PFENNIG Schnorch, schnurch
Das Stück ist rund, mißt überquer 16,5 Millimeter und wiegt genau zwei Gramm. Es schimmert, dank eines Kupferüberzugs, rötlichbraun, besteht im Kern aus Stahl und gilt als ordentliches Zahlungsmittel: der Pfennig, Symbol der Deutschen für Geld und Glück.
Die Münze steckt, gelegentlich vergoldet, als Hoffnungsträger im Portemonnaie und macht zuhauf einen klingenden Batzen. Wer den Pfennig nicht ehrt, heißt es von alters her, ist des Talers nicht wert und wohl auch sonst ein Taugenichts.
Auf den Pfennig kommt es allenthalben an. Politiker fuchsen mit ihm, wenn sie mit einem Multi-Millionen-Minus in der Staatskasse jonglieren. Christdemokraten dachten über einen Parteifreund, »bei ihm ist das Geld bestimmt gut aufgehoben« - und wählten den CDU-Bundestagsabgeordneten Gero Pfennig in den Bonner Haushaltsausschuß.
Gezahlt werden ein Kohle- und ein Wasserpfennig, gespendet wird der Peterspfennig von Katholiken in der Kirche. Kaufhauspreise enden auf den Pfennig, an der Tankstelle wird der Pfennig gar gestückelt.
Doch der gemeine Gebrauchswert der Münze, mit ihren Vorläufern denarius, phanting und Pfenning gut 2000 Jahre alt, ist perdu: Zu kaufen gibt es für einen Pfennig rein gar nichts mehr, so mancher endet in der Gosse. »Der braune Winzling«, konstatierte die »Frankfurter Allgemeine Zeitung« ganz ohne Pietät, »hat ausgedient.«
Andere Länder mit ähnlicher Entwicklung haben ihr Kleingeld eingesackt: In Dänemark und Schweden gibt es keine Ein- und Zwei-Öre-Stücke mehr, Frankreich, Belgien und Luxemburg schafften die Ein-Centime-Münze ab. Anders in der Bundesrepublik. »An eine Abschaffung der Münze«, verkündet das Bundesfinanzministerium, »wird nicht gedacht.«
Im täglichen Zahlungsverkehr macht sich der Pfennig ganz von alleine rar. Doch im Umlauf sind, nach Bonner Schätzung, noch immer 13 132 880 247 Ein-Pfennig-Stücke aus den Prägejahren 1948 bis 1987. Zur Kette gereiht, würden sie, wie Münzsammler Günter Pusback vorrechnete, fast fünfeinhalbmal um den Äquator reichen. Es ließen sich damit auch ganze Geldspeicher füllen, gerade recht für Knauser vom Schlage eines Dagobert Duck, der am liebsten »wie ein Seehund« - »schnorch! schnurch!« - in seine Münzberge hineintaucht.
Doch der Schwund an Kupferstücken ist gewaltig: Allein vergangenes Jahr
nahm der Bund 3 062 006 abgegriffene Pfennige vom Markt, mußte aber mehr als das Hundertfache, nämlich 393 409 200 Stück, in den vier Münzanstalten neu prägen lassen.
Wo die vielen Pfennige geblieben sind, kann nicht einmal ein Geldfachmann im Bundesfinanzministerium beantworten: »Wir sind der Frage schon verschiedentlich nachgegangen, haben aber kein befriedigendes Ergebnis gefunden.« Christdemokrat Pfennig vermutet zwar Münznester in zahllosen Sparschweinen - »aber das kann ja nicht alles sein«.
Als »hervorragendes Werbemittel« für seine Produkte nutzt Kurt Pfennig, Inhaber von Pfennigs Feinkostfabriken und Vorsitzender des Bundesverbandes der Deutschen Feinkostindustrie, die Minimünze, von der er wohl »einige tausend« verwahrt. Er klebt sie sichtbar auf Präsente, als Markenzeichen sozusagen. »Viele Stücke werden wohl von Mädchen gehortet«, vermutet der Kaufmann, »um dafür einmal Brautschuhe zu erwerben«; die Münzen kommen dann »ja wieder in Umlauf und sind nicht weg«.
Die private Pfennigsammelei vermag nur zum Teil zu erhellen, wo die vielen Stücke nun stecken. Münzsammler lassen den Winzling zumeist links liegen; nur wenige Einer aus der Prägeserie von 1948 werden zum Preis von ein bis zwei Mark gehandelt - der Rest ist für Numismatiker das blanke Nichts.
Viele Pfennigstücke versickern im Handel. Einzelne Firmen lagern die aussortierten Kleinmünzen im Abstellraum, weil es zuviel kosten würde, sie bankgerecht zu rollen. Knopfproduzenten verstecken die Münzen in Stoff und Leder, was billiger kommt, als wenn Knöpfe aus speziell gefertigten Einzelteilen hergestellt werden würden.
Das massenhafte Verschwinden der Pfennige kommt den Staat teuer zu stehen. Denn anders als bei größeren Münzen, deren Material- und Herstellungskosten oft nur einen Bruchteil ihres Nennwertes ausmachen, muß bei der Prägung der Ein- und Zwei-Pfennig-Stücke ordentlich draufgezahlt werden.
So kostet der Einer gut zwei und der Zweier rund drei Pfennig. Der Bürger kann daraus nicht mal Kapital schlagen, etwa durch den kiloweisen Pfennig-Absatz beim Altmetallhändler. Das Material ist weniger wert als das Zahlungsmittel, das Teuerste am Stück sind die Produktionskosten. Die knapp 400 Millionen Einer und die mehr als 110 Millionen Zweier, die vergangenes Jahr aus den Münzanstalten kamen, kosteten über fünf Millionen Mark mehr, als ihr Nennwert ausmachte.
Dabei stand die Münze einmal hoch im Kurs - als die Mark noch nicht erfunden und der Pfennig Geld schlechthin war. Pippin der Kurze und Karl der Große ordneten vor rund 1200 Jahren das Münzwesen neu und beglückten Europa mit der kleinen Silbermünze, für die es zuzeiten 20 Eier oder den ganzen Käse gab. Heute hingegen landet der Pfennig, einfach weggeschmissen, als vermeintlicher Glücksbringer im städtischen Brunnen.
Weil Wertverlust und Kaufkraftschwund lange schon am Pfennig zehren, gab es gelegentlich Appelle zur Abschaffung der Minimünze, doch sie verhallten folgenlos. Mal war es die Bundesbank, die vorsichtig zur Einstellung der Prägung riet, mal spottete der ehemalige Bundesinnenminister Hermann Höcherl (CSU) gegen die »nostalgische Allianz für den Pfennig und seinen ewigen Bestand«.
Doch wie alle Kanzler vor ihm läßt auch Helmut Kohl kräftig weiter kupfern. Grundnahrungsmittel etwa und Benzin, wird argumentiert, seien auf den Pfennig kalkuliert. Gäbe es den Kampf um die kleine Einheit nicht, wäre der Wettbewerb hin, Preisauftrieb da und gleich die ganze Geldmoral keinen Pfifferling mehr wert.
Mit »ein bißchen Sentimentalität« hängt auch Wilhelm Nölling, Präsident von Hamburgs Landeszentralbank, an der winzigen Münze: »Mit dem Pfennig ist man groß geworden, ich bücke mich noch nach jedem.«
Benötigt aber wird das Geldstück nicht mehr, weiß Nölling, »wir sollten den Pfennig nur noch als Recheneinheit« benutzen - »aber soweit sind wir wohl psychologisch noch nicht«.