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Artikel 59 / 63

Briefe

Sehr geehrter Herr...
aus DER SPIEGEL 23/1979

Sehr geehrter Herr...

(Nr. 21/1979, »Kandidieren Sie nicht!« -- Offener Brief des SPIEGEL-Redakteurs Klaus Pokatzky an Karl Carstens)

Selten konnte ich einem Text des SPIEGEL so uneingeschränkt zustimmen. Ich bin gefüllt mit tiefer Traurigkeit. Carstens ist der Vertreter all dessen, was mir unchristlich und undemokratisch erscheint, ein Mann ohne Gefühl (besser feeling) und innere Stärke -- sonst hätte er Abstand von seiner Kandidatur genommen.

Jedoch auch ein starkes Zeichen der Schwäche der CDU: Sie favorisiert einen Mann mit solchen Flecken auf der beigen Weste.

Xanten (Nrdrh.-Westf.) ULRICH SCHULTE, 27

Diakon

Wer oder was bestimmt eigentlich den Herrn Pokatzky, 25, sich als Ankläger »seiner« Generation gegen Herrn Carstens zu erklären? Das Elaborat (ein Brief ist das nicht) wechselt zwar die Sprache von tränenerstickt-wehleidig bis lasch, dennoch bleibt er stilistisch miserabel; sein Inhalt halb gar.

Viersen (Nrdrh.-Westf.)

DR.-ING. H. GREFKES

Die von Herrn Pokatzky in seinem Brief an Herrn Carstens vertretene Meinung teile ich voll. Ich bin gespannt, was uns die CDU/CSU in nächster Zeit noch alles zumuten wird -- mir ist nicht wohl dabei.

Birkenfeld

JÜRGEN BESTLE, 24

Sehr geehrter Herr Pokatzky, ich sitze hier auf dem sogenannten »stillen Örtchen«. Ihren Carstens-Verleumdungs-Artikel habe ich vor mir -- gleich habe ich ihn hinter mir. Auch ohne diesen hinterlistigen Verwendungszweck war das wohl der beschissenste Erguß aus der Feder eines sozialistischen Redakteurs, den ich im Volksfront-SPIEGEL lesen konnte.

Düsseldorf OTTO DÜLBERG

Endlich einmal jemand in Ihrer Zeitschrift, der mir so sehr aus der Seele spricht, daß ich mich dazu aufraffe, meinen ersten Leserbrief zu schreiben. Da auch ich zu der Generation gehöre, die noch nicht dem neuen und nicht mehr dem alten braunen Terror ange-

* Aus: H. E, Köhler »Gezeichnete Zeitgenossen« (Societäts-Verlag).

hört, glaube ich, daß sich bei diesen schlichten Worten etliche »Etablierte« endlich einmal auf den Schlips getreten fühlen müssen. Sollen sie es nur! Es ist traurig aber wahr, wenn es so weitergeht, wird dieses Deutschland nicht mehr das Land sein, in dem ich mich heimisch fühlen werde.

Frankfurt ANGELIKA JÄNICKE, 32

Der präpotente, arrogante, unter Scheißhöflichkeit verborgene Haß, mit dem Sie, 25jähriger »Redakteur« »dieses ganze Volk« (und mich mit) beleidigen, darf nicht unwidersprochen bleiben

Brissago (Schweiz) GUSTAV FRÖHLICH, 75

Diesem Artikel Ihres Herrn Pokatzky, dessen Mut ich bewundere, kann ich voll und ganz zustimmen.

Hamburg

GÜNTHER HILDEBRAND

Hätten die lauthals schreienden Miesmacher nur ein Quentchen Gespür für Fairneß, sie würden schleunigst verstummen, um Carstens die Chance zu geben, sich in Ruhe für das höchste Amt im Staat zu profilieren.

Reichshof (Nrdrh.-Westf.)

URSULA OEHME

Gratuliere, Herr Pokatzky! Sie sprechen mir aus der Seele!

Isernhagen (Nieders.)

ULRIKE SCHÜTZ, 31

Daß Herr Klaus Pokatzky so etwas schreiben kann, wundert mich nicht, aber daß der SPIEGEL so einen Redakteur

hat, geht über mein Verständnis.

Berlin VLADIMIR MARINESCU

Sehr geehrter Herr Pokatzky, Ihr Brief an Karl Carstens war eine Wohltat. In Baden-Württemberg ist das Lesebuch »Modelle« eben wegen dieser Rede von Heuss, dem »Erlkönig« von Goethe und anderen Texten wegen der »Darstellung von zuviel Gewalt« verboten worden. Auch das eine Art der Vergangenheitsbewältigung!

