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POLIZEI Schwäbische Promotion

Diese Woche entscheiden die Innenminister über einen Millionenplan für die Verbrechensvorbeugung -- und darüber, ob »XY«-Zimmermann davon profitiert.
aus DER SPIEGEL 7/1974

Der Stuttgarter Ministerialdirigent Alfred Stümper ist sicher: »Ich bin nicht das Zimmermädchen von Herrn Zimmermann.« Bundeskriminalamts-Chef Horst Herold empfiehlt »Distanz zu dem Mann«. Münchens Polizeipräsident Manfred Schreiber stellt klar, daß er »an Zimmermanns Firma nicht beteiligt« sei. Und selbst Bundesinnenminister Hans-Dietrich Genscher, so wissen Eingeweihte, hatte »immer nur einen Wunsch: Wimmelt mir den Kerl ab,. dreht ihn auf Sparflamme runter!«

TV-Fahnder Eduard Zimmermann ("Aktenzeichen: XY ... ungelöst") hat unvermittelt wenig Kredit bei manchen Freunden und Helfern. Sein Anliegen, das Volk gegen alles Kriminelle anzuspitzen und dafür Gelder aus der Staatskasse zu kassieren (SPIEGEL 4/1974), hat die Meinungen unter Polizeioberen geteilt -- und damit stehen auch Sinn und Masche der TV-Fahndung, Marke XY, wieder mal zur Debatte.

Der Rheinland-Pfälzer Heinz Schwarz, derzeit Präses der Innenministerkonferenz (IMK): »Daß Zimmermann für uns ein interessanter Mann ist, ist klar -- ob positiv interessant oder negativ interessant, wird sich am Freitag zeigen.« Denn Schwarz und Kollegen haben am Freitag dieser Woche in Bonn unter Punkt »11 d« der IMK-Tagesordnung darüber zu befinden, ob Zimmermann als vom Staat engagierter Berater an einem aufwendigen 2,083-Millionen-Projekt zur Öffentlichkeitsarbeit in Sachen Verbrechensvorbeugung mitwirken soll oder ob die Polizei das Geld vielleicht nicht doch sinnvoller verwenden kann.

Entschieden wird, ob künftig an Journalisten im Rahmen der polizeilichen Vorbeugung »problembewußte Anstoßhonorare« zur »Initiierung von Publikationsbeiträgen« (IMK-Beschlußvorlage) gezahlt werden sollen. Zur Debatte steht auch, ob Eduard Zimmermann oder ein Beamtengremium solche Schmiergelder verteilen wird und in welchem Rahmen der Mainzer TV-Star selbst gegen gutes Salär allerlei Werbesprüche für ein neues »Creativ-Center« der Polizei produzieren darf.

Vorgesehen ist nach der Beschlußvorlage, daß die Minister bei der PR-Aktion mit Zimmermanns »Deutscher Kriminal-Fachredaktion« (DFK) über die »Durchführung konkret umrissener Aufgaben« einen »entsprechenden Vertrag zu schließen« haben. Daß als Partner der Polizei allein Zimmermann, nicht aber irgendeine Werbeagentur in Frage komme, machte Stuttgarts Ministerialdirigent Stümper den meistens nur halbwegs informierten Ministern vorletzte Woche noch einmal eigens in einem Schnellbrief klar.

Überschwenglich pries Stümper Zimmermanns »größte Erfahrung in praktischer Vorbeugungsarbeit« und seine »besondere Sachkunde auf polizeilichem Gebiet«. Zimmermann habe nicht nur den Adolf-Grimme-Preis des Deutschen Volkshochschul-Verbandes Marl, sondern sogar die »Goldene Kamera« der Zeitschrift »Hör zu« erhalten.

Soviel schwäbische Promotion kaschiert freilich, wie umstritten Zimmermann in Wahrheit unter Fachleuten ist und wie uneins hohe Polizeiführer in Bund und Ländern über eine sinnvolle Vorbeugungsarbeit der Polizei sind. Die einen, so Stümper und Schreiber, sehen in aufwendiger Litfaß-Reklame (Motto: »Sei schlauer als der Klauer") und Zimmermanns schlichten Bildschirmparabeln von Gut und Böse den besten Effekt und Erfolg; die anderen möchten zunächst die Forschung forcieren, die -- so BKA-Präsident Herold -- helfen könnte, daß Verbrechen verhindert werden, »statt sie entstehen zu lassen und zu verdrängen« --

Vorbeugen ist für BKA-Chef Herold Verhütung: »Verhüten aber kann man nicht, wenn man mit Plakaten, Prospekten und Public Relations nur an den Symptomen herumdoktert.« Vor allem von Zimmermanns Rezepten hält Herold wenig: »Der macht uns mit seiner kindhaften Schwarz-Weiß-Malerei das differenzierte soziologische Bild der Kriminalität zunichte.« 1972 hatte der Wiesbadener Amtschef an den Kriminal-Autodidakten aus Mainz-Finthen 20 000 Mark an Beraterhonorar »für Papiere zu zahlen, die nichts wert waren«. Und »die Art«, wie Zimmermann in Illustriertenserien und Kolumnen Kriminalakten vermarktet, ist für das Bundeskriminalamt »eine unerträgliche Kapitalisierung der Strafverfolgung«.

Amtschef Herold, der im »AK Zwo«, einem Fachausschuß der Länder-Innenminister, als Beobachter des Bundes fungiert, war letztes Jahr mit dem von ihm propagierten Vorbeuge-Programm, das den Schwerpunkt eher aufs Forschen verlegte, nicht zum Zuge gekommen. Stümper, der Sprecher Baden-Württembergs, präsentierte eine Alternative, die damals gefiel: Eduard Zimmermann.

Aber ob diese Nummer noch zieht, ist fraglich. Wie immer die Innenministerkonferenz am Freitag entscheiden wird, auf der Kippe steht die Zwei-Millionen-Aktion ohnedies. Der Bund reduzierte seinen Anteil an dem Projekt von 300 000 auf 70 000 Mark. Nordrhein-Westfalen scheint sich auch anders zu besinnen, und selbst der rheinland-pfälzische Innenminister Schwarz, der sich »nicht gleich zu den Leuten« rechnen möchte, »die sagen: weg mit dem Kerl«, weiß noch nicht, ob er die vorgesehenen 75 000 Mark »vom Finanzminister auch wirklich kriegt«.

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