Schmucker Sieger
Kritik am gegenwärtig grassierenden bundesdeutschen »Enthüllungsjournalismus« übte in der vergangenen Woche auf einem Empfang für bayrische Pressevertreter der Münchner Landtagspräsident Franz Heubl, CSU.
Heubl forderte dabei auch, daß Journalisten in Ausübung ihrer verantwortungsvollen Aufgabe nicht über, sondern neben dem Politiker stehen sollten.
Der Landtagspräsident wird womöglich an der hübschen »Sensationsreporterin« - so der Titel des neuesten, sechzehnten Films von US-Regisseur Sidney Pollack ("Der elektrische Reiter") - seine Freude haben: Wegen schlampiger Recherchen bricht das ganze Gebäude ihrer »Enthüllungen« über den unbescholtenen Bürger Michael Gallagher zusammen. Während ihrer journalistischen Schnüffelei legt sich die Reporterin Megan Carter - Sally Field spielt sie wie eine naive Jane Fonda - gar mal neben ihr Opfer Gallagher (Paul Newman) ins Bett.
Megan Carter hatte auf der Titelseite des »Miami Standard« verbreitet, daß Getränkehändler Gallagher etwas mit dem Verschwinden eines populären Gewerkschaftsführers zu tun habe. Ein glatter Polizeioffizier, karrieregeil wie sie selbst, hatte ihr diesen Verdacht suggeriert. Der Knüller, den sie sich durch gründlichere Recherchen nicht verderben wollte, war leider eine Zeitungsente.
Geschockt von den aus FBI-Akten gegriffenen Verdächtigungen, setzte sich Michael Gallagher erst nur matt zur Wehr; und als sich wirtschaftliche Schäden andeuteten - seine Angestellten legten auf Geheiß der Gewerkschaft die Arbeit nieder -, packte Gallagher halt verbissen selbst die Cognac-Kisten an.
Megan, inzwischen vom Gallagher-Charme gefangen, kommen langsam Zweifel an dem Verdacht, den sie ohne böse Absicht - »absence of malice«, so der Originaltitel des Films - in das sonnige Florida hinausposaunt hatte.
Als ihr Gallaghers Freundin Teresa endlich sein Alibi für die fragliche Zeit verrät - Gallagher habe sie zu einer Abtreibung nach Atlanta begleitet -, gibt die besessene Reporterin auch dieses kompromittierende Detail in Satz: diesmal nichts als die Wahrheit.
Wenn der Zeitungsjunge am folgenden Morgen - eine der besten Szenen des Films - mit leichter Hand sein schicksalsschweres Papier in die gepflegten Vorgärten wirft, ahnt nur er nicht, daß er den Seelenfrieden von zumindest zwei Bungalowbewohnern zerstört: Die fromme Teresa begeht, angesichts ihrer publiken Schande, Selbstmord.
Gallagher verliert jetzt endlich die Contenance: Auf der Jagd nach der Zeitungsente macht er sich mit Schecks daran, selbst eine Intrige zu spinnen. Die kostet am Ende die Zeitung eine Gegendarstellung, einige FBI-Bosse die Jobs und einen Beamten wegen Verdachts der Bestechlichkeit seine Karriere.
Megan Carter, die andauernd in Ausübung ihres Berufs dessen ethische Grundregeln verletzt hatte, nagt an der Erkenntnis, daß es nicht der Job sei, der schlecht ist, sondern daß sie ihn schlecht ausgeführt habe.
»In den USA«, erläuterte Regisseur Sidney Pollack in einem Interview seinen Film, »fühlen sich die Journalisten seit Watergate wie in einem Western und vermuten unter jedem Kieselsteinchen einen Skandal.«
Wie besessen die beiden »Washington Post«-Reporter Woodward und Bernstein jedes verdächtige Steinchen drehten und wendeten, hatte Alan J. Pakula in seinem präzisen Watergate-Film »Die Unbestechlichen« nachgezeichnet - Pollacks »Sensationsreporterin« nannte eine US-Zeitung dessen heitere, versöhnliche Version.
Doch an Pollacks moralisches Märchen vom Sieg eines einzelnen gegen die Macht des »Enthüllungsjournalismus« mag man im Land der »Bild«-Schlagzeilen ("Vampir trank Mädchenblut") nicht so recht glauben. Am Ende plätschert allein das Kielwasser des Bootes in der Erinnerung weiter, in dem Gallagher, immer schmuck in Siegerpose, gen Kanada tuckert.
Michael Fischer
S.235Mit Paul Newman.*