IRAN Schmuck aus dem Fluß
Ginge es um das gesprochene Wort, so hielte Persiens Oberpriester Ajatollah Chomeini wohl den Weltrekord: Von keinem anderen religiösen Führer, die Päpste eingeschlossen, wurden derart viele Tonband-Aufzeichnungen in Umlauf gebracht.
Die von Chomeini im französischen Exil besprochenen Kassetten, in Millionen-Auflagen kopiert, waren das wirksamste Steuerungsmittel für die Revolution im Iran, 4500 Kilometer entfernt.
Doch der Ajatollah hat nicht nur geredet, sybillinisch unklar zumeist und mystisch düster. Im Laufe seines langen Lebens hat er seine Gedanken auch in über 30 Publikationen zu Papier gebracht.
Aus dreien dieser Werke hat jetzt der Münchner Moewig Verlag eine Art Chomeini-Katechismus kompiliert. Titel des Werkes, dem der auf Seite 144 beginnende Auszug entnommen ist: »Meine Worte -- Weisheiten -- Warnungen -- Weisungen«.
( Ajatollah Chomeini: »Meine Worte -- ) ( Weisheiten -- Warnungen -- Weisungen«. ) ( »Playboy«-Taschenbuch Nummer 6601; ) ( Moewig Verlag, München; 160 Seiten; ) ( 5,80 Mark. )
Vieles von dem, was Chomeini von sich gibt, ist nicht mehr als die für eine schiitische Karriere notwendige Fleißarbeit: Gebote und Verbote für den Gottesdienst und die Fastenzeit, Anleitungen für das Sexualverhalten, strenge Hygienevorschriften für Essen und Trinken oder die Reinigungen vor dem Gebet.
Dergleichen kirchliche Weisungen haben auch andere Ajatollahs für ihre Gemeinde geschrieben, so in fast wörtlicher Übereinstimmung Chomeinis schärfster Rivale, der Ajatollah Schariat Madari, und sie dienen wohl vor allem dazu, den Autor als profunden Kenner der Schia, der schiitischen Gotteslehre, auszuweisen.
Wichtiger sind jene Passagen, die etwas über den Autor selbst aussagen. Und da wird dann sehr bald deutlich, daß Chomeini in der vielstimmigen Skala der islamischen Religionsführer zu den konservativsten, ja reaktionärsten gehört.
Die islamische Gesellschaft etwa, so wie der Ajatollah sie sieht und in den fünfziger Jahren in dem 639 Seiten starken Werk »Die Erklärung der Probleme« beschrieben hat, lebt auch nach dem islamischen Kalender noch im tiefsten Mittelalter.
In dieser Chomeini-Welt ist die Frau beliebige Tausch- und Handelsware, sie hat dem Mann zu Willen zu sein, legaler Ehebruch ist dem Mann vorbehalten, und die kirchliche Moral schützt nur die Moslemin; Christinnen und Jüdinnen haben keine sittlichen Rechte. Von den Tschador-Trägerinnen, die diesem Mann bei seiner Heimkehr aus dem Exil zujubelten, hatte das vermutlich kaum eine gelesen.
Wie weit sich Chomeini von der Gegenwart entfernt, zeigt sich auch bei seinen Vorschriften zum Thema Geld und Steuern. Die islamische Steuer zum Beispiel wird laut Chomeini demjenigen auferlegt, der »in einen Fluß wie den Tigris oder den Euphrat taucht und ein Schmuckstück herausholt« -so als käme das heutzutage regelmäßig vor.
Die islamische Steuer, berechnet in Gold und Silber oder lebendem Vieh, muß auch für die Ernte von Weizen und Datteln, den Besitz von Ochsen und Hammeln sowie, aufgeführt in zwölf Tarifgruppen, für den Besitz von Kamelen gezahlt werden. Was derjenige zu zahlen hat, der eine Wasserpumpe, ein Radio, ein Auto oder gar eine Fabrik besitzt, darüber steht kein Wort in Chomeinis islamischem Katechismus.
Selbst in den Zusatz-Kapiteln des Buches von Chomeini, die der aktuellen politischen Lage Rechnung tragen sollen, fällt dem Ajatollah nur ein, seinen Antisemitismus zu verbreiten: Er verbietet jedem Moslem, in einem jüdischen Betrieb zu arbeiten, wenn er »auch nur den Argwohn hat, daß dieser Betrieb Israel nützt. Das dabei verdiente Geld ist unrein«.
Dafür beschäftigt sich Chomeini sehr viel ausführlicher als andere Religionsführer mit Sexualvorschriften und Koitusriten. Ganze Kapitel sind der Menstruation und der analen Reinigung gewidmet; der originale Korantext wirkt dagegen wie ein modernes Aufklärungsbuch.
Über politische Fragen, über den Zuschnitt einer Islamischen Republik a la Chomeini vor allem, gibt nur ein kurzer S.144 Auszug aus dem jüngsten Werk des Ajatollah Auskunft, der 1970 herausgegebenen Sammlung »Das Königreich der Gelehrsamkeit«.
In dieser Kollektion von Gedanken und Ideen über den islamischen Staat sind, reichlich ungegliedert, die Texte der Vorlesungen zusammengefaßt, die Chomeini im irakischen Exil an der theologischen Universität von Nadschaf hielt; Studenten schrieben sie mit oder hielten sie schon damals auf Band fest.
Erkenntnis: Chomeini hat seine Praxis im Gottesstaat Iran exakt vorausbeschrieben, seinen Missionseifer, seine Militanz und Intoleranz, aber auch seinen uneingeschränkten Führungsanspruch.
Die Herausgeber der deutschsprachigen Chomeini-Fibel haben dann wohl auch recht, wenn sie in ihrem Nachwort sagen: »Wer das grüne Buch des Ajatollah Chomeini liest, kann wenigstens nicht sagen, daß er nicht gewarnt wurde.« Nur: Als der Ajatollah noch im Exil schrieb, hat sich kaum jemand die Mühe gemacht, seine Worte zu lesen.
S.143Ajatollah Chomeini: »Meine Worte -- Weisheiten -- Warnungen --Weisungen«. »Playboy«-Taschenbuch Nummer 6601; Moewig Verlag,München; 160 Seiten; 5,80 Mark.*