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AFRIKA / KONGO-BRAZZAVILLE Schutz im Stadion

aus DER SPIEGEL 43/1966

Hinter den massiven Mauern des Stadions der Revolution« in Brazzaville drängten sich Hunderte von Menschen: Minister, Staatssekretäre, Funktionäre'der kongolesischen Einheitspartei MNR ("Mouvement National Revolutionnaire"). Sie suchten nicht sportliche Kurzweil; sie suchten Schutz vor ihrer eigenen Armee.

Die 1800 Soldaten der einst französischen Kolonie waren angetreten, die linke Zivilregierung ihres Staates zu stürzen.

Doch der Aufstand der Militärs scheiterte. Anders als im übrigen Schwarzafrika, widerstanden die Politiker der Macht der Bajonette. Sie flüchteten in die Arena und vertrauten auf die Prälorianer-Garde ihres Präsidenten Alphonse Massemba-Debat: die rund 400 Militärberater von Fidel Castros Zukkerinsel Kuba.

Binnen kurzer Zeit zogen die Kubaner einen Schutz-Kordon um die Arena, bemächtigten sich des in Afrika wichtigsten Kommunikationsmittels - der örtlichen Rundfunkstation - und schlugen die Revolte nieder. Premier Ambroise Noumazalay fuhr vom Fußballplatz ins Funkhaus und pries »die unschätzbare Hilfe der kubanischen Instruktoren«.

Die Regierungs-Rettung im Juni dieses Jahres war der erste öffentliche Großeinsatz der Kuba-Truppe in Afrika. Inzwischen wurden aus den Schutzherren Herren, wurde aus der Kongo-Republik (342 000 Quadratkilometer, 840 000 Einwohner) die erste Kolonie der viel kleineren Kariben-Insel Kuba (114 500 Quadratkilometer, 7,3 Millionen Einwohner).

Die Kongolesen - seit dem Sturz des Abbé Youlou im Sommer 1963 linksorientiert - hatten es zunächst mit den Chinesen gehalten. Sieben Massemba -Offiziere ließen sich 1964 bei einem Besuch in Peking Finanz- und Militärhilfe versprechen.

Mao durfte eine Riesen-Botschaft am Kongo errichten. Mehr als 40 Gelbe halfen fortan den Schwarzen beim Regieren, Chinas Botschafter nahm regelmäßig an den Sitzungen des Kongo -Politbüros teil.

Doch statt Geld bot China auf die Dauer nur Parolen, die Kongolesen suchten neue Partner im Osten. Den besten fanden sie im Westen - in der Karibischen See.

In seiner eigenen Hemisphäre - in Venezuela und Guatemala, in Haiti, der Dominikanischen Republik und anderen lateinamerikanischen Staaten - war Kubas Castro stets abgeblitzt, wenn er versucht hatte, seine Revolution zu exportieren. Die Kongolesen hingegen holten ihn zu Hilfe.

Mitte 1965 traf das erste Kuba-Kontingent am Kongo ein. Sogleich erkannten die Kubaner, daß sie ihre ehrgeizigen Pläne nur verwirklichen konnten, wenn es ihnen gelang, das Militär auszuschalten. Denn wie überall in. Schwarzafrika, ist auch in der Kongo- -Republik die Armee ein wesentlicher

Ordnungsfaktor: Als einzige Gruppe der Bevölkerung verfügt sie über die nötigen Waffen - französische Gewehre, fünf Flugzeuge, sechs Patrouillenboote

-, um ihren Willen notfalls mit Gewalt

durchzusetzen.

Von Massemba-Debat unterstützt - der vor den Militärs ebenso zittert wie seine zivilen Kollegen in den Nachbarländern -, gingen die Kubaner daran, die Armee systematisch zu entmachten. Nach heimischem Vorbild bauten sie eine Bürger-Miliz auf, bewaffneten die jungen Pioniere der Partei und richteten Trainingslager für die Mitglieder der kommunistenfreundlichen Gewerkschaften ein ..

Innerhalb von sechs Monaten bereits war die Miliz mit 2000 Mann größer als die Armee. Sie war außerdem besser bewaffnet und übernahm unter Führung des Kubaner-Chefs Terry Thorndike nach und nach Aufgaben, die in Kongo -Brazzaville bis dahin die Armee ausgeübt hatte. Am Tag der kongolesischen Unabhängigkeit paradierten Tausende junger Milizionäre durch Brazzaville; ganz am Schluß, beinahe unbemerkt, durften 200 Soldaten mitmarschieren.

Die Militärs, von Anfang an Gegner der kubanischen Freundschaftshilfe, fürchteten um ihre Existenz. Zu genau kannten sie die Geschichte der kubanischen Revolution, in der die regulären Streitkräfte schließlich von der Miliz abgelöst wurden.

Als Präsident Massemba-Debat im Juni nach Madagaskar reiste, entschlossen sich die gekränkten Offiziere, die Gunst der Stunde zu nutzen. Wie Ghanas Soldaten im Februar ihren abwesenden Kwame Nkrumah, so wollten sie nun ihren abwesenden Alphonse Massemba stürzen.

Doch vor den automatischen Schnellfeuergewehren der kubanischen Prätorianer verließ sie der Mut. Stolz meldeten die Lateinamerikaner dem zurückkehrenden Massemba-Debat den unblutigen Sieg.

Als Entgelt für die Niederschlagung des Militärputsches forderte Castro, alle anderen ausländischen Militärberater auszuweisen. Präsident Massemba schickte 45 Franzosen, 30 Russen, 30 Ägypter sowie vier Rotchinesen nach Haus und forderte weitere 80 Kubaner an.

Castro-Freund Massemba-Debat (M.): Prätorianer von der Zuckerinsel

* Bei einem Staatsbesuch in Nordkorea.

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