Zur Ausgabe
Artikel 54 / 85

»Sie werden gewinnen, aber nicht siegen«

Vor fünfzig Jahren begann der Spanische Bürgerkrieg (II) / Von SPIEGEL-Redakteur Siegfried Kogelfranz *
Von Siegfried Kogelfranz
aus DER SPIEGEL 30/1986

Spaniens Nachbarn stürzte der plötzliche Ausbruch des Bürgerkriegs in einen Schock, Frankreich, wo der Sozialist Leon Blum mit einer linken Volksfront regierte, hatte mit dem nationalsozialistischen Deutschland und dem faschistischen Italien bereits zwei feindliche Mächte an seiner Ost- und Südostgrenze. Ein faschistisches Spanien bedeutete zusätzliche gefahr an der Südgrenze.

Italiens ebenso ruhmsüchtiger wie tatendurstiger Duce Benito Mussolini sah nicht nur die Adria als »mare nostrum«, sein Meer, er wollte am liebsten das ganze Mittelmeer zur italienischen Binnensee machen. Was Wunder, daß ihn die Aussicht auf ein faschistisches Spanien elektrisierte.

Warum in aller Welt aber wollte Adolf Hitler, der mit der riskanten Rheinlandbesetzung nach eigenem Bekenntnis gerade »die aufregendste Zeit meines Lebens« hinter sich hatte und das Reich nun auf die Glanznummer der Olympischen Spiele in Berlin vorbereitete, unbedingt im spanischen Bruderkrieg mitschießen?

Die Geschichte, wie es buchstäblich über Nacht zur kriegsentscheidenden deutschen Intervention in Spanien kam, ist so abenteuerlich wie banal. Die Hauptrolle spielte der Zufall - und ein abgewirtschafteter deutscher Kaufmann im Araberviertel von Tetuan, der Hauptstadt Spanisch-Marokkos. Falls denn Geschichte von Männern gemacht wird, dann wurde sie damals von einem Männchen gemacht.

Johannes Bernhardt aus dem ostpreußischen Osterode hatte sich vom Weltkrieg-I-Leutnant zum Zuckerhändler und Börsenmakler in Hamburg gemausert. In der Weltwirtschaftskrise war er pleitegegangen und setzte sich vor seinen Gläubigern nach Spanisch-Marokko ab.

In Tetuan verkaufte er Herde an spanische Garnisonsküchen. Der Weltkriegsveteran konnte gut mit den Offizieren der Fremdenlegion und der spanisch-marokkanischen Regulares, bei denen »Juan« als stets spendabler Kamerad galt.

1933 trat er mit der Mitgliedsnummer 1.572.819 der NSDAP bei, deren »Landesgruppe Spanisch-Marokko« damals ganze 30 Mitglieder zählte. Er wurde Pressewart. Durch eine Laune der Geschichte war der Niemand Bernhardt plötzlich der richtige Mann zur richtigen Zeit am richtigen Ort.

Am 17. Juli hatte sich Spaniens Afrikaarmee fast vollzählig gegen die Regierung in Madrid erhoben, sie konnte aber nicht in die im Mutterland ausgebrochenen Kämpfe eingreifen.

Die Matrosen der spanischen Kriegsmarine hatten fast alle Offiziere erschossen und waren der Republik treugeblieben. Die Kriegsschiffe patrouillierten unter dem Kommando von Matrosenräten in der Meerenge zwischen Nordafrika und Spanien. Transportflugzeuge aber besaßen die Putschisten nicht.

General Franco und seine Mitverschwörer in Spanien versuchten verzweifelt. Flugzeuge für den Truppentransport von Marokko nach Südspanien aufzutreiben. Als Verbündete boten sich das nationalsozialistische Deutschland und das faschistische Italien an.

Doch das Auswärtige Amt in Berlin reagierte auf Hilfsdepeschen aus diversen Konsulaten auf spanischem Boden nicht. Es sah offenbar keinen Sinn darin, das Reich in innerspanische Händel zu verwickeln, zumal der deutsche Botschaftsrat Schwendemann aus Madrid kabelte, es sei »schwer, an einen Sieg der Rebellen zu glauben«.

Franco ließ sogar die Briten um »Flugzeuge und Material für das nichtmarxistische spanische Heer bitten. Eine Antwort blieb aus. Der Putschgeneral sah seine Träume von Sieg, Ruhm und Größe bereits zerrinnen. Da erinnerte sich Oberst Saenz de Buruaga, Kommandeur _(In Bayreuth 1936. )

der »Regulares de Tetuan«, seines Kumpans Juan.

Er brachte Bernhardt zu Franco. Der erhielt zur gleichen Zeit die Nachricht, daß die Putschisten auf Gran Canaria die Ju 52 Max von Müller der deutschen Lufthansa beschlagnahmt hatten und sie nach Tetuan schicken würden. Franco fragte Bernhardt, ob er mit der gekaperten Ju nach Berlin fliegen würde, um der Reichsregierung seinen Hilferuf zu überbringen.

Bernhardt sagte ja - obwohl er in Berlin keinen Menschen kannte, geschweige denn einen Politiker mit Einfluß. Er fragte Franco, womit er die benötigten Maschinen bezahlen würde. Der Spanier verwies auf die Goldreserven seines Landes - doch die lagerten in den Tresoren der Regierung in Madrid. In den Kassen des »Banco de Espana« von Tetuan, die Franco plündern konnte, lagen ganze zwölf Millionen Peseten, nach damaligen Wert etwa vier Millionen Reichsmark.

Dennoch entschloß sich Bernhardt zu der Mission. Er nahm den Ortsgruppenleiter der NSDAP in Tetuan. Adolf Langenheim, und den spanischen Luftwaffenhauptmann Francisco Arranz als persönlichen Abgesandten Francos mit - und einen Bittbrief, den Franco mit der Hand an Adolf Hitler geschrieben hatte.

Darin bat der General, dessen Verbindung zu Deutschland sich auf einen kurzen Besuch der Dresdner Infanterieschule in den zwanziger Jahren beschränkte »Euer Exzellenz« um Hilfe »im Kampf gegen die korrupte Demokratie und gegen die zerstörerischen Kräfte des Kommunismus, die unter dem Befehl Rußlands organisiert sind«.

Im einzelnen ersuchte Franco um »10 Transportflugzeuge mit größtmöglicher Kapazität. 20 Flugabwehrgeschütze von 20 mm, 6 Jagdflugzeuge Heinkel, Maschinengewehre und Gewehre in größtmöglicher Menge sowie reichlich dazugehörige Munition, ferner Fliegerbomben verschiedenen Typs bis zu 500 kg«.

Er unterzeichnete mit »Francisco Franco Bahamonde, Oberbefehlshaber der Streitkräfte in Spanisch-Marokko«.

Am 25. Juli meldeten sich die Franco-Emissäre bei der Auslandsorganisation der NSDAP im Berliner Tiergarten. Gauleiter Ernst Wilhelm Bohle leitete die unangemeldete Delegation an den Stellvertreter des Führers, Rudolf Heß, weiter. Der ließ sie im Dienstflugzeug auf seinen Landsitz in Thüringen bringen.

Heß hörte sich Bernhardt an und überraschte den PG aus Tetuan mit der Mitteilung, daß ihn noch am gleichen Abend der Führer selbst empfangen werde. Heß hatte Hitler, der sich zu den Wagner-Festspielen in Bayreuth aufhielt, aus einer Aufführung der »Walküre holen lassen - und der Führer hatte am Telephon befohlen. Francos Sendlinge sollten »sofort herkommen«.

Kurz nach 22 Uhr stand der unbekannte Parteigenosse Bernhardt in der Wagner-Villa »Haus Wahnfried« vor seinem Führer. Er übergab Hitler den Brief Francos und übersetzte ihn.

