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CSU Schleich di

Wahlmanipulation und ein Beleidigungsprozeß markieren eine heftige Auseinandersetzung in der Münchner CSU. In vorderster Front: die Strauß-Söhne Max und Franz Georg. *
aus DER SPIEGEL 34/1983

Zu den besonderen Merkmalen des Münchner CSU-Landtagsabgeordneten Richard Hundhammer zählt die Fähigkeit, flott zu stenographieren. Im politischen Betrieb, zum Beispiel bei der Leitung von parlamentarischen Untersuchungsausschüssen, kam ihm diese Fertigkeit schon oft zustatten, und er ist stolz darauf: »Das gehörte noch zu meiner Juristenausbildung.«

Nun will Hundhammer mit seinem Steno vor Gericht belegen, wie die Parteifreunde von der Christlich-Sozialen Union mit ihm umspringen. In Kurzschrift notiert hat er so etwas: »Schleich di, du Drecksau, schleich di, sonst knallt''s. Du Drecksack, hau ab, du katholischer.«

Diese Worte hörte der Parlamentarier auf einer »Informationsveranstaltung« der CSU in der Gastwirtschaft »Gartenstadt« im Stadtteil Harlaching, einem Viertel von bestem Ruf. Und auch der, der sie gesagt haben soll, ist kein Geringer: Erich Riedl, Oberpostdirektor a. D., Bundestagsabgeordneter der CSU und Vorsitzender des Münchner Kreisverbandes 5.

Riedl kann sich nun zwar an Ausfälle »in dieser Form« nicht mehr erinnern, verweigert denn auch die von Hundhammer geforderte Entschuldigung. Aber Hundhammer hat es im Block und erstattete nun Strafanzeige wegen Beleidigung. »Alles«, sagt er, »kann man ja nicht schlucken.«

Richard Hundhammer hat in letzter Zeit schon allerhand schlucken müssen. Der Prozeß zwischen den beiden CSU-Politikern wird eine Auseinandersetzung in der Partei erhellen, in der die beiden Kontrahenten nur Galionsfiguren sind. Der eine, Riedl, wurde im Juni in seinem Kreisverband mit 93 Prozent der Stimmen wiedergewählt; der andere, Hundhammer, büßte im Laufe der letzten Jahre sämtliche Parteiämter ein, vom Ortsvorsitz in Harlaching bis zum Delegiertenmandat für den Landesparteitag, und jetzt, sagt er, »kann ich nur noch meinen guten Namen verlieren«.

Das Geschehen erinnert auf verblüffende Weise an die Manöver, mit denen einst die Jungsozialisten die Selbstverstümmelung der Münchner SPD eröffneten. In Riedls Kreisverband jedenfalls herrschen nach dem Urteil eines ehemaligen Vorstandsmitglieds nun »quasi sozialistische Zustände«, man müsse »bei jedem Scheiß die jungen Polit-Kommissare fragen« - die freilich alles andere als sozialistisch sind.

Begonnen hatte die linke Tour in einem besonders langweiligen Ortsverband, in Fasangarten, wo ein paar Dutzend CSU-Mitglieder kommunale Kärrnerarbeit taten. Binnen zwei Jahren kletterte dort die Mitgliederzahl auf gut 530, und plötzlich war dieser Ortsverband der stärkste in München. Mehr als 300 der neuen Mitglieder aber wohnen gar nicht im Ortsbereich, über 90 leben nicht einmal in München, und ein gutes Dutzend siedelt sogar außerhalb Bayerns.

Das ist zwar satzungswidrig, wurde von der Parteiführung aber bisher nicht beanstandet, und Münchens CSU-Bezirksvorsitzender, Oberbürgermeister Erich Kiesl, verhält sich in dieser Sache »völlig passiv« - so Altmitglied Dieter Putz, der gerade aus einem Bezirksausschuß ausgemustert wurde. Kiesls Langmut

erscheint verständlich. Denn in dem umgekrempelten Revier hat sich junge Parteiprominenz versammelt. In der Spitze befinden sich Max Strauß, 24, und Franz Georg Strauß, 22, die Söhne des Ministerpräsidenten und CSU-Vorsitzenden. Und auf seine Weise hat der neue Fasangarten-Vorsitzende Curt Niklas, 25, ganz recht, wenn er erklärt, die »Zugereisten« suchten ja nur »ein bißchen Nestwärme, weil wir doch alle gute Freunde sind«.

Zum Teil sind sie auch Geschäftspartner. Niklas betreibt eine »b.c.f. Werbeagentur«, deren Firmenkürzel von den Vornamen der Jungunternehmer abgeleitet sind: Bert Möller, Curt Niklas und Franz Georg Strauß. Die Agentur gestaltet auch ein Anzeigenblättchen »Blickpunkt«, das sich über »Profilneurosen« und »Maschen« von Niklas-Gegnern ausläßt und die Bürger von München-Süd darauf hinweist, daß dem Vorsitzenden Niklas ein »Sohn des bayrischen Ministerpräsidenten, Max Strauß, als Stellvertreter zur Seite« stehe.