Brühl (Bad.-Württ.) ANNETTE-MARIA ASSOR

Studienrätin

Ich bin fest davon überzeugt, daß mehrere Generationen in der Bundesrepublik auf Herrn Pokatzky, 25, als einen Präsident ohne Nazi-Vergangenheit warten. Was aber, wenn sein Vater oder gar Großvater ein Nazi war?

Berlin ULRICH STENGELL

Gratuliere, Klaus Pokatzky! Du hast es verstanden, das auszudrücken, was dem Großteil unserer Generation unter den Nägeln brennt.

Dinslaken (Nrdrh-Westf.)

WALTER WIBERNY, 26

Wehret den Anfängen -- aber wie?

Essen JOHANN G. ROSENDAHL

Wenn 30 Jahre im Dienste der Demokratie nicht ausreichen, zu beweisen, daß man begangene Fehler bereut, dann weiß ich nicht, wie man dies anstellen soll. Bei Herbert Wehner scheinen sie auszureichen.

Sasbach (Bad.-Württ.) OLIVER HAUSS

Abiturient

Lieber Klaus! Vielen Dank für Deinen Artikel. Habe mich selten so repräsentiert gefühlt, wie durch Deine Zeilen an »unseren« Repräsentanten!

Paderborn HEINZ-WERNER KNOOP

Bravo! und Dankeschön an Herrn Pokatzky! Aber, leider, hat Herr Carstens keinen Respekt vor unserer Generation.

Oberhausen (Nrdrh.-Westf.)

M. BERND-STRIEBECK, 29

Ich kann den Brief des Herrn Pokatzky an Herrn Carstens nur mit unterschreiben. Es ist deprimierend zu sehen, daß die deutsche Öffentlichkeit sich dem Diktat der »politischen Verwaltung« protestlos beugt.

Efringen-Kirchen (Bad-Württ.)

MARIANNE GICHTBROCK

Wen meint Pokatzky, und was versteht er unter einer inneren Emigration. Er weiß, gottlob, nicht, was innere Emigration heißt, denn sie ist eine Folgerung aus anderen Bedrängnissen als wie Pokatzky sie kennen kann.

Er sollte die Zeugnisse lesen von jenen, die die innere und äußere Emigration im Dritten Reich erlebt haben. Dann mag er reden. Aber er sollte nicht im Namen einer Generation reden, die anders denkt als er.

Hamburg WERNER MAHNKE

Dank für Ihren offenen Brief an Karl Carstens. Er ist mir aus der Seele gesprochen. Wenn wir schon diese Hypothek der Nazi-Vergangenheit tragen müssen, dann aber so unbequem wie möglich. Oder sind wir schon so abgestumpft durch die Art der Vergangenheitsbewältigung der älteren Generation? In der Hoffnung, noch mehr solch guter Stellungnahmen von Ihnen zu lesen, verbleibe ich Ihre

Eberhardzell (Bad.-Württ.)

GABRIELE MÜLLER, 25

Mein Wunsch für die junge Generation: ein Leben ohne Krieg. Mit großem Dank für den offenen Brief.

Fresendorf (Schlesw.-Holst.)

LISELOTTE MAIBAUM, 78

Ich muß Ihnen sagen, daß Sie eigentlich noch viel zu jung sind, um sich solch eine Attacke gegenüber Herrn Professor Carstens zu erlauben. Ich bin dreimal so alt wie Sie und ich habe diese Zeit erlebt, über die Sie sich auslassen, während Sie Ihre Weisheiten nur aus Büchern beziehen konnten. Immerhin ist Herr Professor Carstens ein Mann von Format. In den Reihen der SPD gibt es keinen, der dieses Format hätte.

Korbach (Hessen) HERBERT SPIESS

Wenn über »die Deutschen« in der Schweiz böses gesagt wird, mische ich mich immer ein und versuche Euch zu verteidigen und die Aussagen zu relativieren. Viele Beispiele haben mir dies oft sehr schwer gemacht (etwa Berufsverbote). Doch die Wahl eines Politikers mit NS-Vergangenheit zum Bundespräsidenten kann und will ich nicht entschuldigen. Dies ist die gemeinste Provokation an die Jungen, die Juden, die Zigeuner, die Homosexuellen. Wer sich jetzt in Deutschland nicht als Linker bezeichnet, wer gegen solches nicht opponiert, der hat nie gelernt zu denken.

