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Shopping und Spiele

aus DER SPIEGEL 34/1995

In den Online-Diensten sehen viele Branchenkenner das Medium der Zukunft: Sie bringen über einen PC, der per Modem an das Telefonnetz angeschlossen wird, Informationen und Dienstleistungen aus aller Welt ins Haus.

Schon jetzt ist der Markt in Deutschland gut besetzt: 850 000 Kunden tätigen auf dem früheren Bildschirmtext der Telekom (demnächst: T-Online) meist Bankgeschäfte; der US-Anbieter Compuserve, auf dem auch Presseobjekte wie der SPIEGEL vertreten sind, bietet Diskussionsforen und Informationen. Und auch das weltweit gewaltig expandierende Internet, ein noch nicht kommerzielles Netzwerk von Unternehmen und Universitäten, findet in Deutschland immer mehr Anhänger.

Nun wollen auch die großen Konzerne in das zukunftsträchtige Geschäft einsteigen. In Deutschland bauen die Verlage Bertelsmann und Burda eigene Dienste auf, von den USA aus versucht der Software-Unternehmer Bill Gates (Microsoft) den Weltmarkt zu erobern.

Der Medienriese Bertelsmann will seinen Online-Dienst im Herbst starten und via Computer junge Familien mit elektronischer Unterhaltung versorgen. Geplant sind Spiele, Teleshopping, Gesprächsforen, Auszüge aus Zeitschriften und Lexika sowie spezielle Dienstleistungen, etwa für Geldgeschäfte oder Reisebuchungen. Sogar Online-Klassenräume mit professionellen Lehrern soll es geben.

Zeitgleich mit Bertelsmann will der Münchner Verleger Hubert Burda (Bunte, Focus) zusammen mit Partnern Europe Online auf den Markt bringen. Bis zur Jahrtausendwende will er, so wie Bertelsmann, eine Million Mitglieder erreichen.

Bei Burda sollen 50 Mitarbeiter der Online-Redaktion Stoffe in zwölf Ressorts, von Wirtschaft bis Sport, anbieten. Eine 15köpfige externe Nachrichtenredaktion will noch aktueller sein als das Inforadio Bayern 5, das viertelstündlich seine News verbreitet. Einen Teil steuert wohl der Axel Springer Verlag bei, der diese Woche Anteile von Europe Online übernehmen will. Dafür steigt womöglich das englische Verlagshaus Pearson (Financial Times) aus.

Die ehrgeizigen deutschen Wettstreiter hoffen auf ähnliche Wachstumsraten wie die amerikanischen Online-Dienste. Dort verzehnfachte America Online seine Abonnentenzahl innerhalb zweier Jahre auf drei Millionen. Hauptgrund: eine Reihe von Gesprächsforen, etwa mit Golfern, Esoterikern, Schwulen und Lesben.

Nun wartet die ganze Branche auf Bill Gates, dessen Konzern Microsoft den Weltmarkt für Computer-Software beherrscht. Sein eigener Online-Dienst, der in Kürze starten wird, läßt sich ganz leicht über Microsofts neues Programm Windows 95 anklicken.

Diese Verbindung zwischen Software und elektronischer Verlegerei beschäftigt die Kartellwächter in den USA und in Europa. Sie fürchten Diskriminierungen der Wettbewerber.

Gates, schimpft Bertelsmann-Manager Thomas Middelhoff, beginne Medieninhalte aufzukaufen und könne so eine »Gefahr für alle Verlagsunternehmen« werden. Beim CNN-Chef Ted Turner etwa will der Software-Tycoon ein bis zwei Milliarden Dollar investieren, im Gegenzug sollen CNN-Inhalte in das Microsoft-Netz einfließen. Freiwillig jedoch haben sich bereits 70 Printfirmen mit Gates eingelassen, in Deutschland etwa die Schulbuchverlage Klett und Cornelsen.

Die Nachfrage in Deutschland wird sich allerdings noch einige Zeit in engen Grenzen halten: Erst vier Prozent der deutschen Haushalte haben einen PC, der sich mit dem Telefonnetz verbinden läßt.

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