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VERBRECHEN »Sie werden wie ein König leben«

aus DER SPIEGEL 34/1973

Ich trat langsam durch das Tor des Präsidentenpalastes. An meiner Seite waren David (Dave) Iacovetti, einer der hervorragendsten Gangster von New England. und Joseph (Joe Kirk) Krikorian, der Kasino-Beauftragte meines Bosses Raymond Patriarca. Ein prächtig uniformierter Offizier folgte uns durch die endlosen, von Posten gesäumten Korridore.

Schließlich machte der Offizier vor einer riesigen Doppeltür halt. Er klopfte, trat ein und hielt den drei Vertretern des Mob die Tür auf. Ein riesiger, mit einem weißen Tuch bedeckter Tisch stand in der Mitte des Raumes. Am Ende des Tisches verharrte ein kleiner schwarzer Mann mit weißem Haar und einer elegant geschneiderten weißen Militärjacke, an der Reihen bunter Spangen und Orden prangten,

So traten wir im Frühjahr 1967 François ("Papa Doc") Duvalier entgegen, dem Präsidenten und Diktator der kleinen karibischen Republik Haiti. Das Treffen war auf meine Bitte von Iacovetti arrangiert worden, denn Dave verstand sich prima mit Papa Duc.

Ich hatte Dave vorgeschlagen, Junket-Trips nach Haiti zu organisieren. Die Welt der Junket-Trips hatte sich mir zum erstenmal 1964 geöffnet, als ein Freund von mir, ein Bursche namens Ralph Gentile, mich einweihte. Denn Junkets waren damals was Neues für mich.

Es gehe darum, so erläuterte mir Gentile, ein Flugzeug mit 100 Spielern, die über guten Kredit verfügten, zu füllen und die Leute in ein Spielkasino zu schleppen. Die Spieler müßten nicht einen Cent bezahlen, sondern nur einen Antrag ausfüllen und angeben, wieviel Kredit sie hätten, mit welchen Banken sie Geschäfte machten und wieviel Zaster sie in Wertpapieren und Grundbe-

© 1973 Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg.

sitz besäßen. Das betreffende Kasino prüfte dann die Angaben.

Sobald das Kasino ihnen Kredit gewährt hatte, konnten sie in Boston oder New York oder anderswo ein Flugzeug nach Las Vegas nehmen und dort auf Kosten des Kasinos vier Tage und Nächte verbringen. Alles, was sie ausgeben mußten, waren die Piepen für Telephongespräche, Trinkgelder fürs Hotelpersonal und natürlich das, was sie fürs Spielen brauchten.

Gentile sagte, wenn wir einen Junket-Trip arrangierten, würde uns ein Kasino 50 Eier je Nase zahlen. Das ist eine leichte Möglichkeit, sich 5000 Dollar zu verdienen -- einfach dadurch, daß man 100 Spieler in ein Flugzeug kriegt aber damals war ich selber an der Sache nicht interessiert.

Später beschloß ich, an ein paar Junkets teilzunehmen, um zu sehen, wie die Sache funktionierte. Zu dieser Zeit fing nämlich (der Gangster-Boß) Carlo Mastrototaro an, Junkets nach London und in den karibischen Raum zu schleppen, und es sah so aus, als ob das einträglich für mich sein würde.

im Ausland gab es keine Steuerfritzen, die das Pulver im Hinterzimmer des Kasinos zählten, keinen Ärger mit den Bullen, dort konnte man Politiker kaufen, und dort gab"s gute, solide Schwindelkasinos, die dem Mob gehörten. »Mob« nennen wir das, was bei blutigen Anfängern Mafia oder Cosa Nostra heißt.

Einer der Plätze, die ich mir zunächst ansah, war die Insel Antigua in Britisch-Westindien. Nirgends wurde mehr beschissen als in Antigua. Das große Kasino war damals das Hotel-Kasino »Mamora Beach«. Der Mob hatte dort freie Hand.

Bei meiner ersten Reise stellte ich fest, daß die Regierung sich einen Dreck drum scherte, wie das Kasino geführt wurde, solange sie einen Anteil vom Ganzen kriegte. Für den Anteil, den der Mob ihr gab, brachte sie die Leute der Insel dazu, mit allen von uns zusammenzuarbeiten.

Ein Junket in Antigun funktionierte so: Mit den Kohlen, die man den Leuten vom Junket-Trip abnahm, machten der Mob und das Kasino halbe-halbe. Spezialisten mit gezinkten Würfeln und alle möglichen anderen Gauner arbeiteten für Charlie the Blade, der im Auf. trag des Mobs das Kasino leitete.

