GRIECHENLAND / JAHRESTAG Schöne Demokratie
Sie feierten mit einem Pomp, als seien sie am zweiten Jahrestag ihres Putsches selbst überrascht, daß sie noch an der Macht waren.
Ihr Putsch-Datum, den 21. April 1967, stellten Griechenlands Obristen als Nationalfeiertag dem 25. März 1821 gleich, dem Beginn des Befreiungskrieges von 400jähriger Türkenherrschaft. Ihre Putsch-Hymne »Aprilis« ließen sie jeweils vor der Nationalhymne spielen; neben jeder Nationalflagge flatterte eine neugeschaffene Regime-Fahne, die auf weißblauem Grund das Putsch-Emblem zeigt: einen Soldaten vor dem Vogel Phönix.
Den Soldaten und den Phönix tragen die Hellenen künftig auch in der Tasche: Zum Jubiläum ließ die Junta 30 Millionen Zwanzig-Drachmen-Münzen mit ihrem Symbol prägen.
Drei Tage lang waren dem Hellenenvolk am vorletzten Wochenende Feiern mit Feuerwerk, Volkstanz, Salutkanonaden und Paraden verordnet. Vom attischen Himmel schwebten Fallschirme mit Bildern des Putschführers Papadopoulos, das Fernsehen strahlte Spots wie »Zwei Jahre Freiheit« aus, eine Botschaft verkündete zum zweiten Jahrestag des Putsches: »Die Revolution verwandelte Griechenland von einem Land, das vom Pöbel beherrscht war, in eine Oase der Ruhe im unruhigen Europa.«
Und auch Innenminister Pattakos gab Proben seines schwarzen Humors: »Nie hat Griechenland bisher eine schönere Demokratie gekannt.«
Diktator Papadopoulos verschenkte den dritten Band seiner Redensammlung »Unser Kredo« und lieferte auf zahllosen Festreden, darunter in einer Besserungsanstalt für Mädchen, das Rohmaterial für einen vierten Band:
Er pries sich selbst als »archistratigos« (Marschall), sein meistgebrauchter Schlachtruf war »embros« (vorwärts) -- vorwärts in eine »glückliche Zukunft«, in »bessere Tage«, zu »sozialen Erdbeben«, in »einen neuen Staat«, eine »ruhige Demokratie«.
Er versprach, und er bettelte: »Vergessen Sie, ob Sie mit der Notwendigkeit der Revolution übereinstimmten. Sie helfen weder mir noch einer bestimmten Gruppe, Sie helfen der Nation und Griechenland.«
Er beteuerte: »Wir sind nicht gekommen, um uns auf den Nacken des griechischen Volkes zu setzen.«
Aber er drohte auch: »Natürlich haben wir niemanden gefragt, ob man uns will. Aber selbst wenn es Ihnen nicht gefällt, können Sie uns nicht stürzen.« Und: »Die Revolution wird nicht verschwinden, trotz aller Wünsche und Gebete!«
Ganz so sicher aber ist er offenbar doch nicht -- denn er sagte auch: »Ich werde vielleicht fallen, aber nicht nachgeben.«
Papadopoulos brauchte die Worte, die Fahnen, das Feuerwerk, denn eine nüchterne Bilanz seiner zweijährigen Herrschaft ist keineswegs erfreulich:
Die jährliche Wachstumsrate der griechischen Wirtschaft -- vor dem Putsch mehr als acht Prozent -- ist seit 1967 entgegen allen Plänen auf etwa vier Prozent gesunken.
Das Regime regiert noch immer mit Notstandsdekreten und Zwangsgesetzen und konnte noch nicht einmal seine eigene, auf ein Militärregime zugeschnittene Verfassung voll in Kraft setzen.
