USA Schnell zu Ende
Die Armee übte Selbstkritik. »Unsere Soldaten«, so befand Oberst William C. Chamberlain bei einem Kongreß-Hearing in Washington, »sind nicht ausreichend auf ihren Auftrag vorbereitet.«
Der in Korea stationierte Militär belehrte die Kongreßabgeordneten über die Freiwilligen-Armee der USA: »Wir beobachten ein ständiges Absinken des Bildungsniveaus und steigende Disziplinschwierigkeiten.«
Für den Senator Sam Nunn, einen der einflußreichsten Kritiker der Rerufsarmee im Kongreß, ist diese Armee »das verheerende Vermächtnis des Vietnamkrieges«.
Glaubt man den Kritikern, dann steht es um die Verteidiger des Westens -von denen allein 234 300 in der Bundesrepublik stationiert sind -- tatsächlich nicht zum besten: In den aktiven Kampfverbänden und bei der Reserve fehlen inzwischen so viele Soldaten, daß die Truppe für einen länger andauernden militärischen Konflikt nicht mehr ausreichen würde.
»Die reden immer über einen schnellen Krieg«, klagte ein hoher Infanterie-Offizier über die Personalplanung des Pentagon, »es wäre tatsächlich besser, er wäre schnell zu Ende und wir hätten ihn gewonnen, weil wir sonst nichts mehr hätten, um ihn weiterzuführen.«
Die Zahlen, die das Personal-Desaster der US-Armee belegen, sind in der Tat eindrucksvoll: Seit Monaten schon können die aktiven Streitkräfte ihren Bedarf an Freiwilligen nicht mehr decken. 100 000 Mann fehlen bei der kurzfristig abrufbaren Mobilisierungsreserve, 180 000 bei der Personalreserve.
Dabei hatte Präsident Nixon 1973 mit der Abschaffung der Wehrpflicht die Streitkräfte schlagkräftiger und kosteneffektiver machen wollen. Beides ist den USA offenbar nicht gelungen.
18 Milliarden Dollar hat die Freiwilligen-Armee schon mehr gekostet, als eine Wehrpflichtarmee verbraucht haben würde, schätzt ein Finanzbericht an den US-Kongreß, und die Personalkosten steigen weiter. 1964 hatten sie noch bei nur 43 Prozent des Verteidigungshaushalts gelegen, bis 1981 wird eine Steigerung auf mehr als 70 Prozent erwartet.
Die negativen Folgen für die Streitkräfte zeigen sich schon jetzt. »Das Freiwilligen-Konzept«, so kritisiert etwa Senator John Stennis, Vorsitzender des einflußreichen Streitkräfte-Ausschusses, »läßt nicht genug übrig, teure Waffensysteme einzukaufen.«
Statt dessen pumpt das Pentagon immer mehr Geld in die Werbung, um den Bedarf der drei Teilstreitkräfte wenigstens annähernd zu decken. Die Kosten dieser Sonderprogramme sind astronomisch. Kongreßabgeordnete haben moniert, daß die US-Army 1978 rund 60 Millionen Dollar ausgeben wollte, nur um zusätzliche 5000 Soldaten anzuwerben.
Sorgen bereitet den Pentagon-Planern zudem die hohe Rate sogenannter »dropouts« -- Soldaten, die vor Ablauf ihrer Verpflichtungszeit die Streitkräfte wieder verlassen, entweder weil sie freiwillig ausschieden oder von der Armee vorzeitig entlassen wurden. Insgesamt waren das 1978 rund 36 Prozent der neueingestellten Soldaten.
Gründe für die Ausfälle sind mangelnde Leistungsbereitschaft, Alkohol, Drogen und disziplinare Verfehlungen. In den letzten Jahren wurden den Streitkräften auch immer mehr Kriminelle beschert. Gesetzesbrechern nämlich wird es von US-Richtern häufig freigestellt, ob sie ins Gefängnis oder zur Armee wollen. Die meisten entscheiden sich für den Dienst am Vaterland.
Während die Streitkräfte ihre Rekruten vor 1973 vorwiegend aus dem Mittelstand bezogen, drängen jetzt fast ausschließlich die sozial schwächeren Schichten und Schwarze zu den Uniformen. So kommt es, daß 40 Prozent der Rekruten heute keinen High-School-Abschluß haben. Die Armee muß Lese- und Schreibunterricht erteilen.
Die Schwarzen stellen überdies bei einem Bevölkerungsanteil von nur etwa zwölf Prozent inzwischen ein Drittel aller Rekruten -- eine Entwicklung, die nach Auffassung des Militärsoziologen Morris Janowitz die Rassenbalance in der Armee gefährdet.
Trotz erheblicher Anstrengungen der Regierung Carter, den Dienst in den Streitkräften attraktiver zu machen -- etwa durch besondere Fortbildungsprogramme, bessere Unterbringung und großzügige Abfindungen -, ist schon jetzt absehbar, daß auf diese Weise der gegenwärtige Stand der US-Streitkräfte von 2,1 Millionen Mann nicht zu halten sein wird.
Das Pentagon empfahl jetzt dem Kongreß, wieder alle männlichen 18jährigen für den Militärdienst zu erfassen. Bei einer Wiedereinführung der Wehrpflicht im Ernstfall könnte man dann, so die Überlegung der Personalplaner, die Tauglichen schneller einziehen.
Die wahre Rettung freilich sollen die Frauen bringen, für die eine Wehrpflicht in der Diskussion bislang nie angesprochen wurde.
Verteidigungsminister Harold Brown vorige Woche vor dem Streitkräfte-Ausschuß: »Wenn die Wehrerfassung eingeführt wird, dann sollte sie auch für Frauen gelten.«