Es gab Weiber, die beim Blackjack gezinkte Karten auftischten, und Burschen, die beim Würfeln mit Quecksilber geladene Würfel unterschoben. Im ganzen Kasino gab's kein Spiel, das nicht manipuliert war, und keinen Menschen, der nicht ausgenommen wurde.

Ich zog dort Karten- und Würfelspiele auf. Um so eine Sache aufzuziehen, braucht man eine gute Organisation. Die Hauptsache war, daß wir die Junkets aus dem Kasino, wo wir einen Anteil kriegten, auf unsere Zimmer lotsten, um sie dort nach Strich und Faden auszunehmen.

Dafür brauchte man Mechaniker, die die Spiele kontrollierten, Weiber, die die Trottel unterhielten, und einen »Cool-off-Man«, der die armen Teufel beruhigte, wenn man ihnen ihre ganzen Moneten abgeluchst hatte, so daß sie nachher das Gefühl hatten, sie hätten sich bei der ganzen Sache prima amüsiert. Das ist wichtig.

Einen Typ, den man übers Ohr hauen will, muß man immer bei Laune halten. Dadurch vermeidet man eine Menge Schwulitäten; meistens kann man dem Trottel dann später noch mehr abnehmen. Die Weiber waren meistens Nutten, die wir aus New England mitbrachten oder am Ort beschafften. Es waren keine billigen Flittchen, sondern erstklassige Luxusweiber. Sie wurden bestens bezahlt, und die Trottel hatten keine Ahnung, daß es Nutten waren.

Die Mechaniker waren unsere eigenen Fachleute. Der beste von ihnen war

* Riese amerikanischer Slangausdruck für eine 1000-Dollar-Note.

Yonkers Joe Salistino, ein Karten-Genie. So einen wie ihn hab' ich nie wieder gesehen.

Wenn wir einen Trottel an der Angel hatten, tischte Yonkers Joe zwei ganz gleiche Kartenspiele auf. Er stellte das eine Blatt zusammen und behielt es selber, das andere gaben wir unserem Blödmann zum Mischen. Dann hob Joe ab. Während der Trottel das Blatt ausgab, machte ]oe bestimmte Zeichen. Eine Faust bedeutete Reizen, drei Finger bedeuteten Passen. Wenn der Idiot zehn Riesen* bot, verdoppelte ich den Einsatz im Pott. Wir spielten immer mit begrenztem Einsatz, das heißt: Der Einsatz war nur so hoch wie der Betrag im Pott. Ein Grünschnabel hatte bei so einem Spiel nicht die geringste Chance, und wenn er sich noch so anstrengte. Joe konnte einem ein faules Blatt unterjubeln, ohne daß man irgendwas merkte. Ich wußte, daß er"s machte, aber ich merkte es selber nicht mal.

In Antigua lernte ich, daß mit Junket-Trips eine Menge Pulver zu machen war, wenn man sie richtig organisierte. Ich klapperte Kasinos auf der ganzen Welt ab und stellte dabei fest, daß der Mob überall zugreifen konnte. Ganz gleich, wohin man kam: Der Mob hatte seine Finger in allem drin.

In London gab es ein halbes Dutzend Kasinos in der Stadt. In einigen wurden Spiele manipuliert; ich weiß, daß Angelo Bruno, der Mob-Boß von Philadelphia, bei verschiedenen von ihnen beteiligt war.

Der Haken war, daß die meisten Londoner Kasinos nicht von erstklassigen Leuten besucht wurden. Sie waren übel -- übel für meine Geschäfte. Ich brachte Spieler mit bestem Kredit in Kasinos -- keine miesen Typen.

Ein Spieler aber muß raffiniert ausgenommen werden, nicht mit der Holzhammermethode. Wenn man's nicht ganz vorsichtig macht, dann verliert der Bursche den Spaß am Kasino-Trip und gibt seinen Freunden keine Empfehlungen mehr, und dann ist der Geldhahn zu. Der Kerl muß denken, daß er wenigstens eine Chance hat, und in den üblen Klubs wie dem »Villa Casino« und dem »Victoria Sportmg Club« hatte er keine Chance.

Ich selber hatte mit diesen üblen Klubs nichts als Ärger. Da hörte ich, das ganz große Junket-Geschäft sei auf den westindischen Inseln zu machen. Ein neues Paradies winkte mir: Haiti.

