Schonungslos deutlich gemacht
(Nr. 50/1976, Strafjustiz: Gerhard Mauz über den Freispruch des fahnenflüchtigen DDR-Soldaten Werner Weinhold)
Wenn jemand freigesprochen wird, weil er bei seiner Flucht Soldaten eines anderen Regimes erschießt, dann müssen wir auch Aktivitäten von Anarchisten gegen Polizei und Bundeswehr tolerieren. Ferner brauchen wir uns nicht darüber aufzuregen, daß die Griechen sich weigerten, den Anarchisten Pohle auszuliefern.
Ludwigshafen (Rhld.-Pf.) HARALD WOLF
Hier wurde ein Freibrief für Mord ausgestellt, ein Urteil, das nur politisch zu erklären ist. Im übrigen frage ich mich, warum man bei uns soviel Wert auf verkrachte Existenzen aus der DDR legt. Als ob wir davon nicht selbst genug hätten.
Nürnberg WOLFGANG WALPER
Dennoch erscheint der Freispruch als richtige Entscheidung. Denn hierdurch wird klar festgelegt, daß die Schüsse der DDR-Grenzer auf Flüchtlinge rechtswidrige Angriffe auf Menschen darstellen.
Im übrigen befremdet es, wenn derselbe Reporter, der sonst in der Regel immer großes Verständnis für Angeklagte erkennen läßt, hier von selbstverschuldeter Notlage
des Angeklagten spricht. Die Notlage beginnt doch für jeden individualistisch eingestellten Menschen schon damit, in einen diktatorischen Staat. ganz gleich ob roter oder brauner Prägung, hineingeboren zu werden.
Würzburg WOLFRAM DIEK
Es gibt unzählige Ungeheuerlichkeiten, die in unserer bundesdeutschen Juristokratie passieren. Zu einer der erschrecklichsten kann man aber doch wohl zählen, wenn in dem Weinhold-Urteil ausgeführt wird, daß in der Wegnahme der für die Flucht notwendigen Autos das Recht auf Durchsetzung der Freizügigkeit eindeutig auch Vorrang vor dem Recht auf Eigentum besitze.
Es ist Herrn Mauz zu danken, daß er die möglichen Folgerungen in seinem Artikel so schonungslos deutlich gemacht hat. Darüber hinaus wäre vielleicht noch zu fragen: Wie will unter solchen Voraussetzungen ein bundesrepublikanischer Richter überhaupt noch jemanden zur Rechenschaft ziehen, der mit dem Recht auf seine Freizügigkeit einem anderen die Brieftasche oder aus einem Schaufenster Juwelen, oder was es sonst immer sein mag, wegnimmt. Und schlimmer noch: Wie will er beispielsweise Baader-Meinhof-Leuten eine Straftat nachweisen, wenn sie -- ebenfalls im vermeintlichen Bewußtsein ihrer »Freizügigkeit« -- Banküberfälle durchgeführt haben?
Jülich (Nrdrh.-Westf.) DR. A. MAAS