NAHER OSTEN / KRIEG Schneller als gedacht
Das Volk Arabiens trauerte 133 Tage. Dann jauchzte es wieder.
Israels Sechs-Tage-Sieg vom Juni hatte den Stolz der Araber tief getroffen. Doch viereinhalb Monate nach dem Krieg siegte Nassers Navy.
Ägyptische Raketen -- Schnellboote bohrten am vorletzten Sonnabend vor Port Said Israels Flaggschiff, den Zerstörer »Elath«, mit drei Treffern in den Grund des Mittelmeers. Sie schossen mit sowjetischen »Styx«-Projektilen.
Mit sowjetischen Projektilen -- aus syrischen Beutekanonen -- gaben die Israelis bei Suez eine vorläufige Antwort. Nassers wichtigste Ölraffinerien und 37 Öltanks brannten tagelang. Ägypten verlor 80 Prozent seines Treibstoff-Vorrats.
Die Stichflammen über Israels »Elath« und über Ägyptens Öl erleuchteten eine neue Phase im Schieß-Krieg zwischen Israel und seinen arabischen Nachbarn. Die Ereignisse, die zum Juni-Krieg führten, schienen sich zu wiederholen.
Damals versetzte Nasser den Israelis aus einer vermeintlich sicheren Position heraus einen schweren Schlag. Er sperrte den Golf von Akaba, er stellte die Israelis vor die Wahl, den Schlag hinzunehmen oder zurückzuschlagen.
Mit der Versenkung der »Elath« nötigte Nasser Israel wieder zur Entscheidung zwischen Zuschlagen und Stillhalten -- angesichts eines frohlockenden Gegners.
»Entschlossenheit im Kampf gegen die Aggressoren« meldete Radio Kuweit nach dem Sieg über die »Elath«. »Das Vertrauen für eine militärische Aktion gegen den Feind ist neu entstanden«, jubelte die syrische Zeitung »Al-Nasr«. Und Jordaniens »Al Moharrer« erlebte die »Wiederauferstehung der arabischen Seele«.
Israel selbst hat diese Wiederauferstehung ermöglicht. 1948, nach der Gründung ihres Staates, legten sich die Israelis eine Kriegsmarine zu -- und vernachlässigten sie. Heer und Luftwaffe hatten Vorrang, die Seesoldaten wurden Stiefkinder der Militärs. Sie sollten lediglich die Küsten bewachen.
Nur selten trat Israels Mini-Marine in Aktion, noch nie stellten die Mariner den Generalstabschef der Streitkräfte. Israel erwarb nur wenige Kriegsschiffe, 1956 eroberten sie eines.
Auf dem Radarschirm hatten die Küstenschützer vor Haifa ein unbekanntes Objekt entdeckt. Schnellboote schwärmten aus. Sie fanden Ägyptens Fregatte »Ibrahim El Awal« und besetzten sie kampflos. Später tauften sie das Schiff auf den Namen »Haifa«. Das Beutestück blieb Israels einzige Fregatte.
Im Juni-Krieg zählte die Flotte unterm Davidstern außerdem zwei Zerstörer, zwölf Schnellboote, vier U-Boote und 3000 Seesoldaten. Im Juni-Krieg verringerte Israel seine Land-Grenzen von 951 auf rund 750 Kilometer. Aber im Juni-Krieg verfünffachten sich Israels Seegrenzen.
In einem Seegefecht mit Nassers Flotte wären die Israelis hoffnungslos unterlegen. Denn seit Jahren rüsten die Sowjets Nassers Flotte mit den modernsten Schiffen und Waffen aus.
Sechs Zerstörer, vier Fregatten, neun U-Boote, zwölf Minensucher, zwei Korvetten, 14 Patrouillenboote, 20 Landungsschiffe und 44 Schnellboote kann Nasser heute gegen Israels Küsten operieren lassen. Ihre Raketen bedeuten für Israel eine Gefahr, deren Ausmaß erst seit dem Verlust der »Elath« deutlich wurde.
Zwar hatte die »Elath« im Juli während einer nächtlichen Patrouillenfahrt zwei ägyptische Schnellboote versenkt, zwar zerschossen israelische Panzer im Suezkanal drei Motorschiffe, doch über Schiffs-Raketen verfügen Zions Seesoldaten nicht.
Dafür stehen seine Land-Soldaten am Suezkanal -- 60 Kilometer vor Ägyptens Hauptstadt Kairo. Auf der anderen Seite des Kanals stehen 50000 ägyptische Soldaten mit 400 Panzern. Die Sowjet-Union hat 80 Prozent der ägyptischen Flugzeugverluste aus dem Juni-Krieg ersetzt. Wie im Juni nahmen Einheiten der russischen Mittelmeerflotte Kurs auf Port Said.
Die USA hoben das Waffen-Embargo für den Nahen Osten auf und werden Israel 48 »Skyhawk«-Jagdbomber liefern. Wie im Juni gingen die Weltmächte in Nahost auf Kollisionskurs.
Wie im Juni blieb zunächst unklar, ob Nasser die Krise ohne Wissen seiner russischen Freunde verschärft hatte -- dafür spricht, daß einen Tag nach den »Elath«-Schüssen der Moskauer Generalstabschef Sacharow nach Kairo eilte -, oder ob Nasser nur als verlängerter Arm Moskaus tätig war, mit dem Auftrag, den USA im Mittelmeerraum durch Druck auf Israel. Schwierigkeiten zu machen.
Jedenfalls hat die Sowjet-Union mit den sowjetischen Raketen, die Israels »Elath« zerstörten, zum Höhepunkt der Oktoberrevolutions-Feiern am 7. November eindrucksvoll demonstriert, wie energisch sie ihren Verbündeten hilft.
Israels Premier Eschkol erklärte den Angriff auf die »Elath« zur »kriminellen Attacke«, sein Volk forderte drastischere Strafmaßnahmen als die Zerstörung ägyptischer Raffinerien.
In den Kanal-Städten Suez und Ismailia wurden 350 000 Ägypter evakuiert. Kairo probte Luftschutzalarm. »Wir müssen jetzt von den Israelis alles zu jeder Zeit erwarten«, warnte der ägyptische Generalmajor Mustafa Kamil.
Die Israelis wissen, daß der Feind wieder mutig geworden ist -- »schneller als wir gedacht haben«, sagte Sinai-Sieger Dayan.