Gerade zum zweiten Jahrestag mußte sich Papadopoulos gegen Konspirationen von rechts und halbrechts wehren: Rechtsradikale Offizierskameraden, die den Putsch mitgemacht hatten, dann aber kaltgestellt wurden, möchten den Premier ganz nach rechts abdrängen und konspirierten deshalb gegen den angeblich zu weichen Generalstabschef Angelis. Ihr Wortführer, der Kommandeur der Militärpolizei, Ioannidis, begleitet den Premier seither auf allen Reisen in die Provinz -was vorher Aufgabe Angelis' war.
Außenminister Pipinelis, der einzige prominente Zivilist im Junta-Regime, wiederum hat Kontakte zu dem noch immer im römischen Exil lebenden König Konstantin geknüpft. Pipinelis, der zuvor mit US-Präsident Nixon und Briten-Premier Wilson konferiert hatte, traf vorletzte Woche in der Schweiz gleich zweimal mit dem König zusammen. Sollte noch vor Jahresmitte ein Termin für freie Wahlen genannt werden, so ließ der Monarch wissen, wolle er in die Heimat zurückkehren.
Als Nixon während seiner Europa-Reise erklärte: »Wir glauben an freie Wahlen und Demokratie«, ließ das Athener Regime diesen Satz in allen griechischen Pressemeldungen streichen. Seither rechnet der König mit amerikanischer Rückenstärkung -- zumal die US-Botschaft in Athen letzte Woche dem Regime die Rückkehr zur Demokratie empfahl.
In dieser Situation sucht Papadopoulos Stützen -- und er sucht sie hauptsächlich bei alten Kameraden: Zur Putsch-Feier erließ er ein Dekret, wonach alle Offiziersveteranen der Kriege zwischen 1912 und 1949 einen staatlichen Ehrensold beziehen sollen. Offiziere im Ruhestand erhalten auch dann ihre volle Pension, wenn sie nebenbei einen lukrativen zivilen Posten bekleiden. Die Baugenossenschaft der Offiziere (AOOA) bekommt laufend Staats-Millionen; im Athener Offiziers-Viertel Papagou werden mehr Villen gebaut als je zuvor.
Am meisten jedoch hofiert Putschist Papadopoulos die griechischen Großreeder. Für das Versprechen, in Griechenland 400 Millionen Dollar zu investieren, erhielt die Aristoteles-Onassis-Luftgesellschaft »Olympic Airways« Konzessionen bis zum Jahr 2006; außerdem stellte Papadopoulos dem Jackie-Gatten Grundstücke gratis zur Verfügung.
Vor der Reeder-Union erklärte der Premier den Herren über Milliarden, über Privatinseln, Jets und Jachten: »Sie sind nicht nur die Botschafter Griechenlands und die Herrscher über 75 Prozent der Erdoberfläche. Sie sind die Seele Griechenlands. Meine Herren, Sie sind die Revolutionäre par excellence.«
Für das gemeine Volk setzte er nominell drei Verfassungsartikel wieder in Kraft -- über die Unverletzlichkeit der Wohnung, über Koalitions- und Versammlungsfreiheit. Der Belagerungszustand jedoch wurde nicht aufgehoben.
Sich selbst mauert Papadopoulos ein. Die Bewohner der Häuser rund um die Adrianou-Straße 5 im Athener Prominentenvorort Neo Psychiko mußten ihre Wohnungen räumen; für sie zogen Geheimpolizisten mit ihren Familien ein. Die Adrianou-Straße wurde für den gesamten Verkehr gesperrt.
Vielleicht fürchtet der Premier, was Griechenlands einziger Nobelpreisträger, der Schriftsteller Georgios Seferis, kurz vor dem zweiten Jahrestag der Diktatur, prophezeit hatte:
»In diktatorischen Regimen mag der Anfang leicht erscheinen, aber die Tragödie wartet unvermeidlich am Ende. Das Drama dieses Endes quält uns ... wie in den uralten Chören des Äschylus. Je länger die Anomalie dauert, um so größer wird das Unglück.«