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BAYERN Schwarze Kathl

aus DER SPIEGEL 47/1964

Die Abonnenten des »Trostberger Tagblattes« und der »Schweinfurter Volkszeitung« erfuhren ein völlig unbekanntes Detail aus dem Leben des bayrischen Ministerpräsidenten. »Ehe ich Rechtsanwalt wurde«, verriet ihnen Autor Alfons Goppel, »habe ich einige Zeit in Augsburg als Journalist gearbeitet.«

Mit dieser Information leitete Goppel unlängst einen Artikel ein, der zahlreichen bayrischen Provinzblättern angedient worden war - säuberlich hektographiert und angereichert sowohl mit einem künstlerisch ausgearbeiteten Porträt des Kabinettschefs als auch mit einem Begleitbrief von Goppels Pressesprecher Raimund Eberle: Weitere Manuskripte ständen ins Haus.

Eberle: »Ministerpräsident Dr. h. c. Goppel bedauert immer wieder, daß er nur zu selten den verantwortlichen Redaktionen außerhalb Münchens seinen Standpunkt in aktuellen Fragen darlegen kann. Künftig wird er es, wie heute, wenigstens schriftlich tun.«

Goppels Artikel enthielt zwar keinerlei Fakten oder Meinungen, die nicht schon längst bekannt gewesen wären, und wurde dementsprechend nur recht sparsam abgedruckt. Aber trotzdem zeigte sich Eberle »mit dem Echo sehr zufrieden«. Mitte Oktober verbreitete die Staatskanzlei das zweite Manuskript. Ein drittes soll noch im November durch den Hektographierapparat gedreht werden.

Kennern der Goppelschen Ausdrucksweise fällt allerdings eine gewisse Uneinheitlichkeit auf: Die beiden bisher unter Goppels Namen erschienenen Aufsätze unterscheiden sich von des Ministerpräsidenten sonstigen Elaboraten durch einen ungewöhnlich kargen Wortschatz und eine beträchtlich vereinfachte Syntax. Goppel über bayrische Bildungsausgaben 1957: »Für die staatlichen höheren Schulen 84 Millionen. Für die Mittelschulen fast neun Millionen. Für die Volksschulen nahezu 240 Millionen, immerhin. Für die Berufsschulen und Ingenieurschulen 31 Millionen. Alles in einem Jahr. Viel Geld.«

Dazu Goppels langjähriger Vertrauter Eberle: »Ich möchte nur soviel sagen, daß der Herr Ministerpräsident jedes Schriftstück, das die Staatskanzlei mit seinem Namen verläßt, genau prüft, bis aufs Komma.«

Mittlerweile ist Eberle die Idee zugeflogen, daß die bayrische Provinzpresse möglicherweise nicht bloß mit Zahlen bedient werden möchte. Vor vier Wochen startete er seine zweite Offerte: »Ministerpräsident Dr. Goppel ist gerne bereit, auf Ihre Anregung hin seinen Standpunkt zu einer von Ihnen aufgeworfenen Frage darzulegen. Auf Wunsch geschieht das auch exklusiv für eine Zeitung.«

Die Staatskanzlei registrierte nicht ohne Stolz elf Antworten. Zwei der explosivsten Themen werden derzeit auf Goppel-Essays zurechtgetrimmt: »Die Fernsehmisere in der Oberpfalz« und »Ist für die Mittelstandsbetriebe im

Zonenraum noch die Existenzberechtigung gegeben?«

Die journalistischen Erfahrungen des bayrischen Ministerpräsidenten resultieren aus dem Jahre 1933. Damals volontierte Alfons Goppel vier Wochen lang bei der - nicht mehr existenten"Neuen Augsburger Zeitung«, die wegen ihrer politischen Färbung vom Volksmund allgemein »Die schwarze Kathl« geheißen wurde.

Bayerns Ministerpräsident Goppel

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