KANZLERKANDIDAT Schröder zu Clinton
Erstmals hat ein US-Präsident einen deutschen Kanzlerkandidaten persönlich zu einem offiziellen Besuch in die USA eingeladen. »Ich möchte das Gespräch mit Ihnen in Washington fortsetzen«, so Bill Clinton zu Gerhard Schröder am vergangenen Mittwoch. Bislang mußten sich die Kandidaten stets selbst einladen. Schröder wird noch vor den Sommerferien in die USA fliegen.
Auf Betreiben des Bonner Kanzleramts waren zu dem Gespräch keine Fernsehkameras zugelassen worden. Clintons Stab hatte indes auf das Treffen gedrängt, um den Verdacht zu vermeiden, der Präsident leiste einseitig Wahlkampfhilfe für Bundeskanzler Helmut Kohl. Die US-Berater hatten ihrem Chef eingeschärft, möglichst auf Distanz zu Kohl zu bleiben - schließlich trage der nach den jüngsten Wahlschlappen, dem DVU-Erfolg in Sachsen-Anhalt und den verpatzten Euro-Verhandlungen das Image eines Verlierers. Tatsächlich entzog sich Clinton konsequent dem stets an seinem Ärmel zupfenden Kanzler. Nur bei seiner Ansprache im Berliner Schauspielhaus verließ er den Regieplan. Er löste sich vom Manuskript und lobte Kohl: »Die Welt hat Ihnen viel zu verdanken.« Schröders Stab grollte, doch dann siegte die Erkenntnis: »Das klang doch eher wie ein Nachruf.«