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SED-Rechtfertigung

aus DER SPIEGEL 31/1978

In einer partei-internen Information hat jetzt die Ost-Berliner SED-Führung mit zusätzlichen Argumenten zu begründen versucht, weshalb sie den System-Kritiker Rudolf Bahro am 30. Juni zu acht Jahren Freiheitsentzug verurteilen ließ. Buchautor Bahro ("Die Alternative") waren »Geheimnisverrat« »Sammlung von Nachrichten« und Einsatz »nachrichtendienstlicher Mittel« vorgeworfen worden.

In der vertraulichen Erläuterung für die SED-Genossen heißt es, Bahro habe hektrographierte Exemplare seines Manuskripts an führende Funktionäre vor allem des DDR-Wirtschaftsapparats geschickt. Daraufhin sei er aufgefordert worden, die Schrift als »Gv -- persönlich« (Geheime Verschlußsache) zu betrachten Mit der Weitergabe des Manuskripts zum Druck habe Bahro aber gegen diese Auflage verstoßen und Geheimnisverrat begangen.

Wohlbegründet, so die SED-Belehrung, sei auch die Anklage wegen des Einsatzes nachrichtendienstlicher Mittel, denn Bahro habe seine »Falschmeldungen« an West-Journalisten weitergegeben, die zugleich Mitarbeiter westlicher Geheimdienste seien. Führenden DKP-Funktionären in der Bundesrepublik gab das SED-Politbüro eine zusätzliche Argumentationshilfe: Ein Vergleich früherer SPIEGEL-Berichte mit Äußerungen Bahros im Leitungskollektiv seines Betriebes, des Ost-Berliner VEB-Gummikombinats, habe weitgehende Übereinstimmung ergeben. Diese Behauptung steht allerdings im Widerspruch zu den Ermittlungsprotokollen des DDR-Staatssicherheitsdienstes. Sie weisen aus, daß Bahro bis wenige Wochen vor seiner Verhaftung tatsächlich keinerlei Kontakte zum SPIEGEL hatte.

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