HAUS PREUSSEN Schwäne und Gänse
In einem Lokal in Luxemburg verkündete 1929 ein Schild: »Hier werden Sie vom Schwager des deutschen Kaisers bedient.« Es kellnerte ein gewisser Alexander Zoubkoff, russisch-blütiger Ehemann der im selben Jahr verstorbenen Kaiser-Wilhelm-Schwester Viktoria.
In der Nachbarschaft der Düsseldorfer Dirnenquartiere stand unlängst noch ein schnauzbärtiger Wirt hinter der Theke, der neuerdings Schwiegervater eines Urenkels des letzten deutschen Kaisers ist:
Des bürgerlichen Wirts Stieftöchterlein Jutta Jörn, 23, ehelichte vorletztes Wochenende den Prinzen Michael, 26, zweitältester Sohn des Chefs des Hauses Preußen.
Er halte - so umriß Michaels Urgroßvater Wilhelm II. einmal den hocharistokratischen Sittenkodex - eine Ehe zwischen einem Prinzen und einer Bürgerlichen für so unmöglich »wie biologisch die Verbindung zwischen einem Schwan und einer Gans«.
Der Grundsatz galt noch immer, als die Preußen längst keine Geschichte mehr, sondern allenfalls noch Geschichten machten.
Gerade war der Schock verdaut, den die damals 61 Jahre alte Preußen-Prinzessin Viktoria der Familie 1927 durch ihre Ehe mit dem 34 Jahre jüngeren russischen Emigranten, Eintänzer und späteren Kellner Alexander Zoubkoff versetzt hatte, da hatte der Preußen -Clan neue Sorgen:
Nur mit Mühe konnte er den damaligen Ford-Angestellten und heutigen Bräutigam-Vater Louis Ferdinand davon abhalten, eine Liaison mit der Hollywood-Diva Lily Damita bis zu einer Ehe hin zu vertiefen. Er heiratete schließlich die russische Großfürstin Kira aus dem ebenbürtigen Hause Romanow.
Um die gleiche Zeit verlor Louis-Ferdinand-Bruder Wilhelm seine Rechte als Erstgeborener des preußischen Kronprinzen durch die Eheschließung mit Dorothea von Salviati - die Brautmutter war bürgerlichen Standes. Und 1946 verzankte sich Louis Ferdinands Vetter Karl Franz Joseph mit der Familie, weil er gegen deren Wunsch die geschiedene Bürgerliche Luise Hartmann geehelicht hatte.
Des letzten regierenden Preußen Wort vom Schwan und der Gans wirkte bis ins vierte Glied fort. Prinzessin Marie Cécile äußerte letztes Jahr kurz vor ihrer Trauung mit dem Herzog Friedrich-August von Oldenburg, einen simplen Herrn Oldenburg hätte sie nicht zum Manne haben wollen.
Die noch ledige Schwester Kira, 23 derzeit Mitarbeiterin der »Bild-Zeitung« in Berlin -, hat gegen einen bürgerlichen Ehemann nichts - vorausgesetzt, sie liebt ihn »ganz toll«.
Prinz Friedrich Wilhelm, 27, Publizistik-Student und Erstgeborener des Preußen-Haus-Chefs, brach unlängst die Beziehungen zu einer Bürgerlichen ab. Bruder Michael dagegen, der die Lufthansa-Bodenstewardeß Jutta Jörn in New York kennenlernte, fand nichts dabei, außer mit hocharistokratischen auch mit gewissen bürgerlichen Konventionen zu brechen: Wie 30 Prozent aller deutschen Mädchen, die sich heute verehelichen, sah auch Fräulein Jutta bereits Mutterfreuden entgegen, bevor sie zunächst im Düsseldorfer Standesamt, dann von Domprediger Tietze auf dem Bremer Wümmehof ihrem Prinzen angetraut wurde.
Frei von Konventionen wie Prinz Michael bei seiner Gattinnenwahl war auch die Familie, die den Preußen damit ins Haus stand.
Michael - Schwiegermutter Erni Gundlach geschiedene Jörn handelt in Lederwaren. Schwiegervater Hans Gundlach hatte vom Oktober 1964 bis zum 21. Juni 1966 die Konzession für die Schankwirtschaft »Im Büdchen« - einer neuerdings von einem Algerier bewirtschafteten Schummer-Kneipe unweit des Düsseldorfer Dirnen-Wohnheims Hinter dem Bahndamm. Nach Auskunft des Düsseldorfer Polizeipräsidenten Herbert Klein verkehren dort »natürlich Prostituierte und Zuhälter«.
Während Wirt Gundlach nebenan in der Küche war, wurde am 1. Mai 1965 in seinem Schankraum der Polizeimeister Herbert Thönessen von einem gewissen Hans Blome niedergeschossen. Und Ende letzten Jahres dehnte Düsseldorfs Kripo eine umfangreiche Razzia auf Zuhälter auch auf Gundlachs Büdchen aus.
»Mit seinem einzigartigen Charme« - so Bräutigam-Schwester Kira - meisterte Wümmehof-Herr Louis Ferdinand bei der Hochzeit Mißstimmung, die möglicherweise durch die Anwesenheit der Brauteltern hätte aufkommen können.
Ansätze freundschaftlicher Annäherung zwischen Bräutigam- und Brauteltern gab es jedoch nicht Es waren sich zwei Familien begegnet, von denen Prinz Louis Ferdinand glaubt, daß sie »vor der ganzen Geschichte keinerlei Ahnung von der gegenseitigen Existenz hatten«.
Preußen-Brautpaar, Brautvater (l.)
Schuß im Büdchen