Damals besaß der Mob noch keine Erlaubnis, Junkets auf die Insel Haiti zu bringen. Man redete viel davon, daß der Mob dort unten Spiele organisierte, aber es gab nur ein kleines Kasino in der Stadt Port-au-Prince, das zwei Juden aus New York leiteten.

Das Kasino war ein Schmalspurunternehmen, und mit seinem Profit war's nicht weit her. Dave und Joe Krikorian hatten sich schon vorher um die Einrichtung eines Kasinos im Hotel »El Rancho« bemüht, einem schönen kleinen Hotel in den Bergen nahe bei Port-au-Prince. Es hatte wirklich eine herrliche Umgebung.

Im Spieltisch ein Geldkasten mit doppeltem Boden.

Krikorian, den wir Joe Kirk nannten, hatte schon in New England mit Spielen zu tun gehabt, und er verstand eine Menge davon, wie man ein Kasino aufziehen mußte. Wir waren sicher, daß wir alle einen schönen Batzen kassieren würden, wenn er das Kasino kontrollierte; wir würden ihm die nötige Ausrüstung für manipulierte Spiele zur Verfügung stellen und Junkets auftreiben, Eins aber fehlte noch: das Einverständnis des Diktators Duvalier, der uns schließlich empfangen hatte.

Papa Doc saß da und hörte zu, während Dave und Joe hauptsächlich über das Kasino redeten und ich die Junketsache erklärte. Während wir redeten. brachten uns Diener Gläser mit Brandy.

Dave erklärte dem alten Mann, wieviel Piepen zu verdienen wären, wenn er die Erlaubnis gab, Junkets aufzureißen. Joe Kirk sagte, wenn er das El Rancho zu einem erstklassigen Kasino machen sollte, wäre es unbedingt nötig, daß er seine eigene Spielausstattung und seine eigenen Mechaniker für die Tische bereitstellte.

Papa Doc hörte bloß zu und sagte nicht viel. Zwischendurch nickte er oder sagte was in seinem gebrochenen Französisch-Englisch. Man sah, daß er ein unheimlich schlauer Bursche war. Er hatte eine gute Bildung -- das merkte man, wenn er redete. Er war ziemlich klein und schmächtig, hatte eine dunkelbraune Haut und trug eine Brille.

Hinter dieser Brille waren bohrende braune Augen, die einem das Gefühl gaben, als ob er durch einen durchguckte wie mit Röntgenstrahlen. Wir nannten sie Schlangenaugen. Er drehte diese Augen nie von einem weg.

Während ich ihn beobachtete, dachte ich, eigentlich hätte er einen prima Ganoven abgegeben. Er suggerierte, daß alles in Butter wäre, und ließ einen doch spüren, daß er Papa Doc war, der Boß, den keiner übersehen kann. Er hatte einen eisernen Willen und ein Herz aus Stein. Seine Leute verhungerten und bettelten auf den Straßen. aber er lebte in Saus und Braus.

Alles, was Papa Doc interessierte, war, wie er zu noch mehr Geld kommen konnte. Amerikaner mochte er, solange sie in seinem Land Moneten verpulverten oder anlegten. Aber Leute, die er nicht mochte oder denen er mißtraute, lebten jede Minute, die sie im Land waren, auf der Schneide einer Rasierklinge.

Es machte ihm überhaupt nichts aus, Leute ohne Prozeß an die Wand stellen und abknallen zu lassen. Er war schlimmer als sämtliche Gangsterbosse. die ich gekannt habe. und das waren nicht wenige.

Die Besprechung dauerte vielleicht eine Stunde. Es wurde nichts entschieden. Papa Doc dankte uns, und wir ging gen. Eine Woche später rief er Joe Kirk an und sagte zu ihm, er sei damit einverstanden, daß im El Rancho ein Kasino eingerichtet würde und daß wir Junkets ranschleppten.

Es gab nur einen Haken: Er werde uns zwar erlauben, unsere eigene Spielausstattung mitzubringen und unsere eigenen Männer hinter die Tische zu postieren; aber hinter ihnen würden die Tonton Macoutes stehen, seine Geheimpolizisten.

