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Schwarzes Traumhaus

Die erfolgreichste US-Serie kommt ins deutsche Fernsehen: Das ZDF startet in dieser Woche »Bill Cosbys Familien-Bande«. *
aus DER SPIEGEL 6/1987

Jeden Donnerstagabend klärt Dr. William H. Cosby jr., 49, vor einem Stamm von rund 60 Millionen Fernsehzuschauern amerikanische Familienprobleme im Stil einer Boulevard-Komödie und wird dafür als »Vater der Nation« gefeiert.

Bei einer Umfrage unter 5000 College-Studenten avancierte er zum »Helden des jungen Amerika«, das Busen-Blatt »Penthouse« nannte ihn »einen der 25 wichtigsten Amerikaner«, die Leser der Tageszeitung »USA Today« kürten ihn im Jahresrückblick zu »einem der meistgeschätzten Menschen«, und ein Feministinnen-Club in Washington hob ihn als »guten Kumpel« des Jahres 1986 aufs Podest.

Seit Ronald Reagan als vertrauenswürdige Vaterfigur abdanken mußte und am Iran irre wurde, hat kein Amerikaner eine dermaßen starke Wertschätzung genießen dürfen wie Bill Cosby. Jedoch, bei allem Ruhm und Respekt: So gern die US-Bürger sich den Fernsehvater auf dem Bildschirm anschauen - im Weißen Haus möchten ihn wohl die wenigsten sehen. Denn Cosby ist schwarz. Wenn''s darauf ankommt, weiß das Publikum immer noch sehr genau zwischen unverbindlicher Show-Attitüde und konkretem politischen Anspruch zu trennen.

Sammy Davis jr. ist letztlich doch bloß der Amüsier-Neger, Nat King Cole galt lediglich als schwarze Sinatra-Kopie, Harry Belafonte wurde zum dunkelhäutigen Calypso-Exoten gestempelt. »Ich aber«, sagte der Schriftsteller James Baldwin einmal verzweifelt, »möchte kein Nigger, sondern einfach ein Mensch sein.«

Noch heute hat Hollywood in Film und Fernsehen für schwarze Akteure - spektakuläre Ausnahmen wie Whoopie Goldberg oder Eddie Murphy widerlegen die Regel nicht - meist nur Nebenrollen als Zuhälter, Prostituierte oder Drogendealer parat. Wenn aber einmal ein Hauptpart nicht an ein Bleichgesicht vergeben wird, dann müssen die schwarzen Stars sich sittsam als Dame oder Herr ohne Unterleib geben und jede Gefühlsregung auf die eigene Rasse konzentrieren.

Bill Cosby sind derlei Demütigungen weitgehend erspart geblieben. Der strebsame Aufsteiger aus dem »Jungle«-Getto von Nord-Philadelphia machte sich 1965 bis 1968 in der Thriller-Reihe »Tennis-Schläger und Kanonen« als erster schwarzer Star einer Wochenserie weltweit bekannt: »Endlich mal kriegt ein Neger die Chance, einen Spion und nicht bloß ein Problem zu spielen.«

Der promovierte Entertainer hatte wohl Glück: Das Problem mit der Hautfarbe scheint beim Fernsehen geringer zu sein. Der Schwarze Bryant Gumbel ist Co-Moderator der populären »Today«-Show bei der NBC, Oprah Winfrey, Oscar-nominierter Star des Spielberg-Films »Die Farbe Lila«, lancierte vor kurzem eine immens erfolgreiche Talk-Show, Diahann Carroll gelang es, beim »Denver Clan« als »erste schwarze Giftnudel

im Fernsehen« Profil zu zeigen, und der Catcher »Mr. T. möbelt mit seiner Kraftprotz-Karikatur die fade Action-Serie »The A-Team« auf. Darüber hinaus sind viele Schwarze, Mexikaner und Asiaten täglich als Ansager Reporter, Kommentatoren und Conferenciers auf allen TV-Kanälen zu sehen.

