SCHNELLRICHTER
Herzlichen Glückwunsch, daß es dem SPIEGEL wiederum gelungen ist, aus einem Verfassungsschutz-Geheimbericht einige Zitate wörtlich zu bringen. Sicher wird man über Ihren Informanten nichts erfahren. Solche Arbeit, die ich bisher nicht gern sah, wurde paradoxerweise mein Vorteil.
Durch den SPIEGEL und nicht etwa durch mein Ministerium habe ich erfahren, wie mutig der Herr Silberstein in seinen Urteilen ist und was dabei herauskommt, wenn man Fachleute durch Laien
prüfen läßt. Würden Sie eine chirurgische Klinik durch einen Kammersänger überprüfen lassen? Sicher wohl nicht. Herr Silberstein, der nie in einem Spionagedienst gearbeitet hat, unterhielt sich mit mir 55 Minuten lang. Das genügte ihm! Dann stellt ein Laie mutig fest, daß der Experte die »Ratio« nicht kennt. Ob die Vernunft des Herrn Silberstein wohl vernünftig war? Nach jahrelangem Fachstudium und jahrzehntelanger Erfahrung als Geheimdienstoffizier und leitender Beamter der' Spionageabwehr wurde ich von Ministerpräsidenten, Ministern und leitenden Herren aus Wissenschaft, Forschung und von Regierungen des In- und Auslandes nur positiv beurteilt, als Experte anerkannt und als Berater in Fachfragen und zu Vorlesungen in Anspruch genommen. Das werde ich trotz Silberstein-Urteil - noch heute. Allerdings beurteilten mich alle Persönlichkeiten, mit Ausnahme des Herrn Silberstein, erst, nachdem sie mich lange Zeit vorher kannten und vom Fachgebiet etwas verstanden.
Bei Herrn Silberstein war schon nach 55 Minuten ultimo, und dann setzte er seine ultima ratio! Nur: Es mußte und sollte -»Geheim« bleiben! Wohin sind wir gekommen? Dem SPIEGEL schönen Dank. Ich werde mich jetzt zu wehren wissen.
Köln RICHARD GERKEN*
* Leitender Regierungsdirektor a.D. und ehemaliger Chef der Spionageabwehr-Abteilung im Bundesamt für Verfassungsschutz.
Silberstein