Sie würden auf das Pulver aufpassen von dem Moment an, wo es auf den Tisch kam, bis zu dem Augenblick, da es in den Zählraum gebracht wurde. Und wenn die Kohlen von ihnen gezählt wurden, würden sie seinen Teil von dem Kuchen abschneiden, jeden Tag. Sein Anteil müsse zehn Prozent von allen Einsätzen -- nicht nur von den Profiten -- betragen, und er müsse ihm jede Nacht von einem seiner Geheimpolizisten überbracht werden.

Es kam jedoch anders. Wir machten die Tontons mit ein paar scharfen Drinks dußlig; jeder der Tische hatte einen Geldkasten und jeder Kasten einen faulen Boden. Wenn man 100 Eier in bar in den Kasten warf, brauchte der Mann am Tisch bloß auf einen Knopf zu drücken; der Boden des Kastens ging auf, die Pinke fiel in ein Geheimfach.

Nach Mitternacht wurde alles, was in dem Kasten geblieben war, rausgenommen, und Papa Doc bekam davon seinen Anteil. Zwischen acht Uhr abends und Mitternacht fiel die ganze Pinke durch die Kästen ins Geheimfach. Die Tontons guckten zu, wie die Piepen aus dem Kasten in einen Behälter geleert wurden, der von Tisch zu Tisch getragen wurde, und dann gingen sie in den Zählraum. um beim Zählen aufzupassen.

Wenn in einer Woche Papa Docs Anteil 15 Riesen betrug, hätte er 25 Riesen betragen müssen. Die zehn Riesen hatten wir eingestrichen. Aber als es uni Kredite für die Junkets ging, konnte man ihm nicht viel abknöpfen. Seine Leute kontrollierten die Bücher und paßten auf wie Habichte.

Meine Kunden: Richter und Ärzte mit massenhaft Zaster.

Nicht lange nach dem Treffen mit Papa Doc gründete ich den »Esquire Sportsman's Club, einen Verein, der dazu diente, Junkets in Kasinos rund um die Welt zu schleppen. Wir richteten das Büro am Emerson Place 10 ein, in einem Apartmenthaus hoch über dem Charles River im eleganten West End von Boston.

Bevor ich das Unternehmen startete, war ich zu Patriarca und seinem Unterboß Tameleo gegangen, um ihnen zu erklären, was ich vorhatte, und dann ging ich zu Carlo Mastrototaro, um ihn um die Erlaubnis zu bitten, in Kasinos zu arbeiten, zu denen er Kontakte hatte. Carlo stand mit anderen Kasino-Unternehmern gut, weil er der Vertreter von Patriarca war.

Zu Carlo mußte ich unbedingt gehen, obwohl ich die meisten Leute in diesen Kasinos selber kannte. Beim Mob kann man nämlich nicht einfach nach Lust und Laune irgendein Unternehmen aufziehen. Man geht zu den Leuten über einem und bittet sie um ihre Erlaubnis. und dann beteiligt man sie am Profit.

Man muß ihnen Respekt zeigen. Das ist nun mal Vorschrift. Wir sind so was wie Brüder, und einem Bruder klaut man nicht das Brot aus dem Maul. Ich brauchte Mastrototaro nicht, aber ich mußte ihm den Respekt zeigen, der ihm zukam, und ihn am Profit beteiligen.

Durch den Esquire Club wollten wir jeden Monat Junkets ins Londoner Kasino »Colony«, nach Haiti, Antigua, Portugal, in die Dominikanische Republik und nach den Bahamas schleppen. Wir machten sogar mal einen Trip nach Monte Carlo.

Jedes Junket sollte aus nicht mehr als 30 steinreichen Spielern bestehen -- Leuten mit ausgezeichnetem Kredit. An unseren Trips nahmen Richter, Ärzte, Anwälte und sogar ein stellvertretender Gouverneur teil. Wir charterten keine Flugzeuge, sondern handelten mit den Fluggesellschaften besondere Tarife aus. Für je 15 Passagiere bekamen wir ein Ticket gratis, bei 30 Leuten zwei.

Ich fand kleinere Junkets besser. Man kannte die Leute, die am Trip teilnahmen, man mischte sich unter sie, und man konnte schnell die Trottel rausfinden, die wir bei den manipulierten Spielen in den Hotels ausnehmen würden.

Bei mehr Teilnehmern verlor man leicht den Überblick und kam ins Schwimmen. Alle meine Kunden waren fanatische Spieler, Leute mit massenhaft Zaster. Wir erkundigten uns über jeden von ihnen, bevor sie abzwitscherten. Wir hatten Beziehungen zu Banken und Finanzierungsgesellschaften, die uns auf den Nickel genau sagen konnten, wieviel Pfunde ein Kunde hatte, wo sie waren und wie er sie hauptsächlich angelegt hatte.