Bern OLIVER C. LÜTOLF

Es waren verfluchte Zeiten; wenn der Schreiber damals geboren worden wäre, wäre er vielleicht auch ein strammer NSDAP-Mann geworden. Man kann heute schön dumm schwätzen.

Wenn Herr Pokatzky 40 Jahre älter ist -- so alt ist heute Herr Professor Carstens -, dann wird er vielleicht auch Schwierigkeiten haben, weil er in der Jugend gegebenenfalls Angehöriger einer Organisation oder Partei war, die dann nicht mehr populär ist.

Kaarst (Nrdrh.-Westf.) ERICH WÜLLRICH, 71

Ich sollte Ihnen mitteilen, sehr geehrter Herr Pokatzky, daß ich 1939 in Ostpreußen geboren wurde. Meine Mutter ging 1944 mit sieben Kindern im großen Treck auf die Flucht. Sie starb 1955, weil ihre Kraft aufgebraucht war. Mein Vater starb in russischer Gefangenschaft. Mein persönliches Schicksal ist nur eines unter Millionen, aber ich fühle mich schuldig, was, wie Sie es richtig formulierten »in deutschem Namen über die Welt gebracht wurde«. -- Ich danke Ihnen für Ihren offenen Brief.

Kiel EDITH BAHR

Was soll ich antworten, wenn man mir in Dänemark als Deutschem vorhält, wir hätten aus brauner Vorzeit nichts gelernt? Fast täglich muß ich zu Berufsverboten, Holocaust, Schnüffeldateien und nun auch zu Karl Carstens als Bundespräsidenten Stellung nehmen, Ich werde nichts mehr verteidigen, sondern zusammen mit der Mehrheit der Dänen anklagen.

Kopenhagen WULF DAN-SCHMIDT

Ich gehöre zur gleichen Generation wie Herr Pokatzky. Mit seinem offenen Brief trifft er ziemlich genau die Gründe, die Herrn Carstens als Bundespräsident für viele Deutsche nicht akzeptabel machen. Mein Bundespräsident ist er jedenfalls nicht; er möchte bitte davon absehen, mich zu repräsentieren!

Braunschweig WERNER LOHMANN, 24

Unerträglich ist die anmaßende Arroganz, für eine ganze Generation zu sprechen. Die Redaktion des SPIEGEL und ein paar Spielgefährten sowie einige Zustimmende scheinen mir nicht die Generation auszumachen. Herr Professor Carstens wurde im ersten Wahlgang gewählt! Er wird ohne Schaden darauf verzichten können, Präsident von Herrn Pokatzky zu sein.

Bonn DR. HANS-WERNER TEICHMANN

Auch ich gehöre der Generation des Klaus Pokatzky an und möchte hiermit den Inhalt seines Briefes an Herrn Carstens unterstützen. Eine Volksabstimmung hätte sicherlich einen anderen Wahlausgang gebracht.

Hannover ANNE GÖPFERT

Der von der Mehrheit der Volksvertreter unseres Landes rechtmäßig gewählte Bundespräsident besitzt die optimalen Fähigkeiten, die Jugend positiv zu motivieren, Daß dies den Linken nicht paßt, war vorauszusehen und wurde auch durch die Schmutzkampagne gegen Carstens verdeutlicht. Dazu gehört scheinbar auch Ihr Redakteur Klaus Pokatzky, der seine journalistische Jauche auf seinesgleichen ausgießen soll,

Wiesbaden HANS-PETER KONRAD

Sprachlos und verbittert müssen alle Nazi-Verfolgte zusehen, wie sich diese Quasi-Deutschen selbst im höchsten Amt hohnlachend breitmachen. Nazi hätte man seinerzeit werden sollen, wäre man heute finanziell und menschlich weiter, gesund, selbstherrlich und reich. Man kann den jungen Leuten nun heute nur empfehlen: Achtet auf den Trend und werdet rechtzeitig Faschisten, der Lohn ist euch sicher!

Abenberg (Bayern) LEO J. BYLICKI

Seien Sie froh, sehr geehrter Herr Pokatzky, daß sie erst 1953 geboren sind, sonst wären Sie vielleicht heute auch einer der von Ihnen in alle Ewigkeit verdammten Mitläufer.