Seit Max dort Vize ist und Franz Georg mitmischt, so klagt selbst ein Neumitglied, trage die Verbandsführung »monarchische Züge«; speziell der Max habe »überall seine Konfidenten sitzen« und führe »informell die Regie«. Eine Regieleistung besonderer Art widerfuhr zum Beispiel dem benachbarten Ortsverband Harlaching, einst Richard Hundhammers Hochburg.

Beizeiten vor den Neuwahlen Ende letzten Jahres meldeten sich ein paar Dutzend Fasangarten-Mitglieder nach Harlaching um - und wählten prompt mit. Neuer Vorsitzender wurde Johannes Singhammer, der hauptberuflich im OB-Büro von Erich Kiesl arbeitet.

Den Vorwurf, hier sei manipuliert worden, wies Singhammer nach der Wahl als »totalen Quatsch« ab. Nur ihre Pflicht taten auch die neugewählten Kreisverbandsdelegierten aus den südlichen Stadtlagen, als sie den Kreisvorsitzenden Erich Riedl wiederwählten, der mit den Strauß-Söhnen in bestem Einvernehmen steht.

Zwar wurde die Wahl von Harlaching angefochten. »Die können«, so einer der Anfechter, »im extremsten Fall bei anstehenden Wahlen in einem anderen Ortsverein in einem Bus dorthin fahren, unterwegs eine Postkarte mit ihren Ummeldungen aufgeben und dann gleich mitwählen.«

Doch Kreisvorsitzender Riedl ließ den Vorgang erst einmal liegen, und die Landesschiedskommission hob das Wahlergebnis schließlich nur in unbedeutenden Teilen auf. Es blieb beim Vorsitzenden Singhammer, denn die Umgemeldeten, so die Kommission, hätten bei dem eindeutigen Ergebnis nicht den Ausschlag geben können.

Die Wahlanfechter, zu denen auch Richard Hundhammer gerechnet wird, wurden am Ende von Erich Riedl als »Ehrgeizlinge« und »Parteischädlinge« erledigt, die in der Kirche »am Sonntag zwischen 10 und 12 Uhr mit erhobenen Händen zu sehen sind«.

Diese Anspielung läßt durchschimmern, daß mit dem akuten Streit unter den Christlich-Sozialen auch Vergangenes bewältigt wird. Richard Hundhammer haftet allem Anschein nach für seinen vor neun Jahren verstorbenen Vater Alois, den »Alisi«, legendären Mitbegründer der CSU und lange Zeit sittenstrengen Kultusminister des Freistaates Bayern.

Alois Hundhammer, Katholik bis in den mächtigen Vollbart und Statthalter des Ritterordens vom Heiligen Grabe zu Jerusalem, hatte es einst mit dem aufstrebenden Franz Josef Strauß nicht gut gemeint. Strauß verwand es nicht, daß Hundhammer ihm den Zugang zum einflußreichen »Petra-Kreis« verbaute, dem letzten Hort des politischen Katholizismus in Bayern. Vor versammelter CSU-Fraktion schalt Vater Hundhammer den Aufsteiger Strauß eines lockeren Lebenswandels und bediente sich dabei auch noch eines Zitates der Ost-»Berliner Zeitung": »Seit Jahren fünf Frauen gleichzeitig.«

Sohn Richard, der von Fraktionskollegen im Landtag als »sauertöpfischer Moralist« bewertet wird, hat sich solche Kühnheiten gegenüber Franz Josef Strauß nie zuschulden kommen lassen und versah auch seine Parlamentsarbeit überaus leise. Allerdings erhob er Kritik, als in Kreuth versucht wurde, die CSU von der gemeinsamen Bonner Unionsfraktion abzuspalten. Nach einer Rede Hundhammers gegen den Trennungsbeschluß - in einer Sitzung der CSU-Landtagsfraktion mit der Parteiführung - präsentierte Strauß überraschend das Einigungspapier, mit dem die Sezessionspläne rückgängig gemacht wurden.

Inzwischen will Richard Hundhammer »nicht ausschließen, daß die Strauß-Kinder im Übereifer ihrem Vater einen Gefallen erweisen wollen«. Der Prozeß gegen Erich Riedl wegen Beleidigung steht nun an. Aber auch wenn Hundhammer ihn gewinnt, wird er, wie es im Stenoblock steht, sich vielleicht schleichen müssen.

Sein Landtagsmandat, das bislang auf der oberbayrischen Wahlkreisliste abgesichert war, erscheint dem Abgeordneten »bei dem Gerangel an der Basis« jedenfalls »nicht mehr sicher«. Richard Hundhammer ahnt: »Vielleicht wartet da schon irgend jemand auf meinen endgültigen Abschuß.« _(In Meißen, beim DDR-Besuch im Juli ) _(dieses Jahres. )

In Meißen, beim DDR-Besuch im Juli dieses Jahres.

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