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Hermann Schreiber SENATOR-SERVICE

aus DER SPIEGEL 18/1964

Wohlversehen mit der amtlichen

Ermahnung, doch auf alle Fälle Gerätschaften für die Naßrasur bei sich zu führen, sind am vergangenen Donnerstag Josef Maier und Max Müller von Bonn nach Südamerika aufgebrochen.

Solcherart gegen lokale Stromschwankungen gesichert, obliegt es dort dem Kriminalobermeister Maier und dem Kriminalhauptmeister Müller, bedrohliche Temperamentschwankungen der eingeborenen Bevölkerung abzuwehren.

Der Reisegesellschaft gehören ferner die Kriminalobermeister Bloche, Budwerth und Eickenbrock an. Ihr Amt ist ebenfalls die Sicherheit, nämlich die Sicherheit des gemeinschaftlich benutzten Flugzeugs: einer von der Deutschen Lufthansa vorübergehend aus dem Linienverkehr gezogenen und durchgehend auf »Senator«-Service umgerüsteten Boeing 707 namens »Berlin«.

Wer das für übertriebene Vorsicht hält, möge sich von einem Zwischenfall belehren lassen, der sich in Beirut ereignet hat. Dort hatten die damals amtierenden Aufpasser einen plötzlich in die Maschine einbrechenden Schwarm libanesischer Raumpflegerinnen erst dann unter Kontrolle gebracht, als der Photoapparat des einen Düsenwächters bereits geklaut war.

Damit war die Sicherheit des Flugzeugs nicht mehr gewährleistet. Denn wenn eine Kamera unbemerkt entfernt werden kann, dann kann natürlich auch eine Bombe unbemerkt angebracht werden. Sollten sich dergleichen Malheurs auf dem lateinamerikanischen Subkontinent wiederholen, so würde dem Leitenden Regierungskriminaldirektor Dr. Ernst Brückner, der am Donnerstag vergangener Woche ebenfalls die Reise nach Südamerika angetreten hat, gewiß wieder nichts anderes übrigbleiben, als sich auf den selbstlosen Einsatz seines Piloten zu verlassen.

Der wackere Schwabe Werner Utter, Lufthansas repräsentativer Flugkapitän und auch jetzt wieder Kommandant der »Berlin«, war damals nämlich zu einem »Werkstattflug« aufgestiegen. Und erst nachdem der Riesenvogel Utters Sturzflugeskapaden ohne Explosion überstanden hatte, fand auch Sicherheitschef Brückner, daß wohl doch keine Bombe an Bord sei.

Weil sich aber längst nicht allen Fährnissen der Ferne nur mit kerniger Männlichkeit und entschlossenem Mut vorbeugen läßt, ist am Donnerstag vergangener Woche auch der Medizin-Professor Dr. Rene Schubert aus Nürnberg nach Südamerika aufgebrochen. Seine Aufgabe besteht darin, überall dort noch eine blitztherapeutische Geheimwaffe aus dem Ärmel zu zaubern, wo sowohl die vorgeschriebenen Impfungen gegen Typhus, Paratyphus, Gelbfieber und Pocken als auch die vorsorglich und in großer Zahl mitgeführten Flit-Spritzen, Sonnenschutzcremes und Chlortabletten nichts gefruchtet haben.

Daß er seinen ärztlichen Beistand aus dem Ärmel zaubere, ist übrigens beinah wörtlich zu nehmen. Denn der Professor hat eine ungemein gewinnende Art, bei festlichen Versammlungen seiner Schutzbefohlenen den Graulemann mit dem Wunderdoktor zu verbinden, indem er aus den verborgenen Taschen seiner Gesellschaftskleidung immer mehr und mehr Bestecke, Spritzen und Medikamente zur Bekämpfung akuter Notstände hervorkramt - von der Nierenkolik bis hin zum Biß der grünen und der schwarzen Mamba. Damit aber auch in solch kritischen Lebenslagen der gute Ton vernehmlich bleibe, ist am Donnerstag der vergangenen Woche schließlich noch der Vortragende Legationsrat Erster Klasse Ehrenfried von Holleben nach Südamerika abgeflogen.

Wie tief sein Bemühen zumindest in den Bereich der Bonner Ämter eingedrungen ist, läßt sich an der bewundernswert korrekten Haltung jenes amtlichen Reisebegleiters ermessen, der früher einmal während eines jähen Massenunwohlseins den bereits erwähnten Professor zu Hilfe holen wollte, obwohl dieser selbst gerade von tropischer Übelkeit befallen war. »Verzeihen Sie bitte«, sagte der Mann da bleich, doch tadellos, »auf welcher Toilette erbricht Herr Professor Schubert?«

Ehrenfried von Hollebens Amt ist das Protokoll, und Protokoll bedeutet ihm, nach eigenem Zeugnis, »Lebenshilfe«. Worunter man diesen Falles also nicht bloß die Einsatzzeichen für die Tischreden oder eine Aufklärung darüber zu verstehen hat, wann ein dunkler, wann ein dunklerer und wann ein heller Straßenanzug zu tragen sei.

Denn es handelt sich bei den hier geschilderten Reisevorkehrungen ja ohnehin nicht um eitlen Selbstzweck und unnützen Firlefanz, sondern um die sozusagen minimalen Zurüstungen eines politisch hochbedeutsamen Ereignisses.

Am Donnerstag der vergangenen Woche nämlich ist Bundespräsident Lübke, begleitet von Bundesaußenminister Schröder, zu vier Staatsbesuchen nach Südamerika aufgebrochen.

P. S. Für die persönliche Sicherheit des Bundesaußenministers sorgt Kriminalobermeister Theo Böhm.

von Holleben

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