Hitler fragte, wer denn dieser Franco eigentlich sei und über welche Mittel er verfüge. Bernhardt schilderte Francos Militär-Karriere und sprach von den zwölf Millionen Peseten in Tetuan. Darauf Hitler entsetzt: »Aber mit so wenig Geld kann man doch keinen Krieg anfangen!« Dennoch entschied er sofort, Franco zu helfen: »Deutschland kann auf diese Weise seine Dankbarkeit für die Neutralität Spaniens im Weltkrieg und dessen stets vornehme Haltung gegenüber Deutschland zum Ausdruck bringen.«

Dann, es war unterdessen Mitternacht geworden, ließ er den Luftwaffenchef Hermann Göring und den Kriegsminister Blomberg rufen, die beide ebenfalls in Bayreuth waren. Er informierte sie über seinen Beschluß, Franco zu helfen, und verlangte, da höchste Eile geboten war, sofort in die Details zu gehen. Das

Unternehmen erhielt nach dem Schluß der »Walküre«, dem die Größen des Reiches eben applaudiert hatten, den Kodenamen »Unternehmen Feuerzauber«. Es ging nun um schnellste Lieferung der Flugzeuge. Hitler begeisterte sich an der Idee, daß erstmals in der Kriegsgeschichte eine ganze Armee auf dem Luftweg zum Schlachtfeld transportiert werden sollte. Er ernannte Göring zum Alleinverantwortlichen für das Unternehmen.

Um 1.30 Uhr morgens am 26. Juli war das Gespräch beendet. Bernhardt hatte das Versprechen Hitlers, daß nicht nur die erbetenen 10, sondern gleich 20 Transportflugzeuge nach Marokko geschickt wurden, und daß alle künftige Hilfe allein an Franco gehen solle - und das auf Kredit.

»Todo va bien«, »alles läuft gut«, telegraphierte ein begeisterter Bernhardt an Franco - dem er schon am 28. Juli in Marokko persönlich wieder gegenüberstand, um seine frohen Botschaften zu übermitteln. Der General griff mit beiden Händen nach Bernhardts Rechter und stammelte mit Tränen in den Augen: »Danke, das werde ich nie vergessen!«

Zu dieser Stunde flog die Lufthansa-Ju-52, die Bernhardt nach Tetuan gebracht hatte, bereits hoch über Gibraltar auf Kurs Sevilla. An Bord hatte die für 18 Passagiere eingerichtete Maschine 41 marokkanische Regulares mit voller Kampfausrüstung.

Nur drei Tage später trafen die ersten drei von Göring bereitgestellten Ju 52 im Direktflug aus Deutschland ein, die übrigen folgten im Abstand von wenigen Tagen.

Die erste Luftbrücke der Geschichte flog binnen weniger Wochen 13528 Soldaten und 270 Tonnen Kriegsmaterial über die Meerenge nach Spanien. Hitler wird später darüber sagen, Franco sollte der Ju 52 ein Denkmal setzen. »Ohne die deutsche und italienische Intervention hätte Franco nicht siegen können« urteilte auch Bürgerkriegs-Beobachter Willy Brandt. Ohne diesen Beistand hätte Franco seinen Krieg gar nicht erst beginnen können.

Der General selbst flog am 6. August nach Sevilla. Er befahl der Afrika-Armee den Vormarsch nach Norden, Vereinigung mit den Rebellen unter General Mola und einen gemeinsamen Angriff auf Madrid.

Die Leitung der Operation hatte Oberst Yagüe von der Fremdenlegion der aus Marokko einen Ruf als ebenso tapferer wie grausamer Haudegen hatte. Seine Truppen durften morden, plündern, vergewaltigen, solange sie bedingungslos gehorchten und sich in mörderischen Angriffen verheizen ließen - getreu dem Wahlspruch der Legion »Es lebe der Tod«.

Auf Lastwagen ratterten die Legionäre und Regulares gen Norden. Widerstand örtlicher Milizen brachen sie mit äußerster Brutalität. Dörfer wurden bombardiert oder mit Artillerie beschossen, die Bewohner dann über Lautsprecher aufgefordert, weiße Fahnen zu hissen und alle Haustüren zu öffnen.

Dann wüteten die Moros. Wer der Republik gedient hatte, eine Waffe trug oder versteckt hatte, wurde auf der Stelle erschossen. Junge Männer mußten ihr Hemd ausziehen. Wenn sie Druckstellen an der Schulter hatten, galten sie als überführt, ein Gewehr getragen oder abgefeuert zu haben, und starben ebenfalls unter den Kugeln von Erschießungskommandos.

Auch Massenvergewaltigungen wurden von oben gebilligt. Rundfunkgeneral Queipo de Llano hetzte schon am 23. Juli über Radio Sevilla: »Unsere tapferen Legionäre und Regulares haben den roten Feiglingen gezeigt, was es heißt, ein Mann zu sein. Und das haben sie auch den Frauen der Roten gezeigt. Das habt ihr Kommunisten und Anarchisten von eurer Doktrin der freien Liebe - müssen eure Frauen nicht darauf gefaßt sein, dem ersten besten zu gehören?«

Zu den schlimmsten Greueln im ganzen Bürgerkrieg kam es, als Yagües Soldateska nach über 300 Kilometern Blitzkrieg am 14. August die Stadt Badajoz nahe der portugiesischen Grenze erreichte. Sie wurde von 8000 Milizionären verteidigt.

Von der ersten Angriffskompanie der Legion, die mit »Viva la muerte«-Rufen gegen die befestigten Stadtmauern anrannte, überlebten nur ein Offizier und 15 Mann. Doch dann drangen Yagües Männer von einer anderen Seite in die Stadt ein und machten alles nieder, was sich bewegte.

Gefangene wurden in die Stierkampfarena getrieben und dort erschossen. Die Morde dauerten eine Woche lang, denn Republikaner, die ins Nachbarland

flüchten wollten, wurden von den portugiesischen Grenzern zurückgewiesen.

Als ein amerikanischer Reporter Yagüe nach dem Grund für die Massaker fragte, denen mindestens 1800 Menschen zum Opfer fielen, antwortete der Oberst: »Sollte ich Tausende Gefangene bis Madrid mitschleppen oder Badajoz wieder den Roten in die Hände fallen lassen?«

Wer seine Stimme gegen die Greuel erhob riskierte sein Leben. Spaniens großer Dichter Federico Garcia Lorca wurde vom Putsch in Granada überrascht. Der überzeugte Republikaner hatte guten Grund, die Faschisten zu fürchten. Er hatte einst über die Guardia Civil gedichtet: »Ihre Schädel sind aus Blei, darum weinen sie auch nie. Ihre Seelen sind aus Lack, damit kommen auf der Straße über Land sie geritten.

Der Poet suchte Zuflucht im Hause des Dichterkollegen Luis Rosales, dessen Brüder Falangisten waren. Mitglieder der »Schwarzen Schwadron«, eines faschistischen Rollkommandos, holten Garcia Lorca aus seinem Versteck. Am 19. August erschossen sie den Dichter in einer Schlucht etwa 10 Kilometer außerhalb der Stadt.

Yagües, Vormarsch gegen die Hauptstadt ging zügig weiter. Am 3. September eroberte er Talavera de la Reina, die letzte größere Stadt vor Madrid. Die zehntausend Milizionäre, die Talavera verteidigen sollten, stoben vor den mörderischen Moros in wilder Flucht davon.

Die freiwilligen Amateursoldaten hatten keine Führung, keine Ausbildung, kaum Waffen. Der Brite George Orwell, damals 33 und noch niemandem bekannt, schilderte, wie er als Milizionär mit einem Mausergewehr von 1896, von dem er nicht wußte, wie es funktionierte, in den Krieg geschickt wurde:

»Wir latschten zusammenhangloser durch die Gegend als eine Schafherde Gut die Hälfte der sogenannten Männer waren Kinder von höchstens 16. Die Gewehre schmierten wir mit Olivenöl, wenn wir gerade welches hatten.« Die Milizionäre wußten nicht nur nicht, wo und wie man Schützengräben ausheben sollte, sie wollten es auch nicht, es entsprach nicht ihrer Kampfeswürde. Wenn sie keine Lust mehr hatten, Krieg zu führen, oder sich nach ihren Familien sehnten, gingen sie nach Hause. Immerhin bekamen sie zu Beginn des Krieges 10 Peseten Sold pro Tag - und waren damit die reichsten Rekruten Europas.

Während Yagüe auf Madrid marschierte, drang General Mola ins Baskenland ein. In einem vierwöchigen Feldzug schnitt er die republiktreuen Nordprovinzen von der französischen Grenze ab.

Zum großen Heldenepos der Faschisten im Bürgerkrieg aber geriet der Kampf um den Alcazar von Toledo.

