZK bislang für Kirche, Jugend und Sicherheit zuständig war, hatte Krenz zwar den als Falken berüchtigten Ost-Berliner SED-Chef Konrad Naumann aus dem Feld geschlagen. Doch Vertraute Honeckers warnen vor der Erwartung, Krenz bürge für Milde. Der Aufsteiger werde vielmehr, im Einverständnis mit dem SED-Vorsitzenden, Härte zeigen - um das Mißtrauen der Sicherheitsfraktion in ZK und Politbüro abzubauen.

Auch Bonns Ständige Vertretung in Ost-Berlin sieht Anzeichen, daß das innenpolitische Klima in der DDR wieder eisig wird: Erstmals seit vielen Jahren wurden in den vergangenen Wochen DDR-Bürger, die ohne Genehmigung die Mission besucht hatten, zu Haftstrafen verurteilt.

Im Alternativ-Kinderladen Prenzlauer Berg mit Sohn Jonas.

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