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WERBUNG / FORD Sekt mit Trauerflor

aus DER SPIEGEL 18/1969

Bevor die Mitarbeiter der Düsseldorf er Filiale der Schweizer Agentur Gerstner, Gredinger + Kutter (GGK) am Freitag vorletzter Woche nach Hause gingen, ließ ihnen Karl Gerstner Sekt »Fürst von Metternich« servieren. Um den Flaschenhals drapierter Trauerflor signalisierte den Angestellten eine schlechte Nachricht: GGKs größter Kunde, die Ford-Werke AG in Köln, will der Werbefirma den Zwanzig-Millionen-Etat entziehen.

Die Werbe-Ehe zwischen »den Kölner Ford-Werken und dem Werbetrio aus Basel dauerte nur zwei Jahre. Sie begann im Krisenjahr 1967, als der Ford-Umsatz binnen weniger Monate um 17 Prozent gesunken war. Damals hatten die nervös gewordenen Ford-Manager ihre Werbeagentur, die deutsche Filiale des amerikanischen Werbekonzerns J. Walter Thompson, für den Mißerfolg mitverantwortlich gemacht und kurzerhand gefeuert. Den Thompson-Werbern hatte es nichts genützt, daß Mutter Thompson in den USA schon seit 25 Jahren mit Ford in trauter Werbe-Ehe lebte und andere Thompson-Ableger mit ausländischen Ford-Töchtern erfolgreich zusammenarbeiteten.

Von dem Schweizer Werbetrio erwarteten die Ford-Bosse am Rhein neue verkaufsfördernde Ideen, mit denen sie die Talfahrt zu bremsen hofften. Die Werber aus der Basler Augustinergasse hatten sich in Westdeutschland ·seit Mitte der 60er Jahre als Spezialisten für ausgefallene Ideen einen Namen gemacht. .So ersannen sie für ihre Auftraggeber das Söhnlein von Söhnlein-Sekt, lateinische Audi-Anzeigen und Wodka-Inserate auf russisch.

Freilich mußte sich GGK wegen des Ford-Etats von ihrem alten Kunden Auto Union trennen. Nur ungern sahen die Audi-Manager ihre erfolgreiche Werbemannschaft die Front wechseln. Mehrmals warnten sie die Eidgenossen vor dem Abenteuer mit den Amerikanern.

Als die GGK-Chefs mit ihrer Unterschrift unter den Ford-Vertrag zögerten, machten ihnen der damalige Generaldirektor Robert Layton und sein späterer Nachfolger im Amt, Max Ueber, eine großzügige Offerte: Obwohl Ford mit seinen Lieferanten grundsätzlich nur Jahresverträge abschließt, stellten sie ihnen eine langjährige Zusammenarbeit in Aussicht.

Um den Kölner Großkunden gut bedienen zu können, eröffneten die Schweizer eigens in der Düsseldorfer Immermannstraße eine Dependance, in der bald ein halbes Hundert Experten an der Ford-Werbung werkelten.

Die Zusammenarbeit des GGK-Teams stand indes von Anfang an unter keinem guten Stern, denn die erhoffte Umsatzsteigerung blieb zunächst aus. Schuld daran war nicht die GGK- Werbung. Ihre Anzeigen zählten zu den besten der Branche. Bei einer Emnid-Umfrage wurden 1968 beispielsweise die Schweizer Ford-Inserate als Jahresbeste eingestuft. Die Absatzflaute ging vielmehr auf das Konto einer verfehlten Modellpolitik. So fragte die Hamburger »Welt« Mitte März 1968: »Hat Ford am deutschen Markt vorbeiproduziert?«

Die ohnehin schwierige Zusammenarbeit mit dem Ford-Management verschlechterte sich noch durch die Gründung einer europäischen Ford-Zentrale in Warley bei London. Die Bosse im englischen Hauptquartier beschnitten die Autonomie der nationalen Ford-Gesellschaften und bestimmten den Kurs von Produktion, Verkauf und Werbung. Ergebnis: Die Schweizer mußten ihre Entwürfe nicht nur in Köln, sondern auch in England vorzeigen.

Fords Europa-Verkaufschef, Edgar Molina, fand aber wenig Gefallen an den peppigen Ideen der Eidgenossen. Das zeigte sich vor allem bei der Werbung für das von der Europa-Zentrale konzipierte Capri-Automobil. Die Anzeigen von GGK wurden ebenso abgelehnt wie die Vorschläge einer englischen Werbefirma. Molina entschied sich vielmehr für eine Kampagne der englischen Thompson-Filiale, deren Chef Molinas Grundstücksnachbar ist. Kontaktmann Gerstner begann zu begreifen, »daß wir nicht auf der gleichen Wellenlänge funken«.

Auch in den Monaten danach vermochte sich Gerstner immer weniger gegen die amerikanische Kumpanei durchzusetzen. »Wir wurden von ihnen schließlich als lästige Eindringlinge betrachtet« (Gerstner). Überdies verloren die Basler in der Kölner Ford-Zentrale ihre Protektoren: Bob Layton räumte Sommer 1967 seinen Chef-Sessel, und am 28. Februar dieses Jahres ging sein Nachfolger, Max Ueber, in Pension. Wegen »konzeptioneller Unstimmigkeiten« quittierte auch Ford-Werbeleiter Hans Berlin seinen Dienst.

In den letzten Monaten gaben die Amerikaner Karl Gerstner, der mit seinen programmierten Bildern internationalen Künstlerruhm genießt, diskret zu verstehen, daß sie ab 1. Januar nächsten Jahres nur noch mit einer Agentur in Europa zusammenarbeiten wollen. Für Eingeweihte gibt es keinen Zweifel, wer diese Werbefirma sein wird: J. Walter Thompson, die zweitgrößte Agentur der Welt. Daß die Frankfurter Thompson-Filiale binnen zwei Jahren den fetten Ford-Etat zurückbekommt, .hatten die Kenner der amerikanischen Mentalität ("Amerikaner kaufen bei Amerikanern") schon bei dem Etat-Wechsel vorausgesagt.

Für GGK war der Abstecher in die Werbung amerikanischer Konzerne ein teures Experiment. Sie verlieren mit dem Ford-Etat auf einen Schlag fast die Hälfte ihres Umsatzes. Die Düsseldorfer Mitarbeiter, von denen jetzt viele Kündigungsbriefe »bekommen werden, sind indes froh, den Launen des amerikanischen Auftraggebers entkommen zu sein. Gerstner: »Nachdem ich Fords bevorstehende Kündigung bekanntgegeben hatte, wurde es noch ein lustiger Abend. Wir fühlten uns alle irgendwie von einem Alpdruck befreit.«

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