In Toledo hatte der Kommandeur Oberst Jose Moscardo gegen die Regierung geputscht. Die schickte einen bunten Haufen von Soldaten, Polizisten und Milizionären unter dem Kommando von General Manuel Riquelme in Taxen und Lastwagen in die ummauerte Stadt am Tajo.

Moscardo zog sich in den Alcazar zurück, das mächtige Fort über der Stadt. Es diente damals als Infanterie-Offizierschule (auch Franco hatte dort gelernt) und war mit Waffen reich bestückt.

Moscardo kommandierte in der Festung rund 1200 Mann - Guardia Civil, Offiziere, Falangisten und Kadetten. Er hatte außerdem 500 Zivilisten, darunter Nonnen und 200 Kinder, und über 100 Linke als Geiseln mitgenommen. Am Morgen des 21. Juli erklärte er der Regierung vom Alcazar aus den Krieg.

Moscardo lehnte alle Übergabe-Forderungen Riquelmes grob ab: »Es wäre unehrenhaft, wenn sich Caballeros Ihrem roten Pöbel ergeben würden.«

Daraufhin nahmen die Republikaner Moscardos 24jährigen Sohn Luis fest. Der rote Rechtsanwalt Candido Cabello rief den rebellischen Obristen an. Der Wortlaut des Telephongesprächs galt fortan als Helden-Legende der Falangisten und wird bis heute in dem von Franco zu einem Tempel des Ruhmes hergerichteten Alcazar in nahezu allen Sprachen der Welt bewahrt: _____« Cabello: »Sie sind verantwortlich für alle Verbrechen » _____« und für alles, was in Toledo geschieht. Ich gebe Ihnen » _____« zehn Minuten Bedenkzeit. Ergeben Sie sich nicht, so werde » _____« ich Ihren Sohn Luis, der hier neben mir steht, erschießen » _____« lassen. Damit Sie sich selbst überzeugen können, werde » _____« ich Ihren Sohn mit Ihnen sprechen lassen.« » _____« Luis: »Papa!« » _____« Moscardo: »Was ist passiert mein Sohn?« » _____« Luis: »Nichts. Sie werden mich erschie ßen, wenn sich » _____« der Alcazar nicht ergibt. Aber mach dir keine Sorgen um » _____« mich.« » _____« Moscardo: »Wenn das wahr ist, dann vertraue deine » _____« Seele Gott an, ruf ''Viva Espana'' und stirb wie ein Held. » _____« Auf Wie dersehen, mein Sohn, ich küsse dich.« » _____« Luis: »Auf Wiedersehen, Vater, und einen ganz großen » _____« Kuß.« » _____« Moscardo zu Cabello: »Vergessen Sie die Frist, die » _____« Sie mir gaben. Der Alcazar wird sich nie ergeben!« »

Luis kam in den Kerker. Er wurde einen Monat später erschossen. Ein anderer Sohn Moscardos, Pepe, starb in Barcelona unter den Kugeln eines Pelotons.

Der Alcazar wehrte die wütenden Angriffe der Belagerer ab, die schließlich 5000 Mann zählten. Er wuchs weit über seine militärische Bedeutung zu einem Symbol, um das beide Seiten mit größter Erbitterung kämpften. Riquelme erhielt aus Madrid den Befehl, die Festung notfalls Stein für Stein zu zerbomben und Moscardo auszuräuchern. Das Durchhalten der Belagerten spornte die Putschisten bei ihrem Vormarsch an.

Die Belagerer versuchten es mit Bomben, Tränengas, brennendem Benzin und Granaten der schwersten Geschütze, über die Madrid verfügte, 155-Millimeter-Haubitzen. Nichts aber konnte die mittelalterlichen Felsgewölbe zerstören.

Als die Festung nach über einem Monat noch immer aushielt, telegraphierte die sozialistische Abgeordnete Margarita Nelken an asturische Bergleute: »Ich brauche Euch. Wir müssen den Alcazar in die Luft sprengen.«

Die Asturier trieben mehrere Tunnel unter die Festung und füllten sie mit fünf Tonnen Dynamit. Am 17. September verkündete die Regierung, am nächsten Tag würde der Alcazar gesprengt werden. Die Altstadt wurde evakuiert. 2500 Milizionäre standen zum Sturm auf die Trümmer bereit. Aus Madrid waren die Korrespondenten und Photographen angereist, keiner wollte das Spektakel versäumen.

Am 18. September 1936, um 6.31 Uhr morgens, explodierte der Alcazar unter infernalischem Getöse. In ganz Toledo schwankte der Boden. Die Stadt verschwand in einer riesigen Rauchwolke.

Als die sich verzog, war die Südwestseite der Festung nur noch ein riesiger Trümmerhaufen. Doch die meterdicken Mauern im Innern hatten standgehalten. Im Fort selbst waren nur fünf Mann getötet worden. Die Besatzung wehrte sich mit fanatischer Verbissenheit. Nach vier Stunden stellten die Republikaner ihren Sturmangriff ein.

Die Vorhut der Afrikaarmee war nur noch 40 Kilometer von Toledo entfernt. Franco befahl, den Alcazar zu entsetzen, selbst wenn dafür der Marsch auf Madrid gestoppt werden müsse.

Am 27. September stürmten die Fremdenlegionäre und Marokkaner Toledo. Sie machten keine Gefangenen. Die

Milizinäre türmten in wilder Flucht. Verwundete Republikaner im San-Juan-Spital wurden von den Moros in ihren Betten mit Bajonetten erstochen. 40 Anarchisten, die sich in einem Priesterseminar verbarrikadiert hatten, zündeten das Gebäude, um nicht den Siegern in die Hände zu fallen, selbst an und verbrannten darin.

Oberst Moscardo meldete seinen Befreiern, daß es »nichts Ungewöhnliches« zu berichten gebe. Er benutzte dabei die in der Soldatensprache übliche Wendung »sin novedad«. Daß er während der Belagerung seine Geiseln erschossen hatte, war ja auch nichts Neues im Bürgerkrieg.

Die Ruine des Alcazar war befreit. Aber die Republik hatte Zeit gewonnen, um die Verteidigung Madrids vorzubereiten. Vier Wochen später begann die blutige Schlacht um die Hauptstadt.

Die als Milizionäre verkleideten Bauern und Arbeiter, die mit Schaufel und Dreschflegel umgehen konnten, aber oft zum erstenmal in ihrem Leben eine Feuerwaffe in der Hand hielten, hatten gegen die schlachterprobten Söldner keine Chance. »Diesen Männern mangelte es nicht an Mut, selbst ihre Feinde haben das nie bestritten«, schrieb der amerikanische Reporter Cox. »Aber dort draußen spürten die Milizsoldaten, daß sie hoffnungslos im Nachteil gegenüber ihren Angreifern waren. Viele von ihnen waren unwissende Bauern, die jedem Auto voll Neugierde nachstarrten, als sei es ein Weltwunder. Und doch mußten sie gegen Panzer kämpfen und Maschinengewehren standhalten.«

Franco hatte keine Zweifel an dem baldigen Fall der Hauptstadt. Er ließ bereits eine große Siegesparade vorbereiten, an deren Spitze er auf einem Schimmel in die Hauptstadt einreiten wollte.

General Mola brüstete sich, er werde demnächst seinen Kaffee im berühmten Cafe Molinero auf Madrids Gran Via trinken. Der Wirt stellte daraufhin unter dem höhnischen Jubel seiner Gäste tagtäglich ein Täßchen Kaffee auf einen für den General reservierten Tisch und ließ es dort kalt werden. Denn Mola kam und kam nicht, obwohl der Kanonendonner von der Front her täglich bedrohlicher wurde.

Das mondäne Madrid, von Hemingway als »Hauptstadt der Welt« gerühmt, bot damals ein unwirkliches Bild. Es war Frontstadt. Milizionäre in abenteuerlichen Uniformen und Waffen fuhren mit städtischen Doppeldeckerbussen zum Stadtrand in den Krieg. Täglich fielen Bomben, immer näher am Zentrum der Stadt, Häuser brannten, auf den Straßen starben Menschen oder wälzten sich in

ihrem Blut: Passanten, die neugierig auf die angreifenden Flugzeuge gestarrt, Hausfrauen, die um Lehensmittel angestanden hatten.