Neu-Isenburg (Hessen)

CARLHEINZ GENTNER, 61

Ich werde mich damit abfinden müssen, Herrn Carstens als Bundespräsidenten zu akzeptieren. Im übrigen das Ausland auch?! Meine Hochachtung gilt Ihrem Redakteur Herrn Pokatzky, der es verstand, seine Meinung über Herrn Carstens offen, ehrlich und kritisch kundzutun.

Duisburg (Nrdrh.-Westf.) ROLAND FANSELAU

Mit Carstens schaffen wir ein besseres Deutschland und ein besseres Europa! Auch wenn es Ihnen nicht paßt!

Dortmund JOSEF BACH

Noch einige Zeit und auch Sie, Herr Pokatzky, werden die Möglichkeit einer »inneren Emigration« erwägen müssen. Betrachten wir uns als staatenlos, lassen Sie uns großen Abstand bewahren -- sonst schnürt es einem die Kehle zu.

Herne (Nrdrh.-Westf) W. HAGEMANN

Phantastisch -- ihr Carstens-Brief. Aber nicht nur Ihr Jungen opponiert zu Recht gegen diesen alten Nazi, auch wir Jahrgänge von vor 1914, im Nazi-Reich ohne braune Flecken geblieben (ich wurde 1935 aus der Polizei gefeuert und erneut 1966 aus der »Filbinger-Polizei"), knirschen mit den Zähnen vor Wut.

Selb (Bayern) SEPP BERANEK

Kriminalkommissar i. R.

Wenn Sie jedem ehemaligen unbescholtenen Parteigenossen, und davon gab es Hunderttausende, das Recht absprechen wollen, heute ein hohes Amt im Staate zu bekleiden, dann können Sie diesen demokratischen Staat auch gleich wieder auflösen. Vielleicht ist das sogar ihr Ziel? Siegen (Nrdrh.-Westf.)

ECKHARD VON SCHACK, 56

Hauptmann der Reserve

Ich habe mich ganz enorm darüber gefreut, daß es wenigstens in der jungen Generation noch Leute gibt, die darüber nachdenken und sich freimütig dazu äußern. Anbei übersende ich Ihnen, lieber Herr Pokatzky, mein erstes Buch ("Mandelblüte") und separat mein viertes ("Karibische Passion"). Viel Spaß!

Ile Rousse/Korsika (Frankreich)

BERT PERTRUP, 65

In letzter Zeit frage ich mich immer häufiger, ob uns unsere Tochter in 20 Jahren die gleiche Frage vorlegt, wo seid Ihr gewesen, als Carstens Bundespräsident wurde?

Düsseldorf MONIKA WALTHER

Sie reiten so auf Ihrem Generationsproblem herum, Ihre Generation ist mit einem silbernen Löffel im Schnabel geboren worden, und wenn Sie mit 25 Jahren wohldotierter SPIEGEL-Redakteur sind, so sage ich Ihnen, daß Sie sich von wirklicher Not und Verzweiflung gar kein Bild machen können. Haben Sie mit Ihrem Herrn Vater über diese Probleme gesprochen?

Lüneburg (Nieders) ALBRECHT HENKE, 62

Für den Redakteur Pokatzky scheinen Kompetenz und Kapazität eher Schimpfworte zu sein.

Saarbrücken DR. HARALD SCHNEIDER

Sicher ist das eines dieser langhaarigen Würstchen. Diese Typen haben mir schon immer gestunken. Früher hat es so etwas nicht gegeben.

Berlin WERNER KUFERATH, 67

ehemaliger Hauptfeldwebel

Als Angehöriger der Generation, die um ihre Jugend betrogen worden ist und die -- im Gegensatz zu Herrn Pokatzky, der nur den satten Wohlstand langer Friedensjahre kennengelernt hat -- tatsächlich die Hypothek der NS-Vergangenheit abtragen mußte, verwahre ich mich entschieden dagegen, daß Herr Pokatzky die Bundesrepublik Deutschland als »diesen Staat der Gesinnungsschnüffelei« bezeichnet.

Frankfurt WOLFGANG BUSCH

Sie sollten, lieber Klaus Pokatzky, wissen, daß es auch Angehörige älterer Generationen gibt, die jedes Ihrer Worte unterschreiben.

Griesheim (Hessen) WOLFGANG SCHAAF, 68

Entsetzlich, daß solche Typen wie Carstens, Strauß unser Volk repräsentieren wollen! Pokatzky: Dank Dir, mach so weiter!

Wiesbaden GERHARD BAUER, 26

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