Nach der Abmachung mit Mastrototaro gehörten 35 Prozent aller Einnahmen mir. Mastrototaro kriegte 65 Prozent, aber er mußte die Mechaniker bezahlen, die wir bei den Junkets einsetzten. Tameleo und Patriarca bekamen einen Anteil von ihm und von mir. Wenn ich bei einem Trip zehn Riesen machte, kriegten sie zwei Riesen, also rund 20 Prozent von meinem Profit.

Mastrototaro, Patriarca und Tameleo war es zu verdanken, daß der Esquire Club von Mob-Kasinos einen größeren Anteil bekam als alle anderen Junket-Unternehmen der Welt. Im Londoner »Colony« kriegten wir 15 Prozent von allen Einsätzen. Mit einem Klub, den der Mob in Portugal hatte, handelten wir 25 Prozent aus.

In Antigua machten Charlie the Blade und ich bei den Profiten halbe-halbe, ebenso in einem von ihm kontrollierten Kasino aus Madeira. Beide Kasinos waren Schwindelunternehmen. Ab und zu schleppte ich Junkets ins »Lido Casino« in Santo Domingo, das von Santo Trafficante, dem Boß von Florida, kontrolliert wurde.

Der Laden gefiel mir nicht. Sie wollten einen so großen Anteil, daß es sich nicht lohnte. Ich vereinbarte mit den zuständigen Leuten, Junkets ins Hotel-Kasino »Luncayan Beach« zu lotsen; wir einigten uns auf 25 Prozent. In Curaçao gab es zwei Mob-Kasinos; das eine gab mir 40 Prozent, das andere 35 Prozent.

Die ganze Sache war eine Goldgrube, ich brauchte bloß zu buddeln. Am besten ging es mit dem El Rancho auf Haiti. Patriarca, Tameleo und Mastrototaro kontrollierten das ganze Unternehmen. Es war phantastisch dort. Das Hotel hatte einen nierenförmigen Swimming-pool mitten in einem herrlichen Garten, und von den Zimmern konnte man direkt auf den Swimmingpool sehen.

Unter dem Dach waren zwei Würfeltische, fünf oder sechs Blackjack-Tische, ein Roulett und ein paar Spielautomaten. Alles war gezinkt: die Würfel, die Roulettscheibe, die Karten. Nicht mal bei den Spielautomaten hatte man eine faire Chance.

Da Patriarca der heimliche Eigentümer war, schleppte der Mob seine Junkets aus dem ganzen Land nach Haiti. Junket-Spezialisten von John LaRocca, einem Mob-Typ aus Pittsburgh, von Angelo Bruno, dem Boß von Philadelphia, allein ein halbes Dutzend Junketeers aus New York -- sie alle lotsten ihre Junkets rein und raus. Aber von allen Junketeers machte ich den besten Schnitt. Der Grund war klar: Patriarca war mein Boß, und er war an meinen Einnahmen beteiligt.

Die Junket-Trips nach Haiti waren so organisiert: Jeder Spieler, der mitmachte, mußte im voraus 500 Dollar in bar bezahlen. Flug, Unterkunft und Verpflegung hatte er frei, und wenn er eintrudelte, bekam er zum Spielen Chips für 500 Eier.

Anruf von Papa Doc: Ich gebe Ihnen jedes Hotel, das Sie wollen.«

An den Trips nach Haiti nahmen manchmal 80 Spieler teil, weil ich mehr Leute zur Verfügung hatte, die das Ganze überwachten. Das garantierte dem Kasino ein Minimum von 40 Riesen, und ich machte einen Schnitt von 20 Riesen.

Das war das Minimum, aber ich kann mich an kein einziges Mal erinnern, wo nicht jeder Spieler um mindestens einen Riesen erleichtert wurde; manche wurden sogar zehn oder mehr Riesen los. Jeder Junket-Trip nach Haiti brachte dem Esquire Sportsman's Club zwischen 150 000 und 180 000 Dollar ein.

Bald bekam ich einen Anruf von Papa Doc. Er wollte seine Kasinounternehmungen auf der Insel ausbauen. Ich weiß nicht, warum, aber er mochte mich gern. Wir trafen uns wieder im Präsidentenpalast, und ich aß mit ihm zu Abend.