Dennoch erhellten abends üppige Leuchtreklamen wie eh und je die Straßen. Weder Milizionäre, die ihre »Wachgänge« zu allerlei Seitensprüngen nutzten, noch flirtende Senoritas ließen sich das tägliche Flanieren auf den Straßen und Plätzen nehmen. Ohnedies »wurde während der Siesta der Kampf unterbrochen«, so der Historiker und Bürgerkriegsbeobachter Franz Borkenau, »ein Ritual, das man auf beiden Seiten im ganzen Krieg beachtete«. Lokale und Kinos waren voll. Heiteres aus Hollywood war der Schlager der Saison.

Auf den Bürgersteigen verkauften die schwarzgekleideten alten Frauen noch immer Lose für die Staatslotterie. Statt Kruzifixen und Rosenkränzen freilich boten sie Abzeichen mit Hammer und Sichel feil, statt Schildpattkämmen rotschwarze Anarchistenmützen.

Beunruhigt wurden die Hauptstädter, die soviel auf ihre lässige Urbanität hielten, lediglich durch die nicht zu übersehende Invasion eines anderen Spanien, von dem sie sich stets abgeschirmt hatten.

Das Land von weit draußen bat um Aufnahme. Durch die prächtigen Avenidas, seit Jahren schon für Vieh und Pferd gesperrt, ratterten plötzlich wieder eisenberingte Holzräder. Pferdeäpfel verunreinigten die schicken Boulevards der Metropole. Auf den von Gäulen, Mulis oder Ochsen gezogenen Karren saßen wettergegerbte Bauern mit vermummter Familie und Hausrat wie Töpfen, Matratzen, Körben. Bald waren die gepflegten Parks mit Hütten aus Brettern und Lumpen zugedeckt, dazwischen graste Vieh.

Da erst wurde den Madrilenos bewußt, daß der Krieg allen Ernstes an ihre Tore pochte. Endlich hörten sie auf die Parole »Madrid erwache«, begannen Straßenpflaster aufzureißen, damit Barrikaden zu bauen, auf Sirenen zu reagieren, die Fliegeralarm ankündigten.

Und auf die Stimme der kommunistischen Abgeordneten Dolores Ibarruri, genannt »La Pasionaria«, einer baskischen Arbeiterin, die ihnen täglich übers Radio einhämmerte »No pasaran« - »sie werden nicht durchkommen!«

Die Republik erlebte in diesen Wochen eine große Wandlung. In Madrid hatte eine sozialistische Regierung zusammen mit der Gewerkschaft UGT die Macht übernommen. Sie sorgte für Lebensmittelverteilung, belegte die Konten von Falangisten mit Beschlag halbierte alle Mieten, organisierte Milizen. In 2000 Militärschulen lernten 100000 analphabetische Rekruten schreiben und lesen.

Die Sozialisten arbeiteten dabei eng mit der Anarchistengewerkschaft CNT zusammen, ihren früheren Erzfeinden, Firmen wurden verstaatlicht, Genossenschafts-Restaurants eröffnet, in denen die Proletarier gegen Vorlage eines gewerkschaftlichen Gutscheines Menüs satt bekamen. Leihhäuser mußten den Kunden die Pfänder gratis wieder herausrücken und zusperren.

Ein Anarchist wurde Justizminister. Garcia Oliver, selbst als Terrorist mehrmals verurteilt, verkündete wahrhaft Revolutionäres: »Zum erstenmal in Spanien ist ein gewöhnlicher Krimineller nicht ein Feind der Gesellschaft, er muß vielmehr als ihr Opfer angesehen werden.

Linke Jugendorganisationen übernahmen die Gran Pena, den bekanntesten konservativen Klub, als ihr Hauptquartier. Aus dem eleganten Ritz-Hotel wurde ein Militärspital, im Palace-Hotel zogen Waisen ein.

In Barcelona hatten die Anarchisten die Straßenbahn übernommen, die Löhne vereinheitlicht. Sie, die bisher Fabriken zerstört hatten, stampften in Katalonien eine Rüstungsindustrie aus dem Boden. Ein Kino-Kollektiv bewilligte sich sechs Wochen Urlaub.

Am meisten taten die Anarchisten für die Bildung. Binnen eines Jahres verdreifachte sich die Zahl der Schüler in Barcelona - von 34000 auf 116000.

Proletarischer Look war nicht nur in, sondern Pflicht. Eine Krawatte zu tragen konnte als politische Demonstration gedeutet werden und fatale Folgen haben. Die Anarchistenzeitung »Solidaridad Obrera« schmähte den sowjetischen Außenminister Litwinow als »Bourgeois«, weil der einen Hut trug.

Außer der Kathedrale hatten die Arbeiter alle 58 Kirchen von Barcelona niedergebrannt. Die halbfertige »Sagrada Familia« von Gaudi widerstand trotz Unmengen von Benzin, die dabei verschwendet wurden, allen Zündeleien der Anarchisten - sie war aus Zement.

Anarchistenmilizen unter dem berühmten Durruti besetzten halb Aragonien und schufen dort eine Gesellschaft ihrer Art. »Wir werden euch Bolschewisten zeigen, wie man eine Revolution

macht«, prahlte Durruti gegenüber dem »Prawda«-Korrespondenten Kolzow. Dann schafften die Anarchisten auf den Dörfern Geld und privaten Besitz ab. Bars wurden geschlossen, Kaffee wurde als schädliches Genußmittel verboten.

In Barcelona bezog die revolutionärmarxistische Poum, eine sozialutopistische Bewegung, die von der KP abgefallen war und von der bis aufs Messer bekämpft wurde, das Hotel Falcon an den Ramblas. Ihre Führer, Nin, Gorkin, Andrade, Gironella, forderten eine proletarische Räterepublik. Die Poum zog ausländische Linke an. Ein junger Genosse aus Norwegen, der sich Willy Brandt nannte, erlebte Anfang 1937 einige Monate lang den kurzen Sommer der Anarchie in Barcelona.

Im Norden der Halbinsel hatte die Madrider Regierung ebensowenig zu sagen wie bei den Katalanen. Nicht nur das Baskenland, auch Asturien, Santander und Vizcaya verwalteten sich autonom. Jede Region hatte ihr eigenes Geld. Das Selbstwertgefühl der Republikaner kannte kaum noch Grenzen. Die Volksfront von Asturien gab ein Plakat heraus, auf dem von einem roten Spanien aus ein Leuchtturm den Kontinent überstrahlte. Text: »Spanien ist ein Licht für die ganze Welt!«

Das wollten aber auch jene auf der anderen Seite der Front sein, die sie mit vielen Windungen und Löchern, quer durch die Iberische Halbinsel zog. »Wir kämpfen für das Pantheon, für Rom, für Europa, ja für die ganze Welt«, schwelgte der rechte Poet Jose Maria Peman, »wir führen einen Kreuzzug für 20 Jahrhunderte christlicher Zivilisation!«

Zwar kontrollierte die Republik 14 der gut 24 Millionen Einwohner Festlandspaniens, die Rechte nur 10 Millionen, das Land war im Verhältnis zwei Drittel zu einem Drittel geteilt. Aber während die Republik aus vielen Einzelterritorien bestand, gelang es Franco systematisch, Nationalspanien ganz unter seine Knute zu bringen.

Der kleine General aus Galicien hatte vor Beginn der Erhebung in der Hierarchie der Putschisten allenfalls auf Platz sechs gestanden, hinter Sanjurjo und Mola, Goded und anderen ranggleichen Generälen.

Doch seine Afrika-Armee hatte die größten Erfolge errungen. Er bekam die meiste ausländische Hilfe. Und Franco war, verglichen mit Heißspornen wie Queipo, Realist: »Der Kampf mag länger dauern, als die meisten Menschen glauben«, sagte er bereits im August »Aber am Ende werden wir siegen.«

Die Faschisten schworen auf eine neue Fahne. Am 15. August erklärten sie das rotgelbe Monarchistentuch zum neuen Banner Spaniens. Auf dem Balkon des Rathauses von Sevilla küßte Franco die Fahne und rief der frenetisch jubelnden Menge zu: »Dies ist unsere Fahne, auf die wir alle geschworen haben, für die unsere Väter gestorben sind, hundertmal mit Ruhm bedeckt!«

Dann sprach General Millan Astray, der Gründer der Fremdenlegion. Millan Astray war eine der bemerkenswertesten Figuren bei den Nationalisten. Der spindeldürre Offizier hatte für Spanien auf den Philippinen gefochten. Nach Dienst in der französischen Fremdenlegion hatte er das spanische Gegenstück gegründet und mit seinen Legionären auf allen Schlachtfeldern Marokkos gekämpft. Bei Putschbeginn war er in Argentinien gewesen, aber sofort zurückgeeilt.

