Zur Ausgabe
Artikel 24 / 65

WERBUNG / AGENTUREN Schlinge am Hals

aus DER SPIEGEL 18/1967

Als das Telephongespräch zu Ende war, hatte der Frankfurter Agentur-Chef Horst Slesina einen Werbe-Etat von zwei Millionen Mark verloren. Die Firma Rowenta hatte fernmündlich und mit einer Begründung gekündigt, die Deutschlands Werber zur Verzweiflung und um fette Aufträge bringt: Er werbe auch für die Konkurrenz.

Zwei Jahre lang war die Frankfurter Agentur für die Bügeleisen, Toaster und Feuerzeuge von Rowenta tätig gewesen, und der Kunde war mit der Arbeit zufrieden. Dann übernahm Slesina arglos einen Etat der Wiesbadener Firma Linde AG für deren Kühlschränke, Tiefkühltruhen und Geschirrspüler.

Rowenta-Geschäftsführer Hans Buro war entrüstet: »Das ist doch ein klarer Wettbewerbsverstoß.« Buro argumentierte, der Elektrokonzern AEG sei an Linde beteiligt; eine AEG-Firma wiederum stelle Bügeleisen und Toaster her.

Buro berief sich auf eine Klausel, die in fast jedem Vertrag zwischen Werbeagentur und Kunden enthalten ist. Sie lautet: »Die Werbeagentur sichert ihren Auftraggebern Konkurrenzausschluß auf dem Gebiet der von ihr betreuten Produkte zu.«

Daraus folgern die Agenturen: Wer etwa für ein Waschmittel wirbt, darf nicht gleichzeitig für Waschmittel der Konkurrenz werben. Aber die Kunden fordern meist viel mehr.

Die Werbearbeit für eine Zahnpasta des Hamburger Konzerns Colgate-Palmolive macht es beispielsweise der Agentur unmöglich, einen Etat für ein Scheuermittel von Henkel zu übernehmen. Denn Colgate würde »nie mit einer Agentur zusammenarbeiten, die auch für unsere Hauptkonkurrenten Procter & Gamble, Unilever oder Henkel beschäftig ist«. Wer für Pfeifentabake der Brinkmann AG wirbt« kann »selbstverständlich nicht für Zigaretten unserer Konkurrenz arbeiten«.

Die Düsseldorfer Agentur Team glaubte den Werbeauftrag für das Speiseöl Mazola schon in der Tasche zu haben, da sagte die Herstellerfirma Maizena ab. Grund: Teams Werbung für Dr. Oetkers Pudding- und Backpulver. Maizena-Manager Dieter Hochstrate: »Wir haben hin und her überlegt, aber es ging nicht. Die Maizena-Gruppe und der Oetker-Konzern haben zu viele Berührungspunkte.«

Wolfgang Vorwerk, Mitinhaber von Team, nennt diese von der Firma aus betrachtet absolut einleuchtende Praxis »eine Schlinge am Hals, mit der uns eines Tages die Luft abgedrückt werden kann«. Die Schlinge drückt immer gefährlicher, je vielfältiger die Produkte und die Verflechtungen großer Firmen werden.

Der Düsseldorfer Henkel-Konzern ließ eine Hamburger Agentur, die für Henkel-Waschmittel werben wollte, abblitzen. Henkel hatte in der Kundenliste der Hamburger eine Blumendünger-Fabrik entdeckt, und Henkels Tochterunternehmen Thompson fabriziert ebenfalls einen Blumendünger.

Die Industrie begründet solchen Konkurrenz-Krampf mit der Furcht, die Werbeleute könnten Geschäftsgeheimnisse ausplaudern. Tatsächlich erhalten Agenturen in der Regel genaue Kenntnis von neuen Produkten, von Markt- und Verkaufsstrategie ihrer Kunden.

Colgate-Palmolive: »Die Agenturen haben zwar den besten Willen, Geheimnisse zu bewahren, aber schon der Gedanke wäre uns unheimlich, da säßen Leute, die von der Konkurrenz anzapf bar wären.« Brinkmanns Werbechef Johannes Senger sagte es deutlicher: »In der Werbebranche wird zuviel gequatscht.«

Auf ähnliche Vorwürfe antwortete der Münchner Werber Franz Schmid-Preissler: »Leutl, daß Agenturen Geheimnisse ausquatschen, ist dummes Zeug. Ihr hockt doch selbst in euren Verbänden zusammen und redet über die geheimsten Dinge.« Schmid-Preissler konnte sieben Kunden gewinnen, die alle zur Süßwarenbranche gehören.

Auch besondere Fähigkeiten können eine Agentur gegen die Konkurrenzfurcht der Auftraggeber immun machen. Der Düsseldorfer Rolf Eggert wirbt für Marken-Spirituosen von vier verschiedenen Herstellern und erläutert, die Firmen wollten nicht auf »den Vorteil meiner intimen Branchenkenntnis der Spirituosen-Industrie« verzichten.

Den meisten Werbern aber hängt die Konkurrenzklausel wie Blei an und hindert sie daran, vorwärtszukommen. Genau das, so argwöhnen sie, wollten die Auftraggeber erreichen: Mit kleinen Partnern können sie leichter umspringen als mit großen.

Oft benutzen Unternehmen die Klausel auch geradezu als Waffe gegen die Konkurrenz. Sie vergeben an möglichst viele namhafte Agenturen Aufträge und blockieren sie so für den Gegner.

Henkel beschäftigt derzeit zwölf Werbereien, die großen drei der Zigarettenindustrie -- Reemtsma, BAT und Brinkmann -- je ein knappes Dutzend. Dabei machen jeweils nur zwei oder drei der Werbefirmen den Großteil des Geschäfts, die anderen haben nur gering dotierte Nebenaufgaben.

Der Agenturchef Günter Blase versuchte, den Kopf mit einem Trick aus der Schlinge zu ziehen. Er kaufte im vergangenen Jahr zwei Werbefirmen dazu und ließ sie unter ihren alten Namen weiterarbeiten. Aber, so Blase heute: »Es blieb ja kein Geheimnis, daß ich dahintersteckte. Ich muß jetzt für alle drei Agenturen Konkurrenzausschluß geben.«

In Hamburg resigniert Werber Hans Krabiell: »Wir sitzen doch immer am kürzeren Hebel.« Krabiell mußte auf einen Werbe-Etat für Hustenbonbons verzichten, weil einer seiner Kunden das »nicht besonders sympathisch« fand. Der Kunde ist Produzent eines Abführmittels.

Mehr lesen über

Zur Ausgabe
Artikel 24 / 65
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren