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WERTPAPIERE / SPEKULATIONS-FONDS Schneller Zug

aus DER SPIEGEL 18/1969

An Roland, dem Riesen am Rathaus zu Bremen, schritt ein Riese aus Übersee vorbei. Der 1,90 Meter lange Amerikaner James Roosevelt, Auslands-Chef des Geldanlage-Konzerns Investors Overseas Services (IOS), stieg die Treppen zum Rathaus-Festsaal hinauf, den seine Firma gemietet hatte.

Immer auf Welt- und Geldreise, war der älteste Sohn des einstigen US-Präsidenten Franklin D. Roosevelt auf einen Sprung nach Norddeutschland gekommen, um die Garde der Zertifikat-Verkäufer vor einem neuen Großeinsatz aufzurütteln. Die jüngste Attraktion der IOS heißt Venture Fund International. Wer diesem Fonds beitritt, muß außer Geld -- zehn Dollar je Anteil, 1000 Dollar Mindesteinsatz

Mut und gute Nerven mitbringen, denn Venture bedeutet Wagnis. Der Fonds ist auf den niederländischen Antillen registriert.

»Die Anlagepolitik des Venture Fund ist darauf gerichtet«, so erklärte Roosevelt das neue Unternehmen, »die eingehenden Mittel aggressiv einzusetzen, um einen höchstmöglichen Kapitalzuwachs anzustreben. Dabei muß man selbstverständlich ein größeres Risiko eingehen. Man muß Träumer und Praktiker sein. Wir sind überzeugt, daß bis zum 30. April mindestens 50 Millionen Dollar (200 Millionen Mark) aus aller Welt im Venture Fund zusammenströmen werden.«

Jahrelang hatte sich der oberste IOS-Chef Bernard Cornfeld damit begnügt, das Geld seiner 700 000 Zertifikatkäufer möglichst breit gestreut in rund 100 verschiedenen internationalen Werten, vorwiegend in Aktien renommierter amerikanischer Gesellschaften, anzulegen. Der spekulative Anteil Im Portefeuille war relativ gering und das Risiko kalkulierbar.

Mit seinem Venture Fund begibt er sich nun auf das Glatteis der sogenannten Zukunftsindustrie. Alles Geld, das seine Anlageberater bis Mittwoch dieser Woche für den Venture Fund kassieren, soll etwa 35 jungen Unternehmen zufließen, von denen die Portefeuille-Manager Aktien erwerben wollen. Sie interessieren sich vor allem für forschungsintensive Firmen der Elektronik-Branche, die neue Erfindungen auswerten.

»Wir steigen ein, bevor der Zug abgefahren ist«, sagt Roosevelt. Nach dieser Methode haben bereits mehrere amerikanische Investment-Experten lange vor IOS Dollar-Millionen gehecht. So machte zum Beispiel die Finanzierungsgesellschaft American Research and Development Corporation (ARD) aus 61 400 Dollar Anlagekapital, das ihr von vielen kleinen Geldgebern anvertraut worden war, in 12 Jahren 226 Millionen Dollar.

Jeder einzelne ARD-Anteil, der ursprünglich auf acht Dollar lautete, ist heute 251 Dollar wert. ARD profitierte von dem gigantischen Aufstieg seiner besten Geldnehmer, so der 1957 gegründeten Digital Equipment Corporation, die sich zum viertgrößten Computer-Produzenten der Welt entwickelte.

Auch der Automationsfachmann John Diebold zog einen ähnlichen Investmentfonds auf, der in fünf Jahren etwa tausend Prozent Gewinn bringen soll, »Es ist ein risikoreiches, aber lohnendes Geschäft, das sich nicht für kleine Leute eignet«, bekannte Roosevelt in Bremen, »aber die Schicht der Begüterten verlangt danach.«

Viele spekulative IOS-Kunden waren nämlich nicht mit der relativ mageren Wertsteigerung zufrieden, die Cornfelds Trusts im vergangenen Jahr erzielten. Der bekannteste IOS-Fonds »Fund of Fund« (FOF) hatte nur 11,6 Prozent Wertzuwachs; der in Luxemburg registrierte International Investment Trust (RIT) brachte es auf 14 Prozent, aber auch er blieb zum Beispiel noch hinter dem internationalen Fonds der Deutschen-Bank-Gruppe, »Intervest«, zurück, der 24,1 Prozent schaffte.

Als ein mutiger IOS-Mann während der Bremer Stabsbesprechung Roosevelt ersuchte, die Gründe der »unbefriedigenden Entwicklung« zu nennen, erklärte Cornfelds Botschafter: »Die Portefeuille-Manager sind auch nur Menschen.«

Dann plauderte er: »Wir hatten einen, der arbeitete Tag und Nacht, als er bei uns anfing. Das brachte uns einen Riesenerfolg und ihm selbst hohe Leistungsprämien. Da wurde er übermütig. Im nächsten Jahr flog er mit dem Privatflugzeug ins Büro. Er kam immer erst um elf Uhr an. Im dritten Jahr machte er hauptsächlich Urlaub« -- bis er hinausflog.

Für den neuen Fonds holte sich Cornfeld einen jungen Starberater: David Meid, 33, den Manager des Winfield Growth Fund, der 1967 auf der Erfolgsliste der amerikanischen Investment-Fonds an vierter Stelle stand. Mit seiner Hilfe wollen die IOS-Bosse aus jedem Zehn-Dollar-Schein am Jahresende 20 Dollar gemacht haben. Roosevelt: »Das ist das Ziel.«

Bis Ende letzter Woche gelang es den IOS-Werbern, weltweit annähernd 150 Millionen Mark für den Venture Fund aufzutreiben. Anfang dieser Woche sollen nun Erich Mendes 4000 westdeutsche IOS-Männer nochmals die Türen der Wohlstandsbürger abklopfen, um zu helfen, den Rest der anvisierten Summe aufzutreiben.

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