Der Haudegen war in seinen vielen Scharmützeln arg zusammengeschossen worden: Ihm fehlten ein Auge und ein Arm, mehrere Finger an der verbliebenen Hand.

Nun brüllte er die von ihm erfundene Losung der Legion vom Balkon: »Viva la muerte!« »Es lebe der Tod!«- Und »Laßt die Roten kommen! Tod für sie alle!«

Es gab aber einen Mann im faschistischen Spanien, der es wagte, gegen den idiotischen Schlachtruf Millan Astrays aufzubegehren. Miguel de Unamuno, der greise baskische Philosoph und Rektor der altehrwürdigen Universität von Salamanca, hatte ursprünglich durchaus Sympathien für den Aufstand gezeigt, sogar Geld für »den Kampf der Zivilisation gegen die Tyrannei« gespendet. Dann ekelte ihn jedoch der blutige Terror der Faschisten an. Ihre primitiven Parolen beleidigten seine Intelligenz.

Am 12. Oktober feierte die aufständische Prominenz, die Salamanca als Hauptquartier benutzte (Franco wohnte im Bischöflichen Palais), an der Universität den Jahrestag der Entdeckung Amerikas durch Kolumbus - für die Hispanier damals der »Tag der Rasse«.

Millan Astray nutzte die Gelegenheit zu Ausfällen auf alles, was sich den Faschisten entgegenstellte. Er behauptete, mehr als die Hälfte aller Spanier seien Verbrecher und Hochverräter.

Vor dem Basken Unamuno bezeichnete er Katalonien und das Baskenland als »Krebsgeschwür am Körper der Nation«, die der Faschismus beseitigen werde: »Da das gesunde Fleisch die Erde ist und das kranke Fleisch das Volk, werden

der Faschismus und die Armee das Volk auslöschen und die Erde wieder als das heilige Gut der Nation einsetzen!«

Die Menge tobte »Es lebe del Tod«, reckte den Arm zum Faschistengruß und skandierte »Franco, Franco, Franco!«

Da erhob sich der Rektor. Es wurde totenstill im Saal, als Unamuno zu sprechen begann: _____« Ich werde etwas zu dieser Rede - nennen wir es einmal » _____« so - sagen, die General Millan Astray gehalten hat. » _____« Lassen wir den persönlichen Affront beiseite, den der » _____« jähe Haßausbruch gegen die Basken und Katalanen » _____« darstellt. Ich wurde im baskischen Bilbao geboren... Der » _____« Bischof ist, ob er das nun gern hört oder nicht, ein » _____« Katalane aus Barcelona. » _____« Eben höre ich den sinnlosen Schrei »Es lebe der Tod«. » _____« Und ich, der ich Jahre damit verbracht habe, Paradoxe zu » _____« formulieren, mich stößt dieses seltsame Paradox ab. » _____« Da ich mich zu einer Würdigung des letzten Redners » _____« aufgerufen sehe, kann ich es mir nur so erklären, daß er » _____« es an sich selbst gerichtet hat, an sich selbst, der er » _____« ein Symbol des Todes ist. General Millan Astray ist ein » _____« Krüppel. Unglücklicherweise gibt es heute viel zu viele » _____« Krüppel in Spanien. Und bald werden es noch mehr sein, » _____« wenn uns Gott nicht hilft. » _____« Hier sucht ein Krüppel eine fragwürdige Erleichterung » _____« in der Verkrüppelung seiner Umwelt. General Millan Astray » _____« möchte Spanien neu schaffen nach seinem eigenen Bilde. » _____« Und deshalb wünscht er Spanien verkrüppelt, wie er uns » _____« unzweideutig klargemacht hat. »

Da konnte der so geschmähte General nicht länger an sich halten und brüllte: »Tod der Intelligenz!«

Ein wilder Tumult brach aus. Die Faschisten scharten sich um ihren beleidigten Helden. Andere stellten sich schützend vor den Rektor. Der raffte sich noch mal auf: _____« Dies ist ein Tempel des Verstandes. Sie haben ihn » _____« entheiligt. Sie werden gewinnen, aber Sie werden nicht » _____« siegen. Sie werden gewinnen. weil Sie die nackte Gewalt » _____« besitzen, aber sie werden nicht siegen, denn um zu » _____« siegen, muß man überzeugen. Und um zu überzeugen, müßten » _____« Sie besitzen, was Ihnen fehlt - Verstand und Recht zu » _____« diesem Kampf. » _____« Ich erachte es als sinnlos, Sie zu ermahnen, an » _____« Spanien zu denken. Ich habe nichts mehr zu sagen. »

Bevor Falangisten handgreiflich werden konnten, führte ein Professor Unamuno hinaus.

Unamuno wurde aus seinem Amt entfernt und unter Hausarrest gestellt. Er erlag wenige Wochen später einem Schlaganfall. Seine Söhne meldeten sich zur republikanischen Miliz.

Was Unamuno noch kurz vor seinem Tod als »stupides Terrorregime« verurteilte, nahm unterdessen konkrete Gestalt an. Bereits im Juli hatte General

Mola in Burgos eine Junta gegründet. der alle führenden faschistischen Generäle des aufständischen Nordens angehörten. Nominelles Oberhaupt war General Cabanellas. Nach der Entsetzung des Alcazars von Toledo rückte Franco nach vorn. Sein Bruder Nicolas erfand für ihn den Titel »Generalisimo«.

Aus einem Generalstreffen in Salamanca ging Franco unter ungeklärten Umständen - Mola und Queipo de Llano fehlten bei der Abstimmung - als provisorischer Regierungschef hervor. Er machte daraus Staatschef und ließ sich fortan als »Caudillo« - Führer - feiern.

Er nutzte als Bürgerkriegstruppe auch die Falange. die ihre Mitgliederzahl von 75000 zu Beginn des Putsches auf nahezu eine Million am Ende des Jahres 1936 ausweitete. An einem Tag im Juli traten ihr allein in Sevilla 2000 Leute bei.

Vor allem brauchte der Führer Soldaten. In 24-Tage-Kursen ließ er provisorische Offiziere drillen, deren Todesrate an der Front ungewöhnlich hoch war. So entstand der Spruch »provisorischer Offizier, garantierte Leiche«. Die nationale Armee wuchs auf 200000 Soldaten.

Die Kirche erhielt alle Macht zurück. In eroberten Orten wurden alle Säuglinge getauft. Zivilheirat und Scheidung galten nicht mehr. Kirchgang war obligatorisch. »Alle, ausnahmslos alle müssen sonntags in die Kirche, Entschuldigungen werden nicht angenommen«, predigten die Priester. »Die Saat des Beelzebub muß ausgetreten werden«, forderte ein Pfarrer in Burgos. Der Franziskaner-Mönch Vicente Racio dichtete über die »grausamen Wölfe« der Republik: »Ich habe sie ihre Orgien feiern sehen, ich habe sie die Altäre und die Gräber der Toten schänden sehen!« Der Pfarrer von Rota wütete von der Kanzel: »Keiner wird entkommen! Von Grund auf bis zur Neige muß die rote Fäulnis ausgerottet werden!«

Korrekte Kleidung, etwa lange Ärmel bei Hemden, war Pflicht. Dekolletes verschwanden. Kinder ab zwei Jahren mußten am Strand einen körperlangen Badeanzug tragen. »Russischer Salat« hieß fortan »Nationaler Salat«.

Wer mit einem kumpeligen »salud« grüßte, riskierte Polizeiverhör, wenn nicht Exekution. Denn die Erschießungen dauerten an, wenn auch nicht mehr so wahllos gemetzelt wurde wie in den ersten Wochen. Nun folgten Hinrichtungen dem Urteil von Standgerichten, deren Richter, oft blutjunge Leutnants, Todesurteile verkündeten, als ginge es »um das Abknallen von Hasen« (so der Historiker Hugh Thomas). In Zaragoza etwa büßte ein Totengräber mit seinem Leben nur dafür, daß er seine Arbeit getan und erschossene Falangisten begraben hatte.

