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SCHMOLLER.

aus DER SPIEGEL 40/1967

Das Bonner AA prüft, ob es seinen Botschafter in Stockholm, Gustav von Schmoller, 60, abberufen muß. Dem Diplomaten wurde Ende Juli, drei Wochen nach der Abreise zu einem Kuraufenthalt in der Lüneburger Heide, zunächst in der linksradikalen schwedischen Zeitung »Tidsignal«, dann auch in anderen Blättern vorgeworfen, er habe im Dritten Reich mit SS-Obergruppenführer Reinhard Heydrich in Böhmen und Mähren zusammengearbeitet und in seiner (während des Zweiten Weltkriegs verfaßten) Doktorarbeit über »Die Neutralität im gegenwärtigen Strukturwandel des Völkerrechts« empfohlen, bei der Neuordnung Europas neutrale Staaten wie zum Beispiel Schweden und die Schweiz zu unterjochen. Schmoller bat daraufhin AA-Chef Brandt in einem Brief, den Verunglimpfungen in der Presse entgegenzutreten, und übersandte seinem Dienstherrn den letzten Entwurf seiner Doktorarbeit zur Prüfung; die Originale befinden sich in der DDR. Das AA willfahrte der Bitte: Bei einem Informationsgespräch mit Journalisten nahm Staatssekretär Klaus Schütz den Botschafter unaufgefordert in Schutz; Schütz erklärte, die Doktorarbeit sei »sehr einseitig« interpretiert worden, und würdigte die Verdienste des Diplomaten. Schmoller, der nicht direkt mit Heydrich zusammengearbeitet hat, rühmt sich, den derzeitigen Prager Botschafter in Stockholm während der deutschen Besetzung der Tschechoslowakei vor NS-Unbill bewahrt zu haben. In seinem Dissertations-Entwurf vertritt Schmoller die vom NS-Staatsrechtsideologen Carl Schmitt inspirierte Großraumpolitik Hitlers. Bonns AA-Spitze rechnet damit, daß der Botschafter noch vor einer Entscheidung des Ministeriums aus gesundheitlichen Gründen um seine vorzeitige Pensionierung bittet; der schwerkranke Diplomat leidet unter anderem an Gedächtnisstörungen.

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