Schwarze Bürgerrechtler klagen jedoch, daß in dem vermeintlich offeneren Spektrum des Fernsehens nur ein ethnischer Einheitsbrei nach weißem Geschmack angerührt werde. Sie sprechen von Augentäuschung, weil die Angehörigen von Minoritäten lediglich als Funktionsträger vor die Kamera gelassen werden und dabei jede Eigenheit weitgehend verleugnen müssen. Auch die Cosby-Show ist Zielscheibe dieser Kritik.

Der neue amerikanische Held zaubert nämlich jede Woche eine schwarze Mittelstands-Idylle auf die Bildschirme, die in der grimmigen Realität der zunehmenden Arbeitslosigkeit, galoppierenden Inflation und aufbrechenden Rassenkonflikte kaum ihre Entsprechung findet.

Als Gynäkologe Dr. Heathcliff Huxtable weist er - oftmals kauzig, letztlich aber doch kategorisch - seinen fünf Kindern den rechten Karriereweg in die gehobene Konsumwelt. Ehefrau Clair (Phylicia Ayers-Allen), eine tüchtige Rechtsanwältin, tritt dabei bewundernd in den Schatten. Vater ist eben wieder mal der Beste.

Die Ideen zu den wöchentlichen 25-Minuten-Episoden liefert die Star-Familie: Cosby hat, wie sein TV-Charakter vier Töchter und einen halbwüchsigen Sohn. So vermengen sich denn auch in den TV-Storys Phantasie und eigenes Erleben, Wunschbild und verklärte Erinnerung. Jeder Ratschlag, der in der Serie gegeben wird, jeder bereinigte Konflikt jede glückliche Fügung zur Familien-Harmonie basiert - so suggeriert Cosby - auf tatsächlichen Vorkommnissen.

Die totale Identifikation des Stars mit seiner Rolle und seiner Show täuscht eine Realitätsnähe vor, die bei weißen Zuschauern Beruhigung schafft. Wenn''s dem schwarzen Mittelstand so gut geht, dann wird er sich ja wohl in Zukunft friedlich verhalten.

Das Huxtable-Haus ist vollgestopft mit Konsumartikeln- ständig wird über ein teures Sweatshirt, die neue Saftpresse oder den Klarinetten-Unterricht der Tochter geredet. In nahezu jeder Szene führen die Akteure eine andere Sportswear-Kollektion vor.

Diese Parade der Wohlstands-Produkte sendet natürlich auch ein Signal an die schwarzen Zuschauer: Ihr seid vom amerikanischen Traum nicht ausgeschlossen; ein Monopol der Weißen gibt es nicht mehr.

Bill Cosby ist ja ohnehin als der erfolgreichste Handlungsreisende der Fernsehwerbebranche bekannt. Ob er nun mit treuherzigem Augenaufschlag Autos, Wackelpudding, Computer oder Photoartikel anpries - stets faßten die Konsumenten Vertrauen zu Mann und Marke. Nur einmal, als er für die neue süßliche Coke die Zunge flott machte, hinterließ sein Probier-Tip einen unangenehmen Geschmack.

Mit seiner putzigen Familien-Show liegt der Großverdiener Cosby (Jahreseinkommen: mehr als 10 Millionen Dollar) jedoch wieder voll im Trend. Amerika kehrt heim zu sich selbst- die Sehnsucht nach einer heilen Welt und der Traum vom stillen Glück im Winkel werden nicht mehr als kleinbürgerliche Beschränktheit verlacht, seit auch die Yuppies wegen Aids und Kokain-Razzien die Lust an der Ausschweifung verloren haben und sich in die Grauzone von Suburbia zurückziehen.

Die Cosby-Show wurde im Herbst 1984 gestartet und ist seitdem die unangefochtene Nummer eins im US-Fernsehprogramm. Die Dekadenz von »Denver« oder »Dallas« hingegen sagt nur noch einer Sekte von Seifenopern-Nostalgikern zu. Unter dem Serientitel »Bill Cosbys Familien-Bande« führt das ZDF die Show am kommenden Donnerstag um 19.30 Uhr mit einer Pilotsendung ein; danach wird sie, zunächst in 39 Folgen, an jedem Sonntagnachmittag ausgestrahlt - nach dem »Traumschiff« nun das Traumhaus. _(Mit TV-Tochter Keshia Knight Pulliam. )

Mit TV-Tochter Keshia Knight Pulliam.

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