Leben ließ es sich im faschistischen Spanien besser als im republikanischen. Francos Peseta war international doppelt soviel wert wie jene der Republik. Zuerst erhielten die Peseta-Noten einen »nationalen« Stempel, dann wurden neue Banknoten für Franco in Deutschland gedruckt. Die Faschisten hatten zwar weniger Land, Leute und Industrie, aber hinter ihnen standen die Reichen, die Banken, der Adel. Spendenaufrufe

brachten haufenweise Gold und Juwelen (ein Slogan lautete: »Gib niemandem die Hand, der noch einen Ring hat - das ist kein Spanier").

Restaurantgäste zahlten für drei Mahlzeiten, erhielten aber nur eine, der Gegenwert von zwei ging an die Machthaber. Entscheidend jedoch war die Unterstützung von außen. Francos Bundesgenossen in Berlin und Rom ließen sich das spanische Abenteuer nicht nur Unsummen an Geld kosten. Sie setzten auch das Leben von Tausenden ihrer eigenen Bürger für die Sache des faschistischen Spaniens aufs Spiel.

Hitler begründete sein Eingreifen in Spanien später damit, daß die »ältesten Kulturländer Europas gefährdet« gewesen seien. Er habe sich »kurz entschlossen«, Francos Bitte auf Hilfe zu erfüllen, um »damit nicht nur Europa, sondern auch unser eigenes Vaterland vor einer späteren ähnlichen Katastrophe zu bewahren«.

Also klotzten die Deutschen bei ihrem »Unternehmen Feuerzauber«. Göring beauftragte schon am Tag nach Hitlers Interventions-Entschluß die Generäle Milch und Wilberg mit der Einrichtung eines »Sonderstabes W«, der unter strengster Geheimhaltung die umfangreiche Militärhilfe für Franco organisieren sollte.

Wie Göring später im Nürnberger Kriegsverbrecherprozeß aussagte, freute er sich über die günstige Gelegenheit, sein »Material im scharfen Schuß zu erproben«.

Mit Hilfe des in Tetuan so überraschend zum Sonderbotschafter Francos avancierten Parteigenossen und Kaufmannes Bernhardt wurde eine Firma namens Hisma (Compania de Transportes Hispano-Marroqui Ltda., Tetuan-Sevilla) gegründet, die den Transport der Hilfsgüter übernahm. Ein Unternehmen namens Rowak (Rohstoff- und Waren-Einkaufsgesellschaft), eine vom Reichsfinanzministerium mit drei Millionen Mark Kredit ausgestattete NSDAP-Gründung, sollte im Austausch für das Kriegsmaterial spanische Rohstoffe, vor allem Erze, nach Deutschland verschiffen (Hisma und Rowak brachten dem Herd-Händler Bernhardt Ehrungen, Orden, die spanische Staatsbürgerschaft und viel Geld ein). Das nötige Militärpersonal brachte eine Reisegesellschaft Union nach Spanien.

Schon am 31. Juli verließ der Frachter »Usaramo« mit Flugzeugen, Flak, Bomben und 86 als Kaufleute, Techniker und Photographen verkleideten Luftwaffenangehörigen den Hamburger Hafen. Bei der Einschiffung gab es eine peinliche Panne. Eine der angeblichen Umzugskisten

war vom Kran gefallen und geborsten. »Was rollte heraus«, so der Fliegeroffizier Max Graf Hoyos, einer der »Usaramo«-Passagiere, »eine richtige dicke, runde Fliegerbombe.«

Die Geschwader-Kommodores der Luftwaffe in Dortmund, Merseburg, Gotha und Ansbach erhielten Befehl, sofort eine bestimmte Anzahl ihrer Piloten sowie Bodenpersonal für einen geheimen Sondereinsatz zum Jagdgeschwader Richthofen in Döberitz bei Berlin abzustellen.

Dort offenbarte Major Alexander von Scheele, ein Weltkrieg-I-Veteran mit Südamerikaerfahrung, ihnen den Spanien-Einsatz, der so geheim war, daß die Männer nicht mal ihren Ehefrauen davon erzählen durften. Ihre künftige Adresse hieß »bei Max Winkler, Berlin, Postfach«.

Ab November 1936 war dann alles nicht mehr ganz so geheim. Da gebar das Unternehmen Feuerzauber die »Legion Condor«, eine »Elite im besten Sinn des Wortes«, wie ihr Angehöriger (und späterer Goebbels-Pressereferent) Wilfred von Oven noch 1978 in seinem Buch »Hitler und der Spanische Bürgerkrieg« rühmte.

Die Flieger mußten ihre Uniformen ausziehen, bekamen ein Handgeld von 200 Mark, während des Einsatzes in Spanien doppelten Sold und wurden um einen Rang angehoben. »Welchen jungen, unternehmungslustigen Soldaten hätte das Abenteuer nicht gereizt«, so von Oven.

Wahr, wenn auch nicht alle wiederkamen, die - wie auf ihren Grabsteinen stand - »por Dios y Espana« (für Gott und Spanien) gefallen waren. Bert Brecht reimte damals für sie: _____« Mein Bruder war ein Flieger. Eines Tages bekam er » _____« eine Kart. Er hat seine Kiste eingepackt und südwärts » _____« ging die Fahrt. Mein Bruder ist ein Eroberer. Unsrem » _____« Volke fehlt''s an Raum, Und Grund und Boden zu kriegen, » _____« Ist bei uns ein alter Traum. Der Raum, den mein Bruder » _____« eroberte, Liegt im Guadarrama-Massiv. Er ist lang einen » _____« Meter achtzig Und einen Meter fünfzig tief. »

Vorerst brachten die deutschen Flieger Francos Söldner über die Meerenge - eine »fast unerschöpfliche Reserve von bestem Menschenmaterial«, wie Pilot Hoyos es sah.

Bereits am 13. August aber klinkten die Luftwaffenoffiziere Hoyos und Moreau die ersten Bomben im Bürgerkrieg aus: Vor Malaga griffen sie den spanischen Panzerkreuzer »Jaime I.« an, der immer wieder versuchte, die Truppentransporte aus Afrika zu stören. Hoyos: _____« Zack... zack... zack, und die drei Riesenbomben » _____« gleiten wuchtig aus den Schächten. Ganz deutlich sehe ich » _____« noch »Mausi« und »Fifi« auf den dicken Leibern der Bomben » _____« aufblinken. » _____« Die erste Waffentat der deutschen Luftwaffe war » _____« geschehen. Der Erfolg war bald im roten Funkverkehr » _____« abzuhören. »Sehr große Verluste, einige hundert Tote, » _____« kampfunfähig nach Cartagena abgeschleppt«. Die rote » _____« Flotte verschwand aus der Straße von Gibraltar, und die » _____« Transporte konnten ungestört fortgesetzt werden. »

Schon beim Vormarsch der Moros auf Madrid griffen deutsche Flieger auch in die Erdkämpfe ein. Immer mehr deutsches Militär marschierte ab in ein »Land wo die Zitronen blühen«, wie ein Condor-Kämpfer unter Bruch der strengen Geheimhaltung nach Hause schrieb. Die Legionäre gingen fortan im Hafen Stettin an Bord, da man dort die Operation wegen der ständigen Truppentransporte nach Ostpreußen besser geheimhalten konnte.

Bis zum Jahresende erreichte die Legion in Spanien fast Divisionsstärke - ein Luftwaffenkorps von 4500 Mann vier Flak-Batterien mit dem schweren 8,8-Geschütz, Panzerausbilder ("Imker"), Marineeinheiten ("Gruppe Nordsee"), Nachrichtenverbände. An Material kam alles, was man für den Krieg so brauchte. Flugbenzin und Schmiermittel, Kurzwellensender und Sanitätsmaterial, Handgranaten und Fackeln für die Siegesfeier. Erster von mehreren Befehlshabern der Legion Condor wurde Generalleutnant Hugo Sperrle (Deckname: Sander), der in Spanien allein Franco verantwortlich war.