Wir redeten davon, ein weiteres Kasino einzurichten. Damals gab es nur das El Rancho und das Hotel »International«. Das International war ein Schmalspurladen, und keiner der guten Junket-Trips ging dorthin. Papa Doc meinte, ein zusätzliches Kasino würde mehr Leben in seine Stadt bringen.

Papa Doc hatte eine Kette leerer Hotels in Port-au-Prince. Er hatte die Besitzer enteignet und alles übernommen. Aber seine Leute waren am Verhungern, und er suchte eifrig nach neuen Geldquellen. »Ich gebe Ihnen jedes Hotel, das Sie wollen«, sagte er zu mir. »Mein Minister wird Ihnen alles zeigen. Sie suchen sich eins aus, das Ihnen gefällt, und wir geben Ihnen Geld, damit Sie es nach Ihren Wünschen renovieren können. Sie richten das Kasino ein und leiten es.«

Es klang nach einem prima Geschäft. Dann machte er mir einen weiteren Vorschlag. »Wenn Sie hierherkommen«, sagte er, »beschaffen wir Ihnen ein schönes Heim oben in den Bergen, ein großes Gut. Sie werden wie ein König leben, und wir werden zusammen eine Menge Geld machen.«

Für den Präsidenten einen gestohlenen Cadillac.

Der Alte bot noch andere Garantien: Es werde nie Ärger mit FBI-Agenten geben. »Wenn Sie hier einen entdecken«, sagte er, »dann sagen Sie's mir. Ich werde ihn einsperren lassen, und er wird nicht freigelassen, bevor Sie"s wollen.« Ich wußte, daß er seine Versprechen erfüllen konnte.

Er versteckte immer wieder Mob-Leute in Haiti, Dave Iacovetti, hielt sich dort drei Monate auf, während das FBl mit einem Haftbefehl hinter ihm her war. Joe Bonanno, der alte Mob-Boß, tauchte in Papa Docs Haus in den Bergen unter, als ihn nach seinem Verschwinden im Jahre 1964 die Geheimdienste der halben Welt jagten.

Kurz bevor Patriarca wegen eines Mordkomplotts vor Gericht mußte, wollten wir ihn in Haiti verstecken; aber er hörte nicht auf uns -- er dachte, er werde sich aus der Klemme ziehen können. Wir wollten, daß er in Haiti untertauchte, bis die Zeugen gegen ihn beseitigt waren.

Haiti war Papa Docs Privatgehege. Wenn jemand ins Land kam, erfuhr er sofort davon. Er wußte, wer der Ankömmling war, was er machte und wohin er ging. Wenn ihm nicht paßte, was er herausfand, sorgte er dafür, daß man schnell von der Insel verschwand.

Ich ging mit Papa Docs Vorschlag zu Patriarca. Der Boß brauchte nicht lange, um mir die Sache auszureden. »Vinnie«, sagte er, »es ist eine verdammt gute Idee, aber es wäre nicht recht. Du würdest Joe Kirk in die Quere kommen, und so, wie du arbeitest, würdest du ihn aus dem Geschäft drängen.«

Patriarca hatte recht. Joe Kirk hatte als erster die Kasinosache in Gang gebracht, und wenn ich ein eigenes Hotel aufgemacht hätte, wäre er durch mich finanziell zugrunde gegangen; mit Papa Docs Unterstützung und meinen Beziehungen zum Mob war das sicher. Der Haken war, daß Patriarca dann gegenüber Joe Kirk und anderen das Gesicht verloren hätte.

Es brach mir fast das Herz, aber ich mußte Papa Doc anrufen und mich bei ihm dafür entschuldigen, daß ich nicht in der Lage war, sein Angebot anzunehmen. Ich erklärte ihm, daß ich bei der Sache seinen Freund Joe Kirk aus dem Geschäft drängen würde. »Meine Leute haben mir gesagt, daß ich ihm auf die Zehen treten würde«, sagte ich, »und das wäre nicht richtig.«

Aber ich wollte Papa Doc zeigen, daß ich ihn respektierte und mir seine Freundschaft zu erhalten wünschte. So fragte ich ihn, ob er eine nagelneue Cadillac-Limousine als Geschenk von mir annehmen würde. Er war ganz begeistert. »Eins muß ich allerdings gestehen«, sagte ich, »der Wagen ist gestohlen.«

Papa Doc lachte. »Machen Sie sich deshalb keine Sorgen, Vincent«, erwiderte er. »Sobald er auf meiner Insel ist, ist er in Sicherheit.«

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