Hitler hatte sich zum Einsatz von regulären Kampftruppen im Einvernehmen mit dem italienischen Diktator Benito Mussolini entschieden. Der Duce hatte sich ebenso rasch für ein Eingreifen in Spanien begeistert wie der Führer. Er, der eben Abessinien erobert hatte, wollte »den italienischen Charakter im Kampf stählen«.

Da kam ihm Francos Bitte um Hilfe gerade zupaß. Der Spanier, noch nicht ahnend, wie prompt Hitler ihm helfen würde, hatte auch die Italiener vor allem um Flugzeuge gebeten: »Mit zwölf Transportflugzeugen kann ich den Krieg in ein paar Tagen gewinnen.«

So schickten auch die Italiener Flieger - doch erst mal kam kaum einer an: Am 30. Juli starteten fünf Savoia-Flugboote und drei Caproni-Maschinen von Sardinien mit Ziel Melilla in Marokko. Eines der Wasserflugzeuge stürzte vor der nordafrikanischen Küste ab, ein anderes

mußte notlanden. Eine Caproni schmierte über Französisch-Marokko ab, die beiden anderen landeten irrtümlich auf französisch-marokkanischem Gebiet. Sie wurden von den Franzosen konfisziert.

Das Munitionsschiff »Morandi« und fünf weitere Savoia-Bomber kamen dann aber doch an und besorgten den Geleitschutz für Boote, die Francos Bataillone nach Spanien brachten.

Mussolini aber wollte mehr Ruhm an Italiens Fahnen heften. Er schlug Hitler vor, ganze Heeres-Divisionen in den spanischen Krieg zu schicken. Das schien dem Führer zu riskant. Er fürchtete, daß dies, zu einem europäischen Krieg führen könnte, auf den er noch nicht vorbereitet war.

Der Duce aber ließ sich nicht beirren. Als erstes schickte er unter dem Kommando des Abwehrchefs General Mario Roatta eine Division seiner faschistischen Schwarzhemden nach Spanien. Seine Bedingung: Sie sollte zwar teilweise von Franco besoldet werden, aber unter eigenem Kommando und eigener Verantwortung kämpfen.

Rebell Franco hatte so rasch mächtige und ehrgeizige Verbündete gefunden. Auch kapitalistische Multis setzten auf seinen Sieg: Die US-Ölfirma Texas Oil lieferte Treibstoff auf Kredit. General Motors, Ford und Studebaker versorgten die Nationalisten mit rollendem Material.

Die Republik, obwohl von aller Welt anerkannte Regierung Spaniens, tat sich schwerer. Gleich zu Beginn des Aufstandes hatte Premier Giral ein Hilfetelegramm an den sozialistischen französischen Premier Blum geschickt: »Von gefährlichem Militärputsch überrascht. Ersuchen um unverzügliche Hilfe mit Waffen und Flugzeugen. Mit brüderlichem Gruß Ihr Giral.«

Der Pariser Volksfrontpremier wollte sofort helfen. Doch Frankreichs Rechte, über die Volksfront erbittert, ereiferte sich, warum »man wegen Spanien einen Krieg riskieren sollte, wenn man dies wegen des Rheinlands nicht getan hatte«. Von außen mischte sich England ein, das gegen Waffenlieferungen war. Außenminister Eden zu Blum: »Ihr alleiniges Risiko!«

Schließlich schickte Spanien Gold im Wert von 140000 englischen Pfund für private Waffenkäufe nach Paris. So gelangten doch etwa 70 französische Kampfflugzeuge nach Spanien, zum Teil samt Piloten, die bis zu 50000 Peseten Sold pro Monat erhielten - ein Vermögen.

Einer von ihnen war Andre Malraux. Er organisierte für die Republik ein Geschwader von 20 Flugzeugen, die sogenannte Escuadrilla Espana, in der nur Ausländer flogen - auch Malraux selbst, obwohl er nicht einmal einen Pilotenschein besaß.

Soforthilfe erhielt die Republik aus einem fernen Land: Mexikos Präsident Lazaro Cardenas wollte nicht »zusehen, wie der Faschismus einen Staat nach dem anderen schluckt«, und schickte auf dem von der spanischen Botschaft requirierten Passagierschiff »Magallanes« 20000 Mausergewehre und 20 Millionen Patronen aus Armeebeständen nach Spanien.

Am vorsichtigsten taktierte der Mann, von dem sich Spaniens Linke wirksamste Hilfe erhoffte: Josef Stalin. Der sowjetische Diktator scheute einen Konflikt, der sich zum großen Krieg auswachsen könnte. Er erlaubte erst mal nur Sammlungen für die Republik - Anfang August erhielt Madrid eine halbe Million Pfund - und schickte erprobte Kominternagenten nach Spanien: Palmiro Togliatti, der für Spanien zuständig war und nun als »Alfredo« nach Madrid flog, den Ungarn Ernö Gerö ("Pedro"), der sich um die Katalanen kümmerte. Altbolschewik Antonow-Owssejenko, der den Winterpalast des Zaren in Petersburg gestürmt hatte, wurde Generalkonsul in Barcelona, Völkerbund-Sekretär Marcel Rosenberg Botschafter in Madrid.

Erst als sein Todfeind Trotzki ihn als »Liquidator und Verräter der spanischen Revolution und Wegbereiter Hitlers und Mussolinis« schmähte und Madrid in akute Gefahr geriet, befahl Stalin nach einer Politbürositzung am 31. August wirksamen Beistand.

Er schickte den General Berzin ("Grischin") als Militärberater und einige Dutzend Piloten. Mitte Oktober traf dann ein Frachter mit Flugzeugen, Panzern, Lastwagen aus Odessa in Cartagena ein. 500 Offiziere und Soldaten folgten. Darunter waren mehrere spätere Weltkriegsgeneräle und Sowjetmarschälle

wie Malinowski. Rokossowski, Konew und Kulik, Merezkow und der Stalingrad-Held Rodinzew. Das Volk in den Straßen der Hafenstadt weinte vor Freude und schrie sich heiser: »Es lebe die Sowjet-Union.«

So schossen schon in den ersten Monaten des Bürgerkriegs in Spanien Ausländer aufeinander - obwohl Europas Regierungen unter dem Einfluß Londons ein offizielles Nichteinmischungs-Abkommen geschlossen hatten, das auch vom Völkerbund in Genf sanktioniert worden war.

Ausländische Hilfe hatte es Franco ermöglicht, den Krieg auf das Festland zu tragen, bis vor die Tore der Hauptstadt vorzurücken.

Ausländische Hilfe verhinderte dann aber auch die Einnahme Madrids - und damit ein schnelles Ende des Krieges:

Ende Oktober hatten Francos Truppen die westlichen Vorstädte Madrids erreicht. Die republikanische Regierung floh. Präsident Azana setzte sich nach Barcelona ab. Das Kabinett - der Sozialist Largo Caballero hatte den Republikaner Giral abgelöst - übersiedelte nach Valencia.

In der Hauptstadt herrschte Chaos. General Mola hatte auf die Frage von Reportern, welche der vier falangistischen Marschkolonnen zuerst Madrid befreien würde, geantwortet: »die fünfte Kolonne« - die sich bereits in der Stadt befände. Diese Bemerkung führte, so der Historiker Hugh Thomas, zu »einer endlosen Reihe von Morden« in der Hauptstadt.

Zu Massakern kam es beim Abtransport von über tausend politischen Gefangenen aus der Hauptstadt. Verantwortlich für die geplante Verlegung der Häftlinge war der Sekretär der linken Jugendorganisationen, Santiago Carrillo, damals 21, aber schon Sicherheitsbeauftragter für Madrid.

Etwa 20 Kilometer östlich der Hauptstadt, nahe dem Dorf Paracuellos de Jarama, ließ die Begleitmannschaft ihre Gefangenen Gräben ausheben und metzelten sie bis zum letzten Mann nieder. An den Massenmord von Paracuellos erinnert noch heute ein riesiges Kreuz auf einem Berg, eine Kapelle und ein verwilderter Friedhof, auf dem Bauern zuweilen Kaninchen schießen.

Santiago Carrillo fiel es auch als KP-Chef im Nach-Franco-Spanien schwer, die Ereignisse von Paracuellos zu erklären - lokale Milizionäre, so seine Darstellung, hätten seine Wachen überwältigt und die Gefangenen erschossen.

In Madrid hatte eine »Verteidigungsjunta« das Kommando übernommen, in der linke Revolutionäre, Kommunisten und Anarchisten bestimmten. Nomineller Chef war der Infanteriegeneral Miaja, »ein Mann von etwa 60 Jahren, reichlich fett, aber von einzigartiger Rührigkeit« (so die französische Autorin Simone Tery), der eher durch Zufall zum obersten Soldaten der Republik geworden war: Zur Zeit des Putsches kommandierte er die Infanteriebrigade von Madrid, jede Entscheidung für die Rebellen hätte wohl seinen sofortigen Tod bedeutet.

Nun hatte »Euer Hochwohlgeboren«, der General Miaja, vom abziehenden Kriegsministerium den Befehl erhalten, »die Hauptstadt um jeden Preis zu verteidigen«. Außer einem undisziplinierten Haufen von Milizionären hatte er nur wenige Einheiten zur Verfügung, die neben Disziplin und Schlagkraft auch vorzüglich bewaffnet waren - darunter das »5. Regiment« der Kommunisten.

Die KP hatte ihre Eliteeinheit so genannt, weil die Madrider Garnison normalerweise vier Regimenter stark war. Das 5. Regiment, aus einer Schule für Milizionäre entstanden, hatte damals schon fast Divisionsstärke - über 5000 junge Männer mit Artillerie und eigenem Nachschub.

Die Truppe wurde nach sowjetischem Muster von politischen Kommissaren ideologisch gedrillt. Kommandeur war ein Holzarbeiter aus Galicien, der als »General Lister« dann zu einem der legendären Helden des Bürgerkriegs wurde.

Das 5. Regiment, aber auch die Milizen kämpften mit äußerster Tapferkeit gegen die anrückenden Moros und Fremdenlegionäre. Die Kommunistin Dolores Ibarruri, die zu Beginn der Rebellion ein Infanterieregiment in Madrid so lange bestürmt hatte, bis es der Republik die Treue hielt, hob nun persönlich Rekruten unter den jungen Männern und Frauen aus und feuerte sie allabendlich über Radio an. Das Wort der Pasionaria »Lieber aufrecht sterben als auf den Knien leben« nahmen vor allem anarchistische Krieger ernst, die jede Deckung ebenso verabscheuten wie Disziplin.

Sie starben vor der Stadt wie die Fliegen.

In den Krieg fuhren die Soldaten nun mit der Straßenbahn. »Zur Front - fünf Centimos«, kassierten die Tramschaffner.

Eine Trambahn fuhr voller Friseure in die Schlacht, die nicht mal Zeit gehabt hatten, ihre weißen Mäntel abzulegen, in denen noch Kämme und Bürsten steckten. Gewehre wollten sie sich von Gefallenen besorgen. Taxifahrer setzten sich ans Steuer von Tanks.

Flüchtende Milizionäre wurden von Frauen geschmäht: »Feiglinge, wohin rennt ihr? Gebt uns eure Gewehre!« Frauen und Kinder brachten Essen, Trinken und Munition an die Front. Bräute besuchten ihre Männer und starben oft an ihrer Seite.

Ein amerikanischer Korrespondent hatte vernommen, daß die Milizionäre eine neue Taktik hätten, Panzer der Nationalisten zu erledigen. Er fuhr zur Front und fragte einige der Amateurkrieger, die mehrere Tanks mit dynamitgefüllten Büchsen zerstört hatten, wie sie denn das vollbrächten. »Echando cojones al asunto«, erwiderte einer - etwa »ohne Angst in den Eiern«. Der des Spanischen unkundige Journalist berichtete nach Hause, die republikanische Miliz habe eine neue Anti-Tank-Waffe - »cojones«, Eier.

Trotz allen Heldenmutes der Verteidiger drangen Francos Sturmtruppen weiter vor. »Noch diese Woche können Sie mit uns in Madrid einziehen«, versprach General Varela ausländischen Korrespondenten am 4. November.

Franco wollte »am 8. November in Madrid die Heilige Messe besuchen. Der Nationalisten-Sender in Burgos berichtete bereits über »die letzten Stunden von Madrid«. Die Madrider mauerten ihre U-Bahn-Eingänge zu, da sie fürchteten, die Moros würden durch die Schächte ins Stadtinnere kommen. Hausfrauen bereiteten sich nach einer Empfehlung der Pasionaria darauf vor, kochendes Olivenöl, auf die Faschisten zu schütten.

Madrid schien bereits verloren - da bot sich den verstörten Madrilenos eines Nachmittags ein seltsames Bild:

Die Gran Via herunter marschierten in exaktem Gleichschritt plötzlich lange Kolonnen von Männern in sauberen Kord-Uniformen mit Wickelgamaschen, Stahlhelme auf den Köpfen und einheitlich mit nagelneuen Gewehren bewaffnet. Sie sangen in mehreren Sprachen, aber eine wohlbekannte Melodie - die »Internationale«. Die Madrider, die dachten, Stalin hätte ihnen in letzter Minute die Rote Armee geschickt, ließen begeistert die »Russen'' hochleben.

In Wahrheit waren es Deutsche, Briten, Franzosen, Italiener, Belgier, Osteuropäer, Arbeiter und Intellektuelle aus ganz Europa, blutjunge Burschen, aber auch über 40jährige: Freiwillige, die sich für die »Internationalen Brigaden« gemeldet hatten, eine antifaschistische Truppe, die in aller Hast auf eine von Moskau abgesegnete Anregung des französischen KP-Chefs Maurice Thorez hin von Kommunisten und Linken in Paris organisiert worden war, um der bedrohten Spanischen Republik beizustehen.

Die ersten drei Bataillone der 11. Brigade unter dem Kommando eines ehemaligen k.u.k. Offiziers mit Decknamen Kleber wurden nach dreiwöchiger Blitzausbildung in Albacete in diesen schicksalhaften Novembertagen an die Front vor Madrid geworfen: das deutsche Bataillon »Edgar Andre«, das französische »Pariser Kommune«, das polnische »Dabrowski«.

Die Fremden, die freiwillig gekommen waren, um in Spanien mit ihrem Blut ihre Ideale und ihre Träume zu verteidigen, stürzten sich mit einer Todesverachtung in den Kampf, die den Elan der Moros und Legionäre brach und den Milizionären neuen Mut gab. Ein Drittel der Brigadisten fiel im ersten Einsatz, einige Kompanien wurden bis zum letzten Mann aufgerieben.

Zur gleichen Zeit rollten direkt vom Madrider Ostbahnhof, wo sie aus Cartagena angekommen waren, die ersten russischen T-26-Panzer an die Front. Kommandiert von General Pawlow, richteten die stählernen Ungetüme ein Blutbad unter der angreifenden maurischen Kavallerie an.

Nach grausamen Schlachten, in denen Brigadisten und Moros mit dem Bajonett um jeden Raum der Universität kämpften und asturische Milizionäre Dynamitladungen per Lift in feindlich besetzte Stockwerke schickten, kam Francos Offensive am 23. November in Madrids Vororten zum Erliegen. General Mola, der ein halbes Jahr später abstürzte, konnte nie mehr seinen Kaffee auf der Gran Via trinken, Franco seine Messe in Madrid erst zweieinhalb Jahre später lesen lassen.

Die Hauptstadt war gerettet, dank jener Männer, die zum Teil zu Fuß über die Pyrenäen gekommen waren und in vielen Sprachen geschworen hatten, »mit allen Kräften für die Freiheit« zu kämpfen.

Aber Madrid war nicht, wie Propagandisten hofften, »zum Grab des Faschismus« geworden. Ein vor Wut schäumender Franco ließ die Hauptstadt erbarmungslos bombardieren, da er nach eigenen Worten »Madrid lieber zerstören als den Roten überlassen« wollte.

Der Krieg ging noch Jahre weiter, noch viele hunderttausend Tote folgten den Zehntausenden der Schlacht um Madrid.

Im nächsten Heft

»Jagt ins Meer den Banditengeneral« - Stalin holt sich Spaniens Goldschatz - Triumph und Fiasko der Italiener - »Warum mordet ihr Arbeiter in einem fremden Land?«

In Bayreuth 1936.

Zur Ausgabe
Artikel 54 / 85
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren