GESCHÄFT Sieg für ein Kilo Kaffee
Das hat mit Propaganda nichts zu tun, Sidi. Geschäft, nur Geschäft.« Die Herren Halabi und Barakat und der Scheik el-Ard heben beschwörend die Hände, wenn man sie auf ihre Filme anspricht.
»Das ist ja der Schatten Goebbels'«, hatten besorgt-empörte Attachés in Damaskus' britischer und amerikanischer Gesandtschaft die Filmimporte der drei geschäftstüchtigen Syrer kommentiert.
»Jud Süß«, »Der große König«, »G.P.U.«, »Kolberg«, »Bismarck«, »Ohm Krüger« gehen nacheinander über Damaszener Leinwand. Im Roxy und im Dunia und vor allem im Fardoss, das zu deutsch Paradies heißen würde. Auch in Aleppo, Homs und Hama, im Hafenkino von Lattakia und in der Drusenhauptstadt Suweida.
Bisher sind sechzig deutsche Filme in Syrien angekommen. Vierzig davon dürften sich in der Nachkriegswelt eigentlich nicht mehr sehen lassen. Aber in Syrien kontrolliert die Sittenpolizei, und der liegt es fern, politische Einwände zu machen.
»Als Preußen und als Deutsche ...«, donnert Gneisenau den Syrern entgegen. »Nur wir haben die sittliche und moralische Grundlage für den Führungsanspruch«, belehrt Otto Gebühr tarbuschtragende Araber. »Jawoll«, brüllte ein syrischer Soldat ein dutzendmal in die offene Szene. Das Wort hat er bei seinem deutschen Leutnant aufgeschnappt.
Die Idee zu dem Holzhammer - Filmimport kam von den Brüdern Halabi. In glänzenden Reichsmark-Zeiten kaufte einer von ihnen in Deutschland sechsundzwanzig Filmstreifen, einen Satz aus liegengebliebener Wehrmachtskiste und was es sonst gerade so gab Das Stück für tausend Reichsmark. Das war für die Brüder Halabi damals gerade ein Kilo Kaffee.
Von der Ausfuhr aus Deutschland weiß man nur, daß sie schwierig und gefährlich war und über die Schweiz und Italien ging. In Syrien gibt es dann jeweils 3000 Pfund Unkosten (rd. 5000 DM). Fünfhundert entfallen auf Einfuhrzoll, der Rest auf die Zulassung und die Untertitelung.
Schlecht und recht wurden arabische und französische Erklärungen verfaßt und auf das Zelluloid gepinselt. Aber nur dann, wenn die Uebersetzer den Schauspieler verstanden hatten. Sechzehn von ihren ersten sechsundzwanzig Filmen haben die Herren Halabi schon halbwegs syrienverständlich präpariert.
Scheik el-Ard und Monsieur Brakat sitzen auf derselben Spur, aber jeder auf eigene Rechnung. Zwei andere versuchen krampfhaft, auch noch ins Geschäft zu kommen.
»Jud Süß« eröffnete den syrischen Reigen und brachte mit fast 40000 Pfunden den Klassenrekord. »Eine Art Nationalfilm für die arabische Welt«, schrieben die Zeitungen in Damaskus. Damals wurde noch in Palästina gekämpft.
Dann kam »Münchhausen«, mit herausgeschnittenen Haremsszenen, dafür gleich in drei Exemplaren. Man verstand den deutschen Lügenbaron zwar nicht, aber geklatscht wurde schon der schönen Farben und Bilder wegen.
Bei »Frau meiner Träume« jubelten die Syrer auf offener Szene. »Der Film soll wieder aufgeführt werden«, fordert das Publikum. Aber Monsieur Halabi hält Marika Rökk noch klug zurück. Bis er auch »Robert Koch« an die Araber gebracht und ihnen »Germanin« verabreicht hat.
Noch ist jeder allemanni-Film die ganze Woche über vor ausverkauften Häusern gelaufen. Und die Kiste von Halabi, Barakat und Scheik el-Ard ist noch lange nicht leer.
»Sieg im Westen« sei auch heute noch in Deutschland für ein Kilo Kaffee zu haben, meinte einer der Geschäftstüchtigen, als er dieser Tage wieder nach Deutschland fiog. Durchgelaufene Spielfilme werden in Damaskus heute mit einem fob-Preis von 400 DM kalkuliert. Im Durchschnitt bringt er dem Importeur-Verleiher dann rund 20000 Pfund netto.
Das Geschäftsrisiko liegt nur darin, daß die Konkurrenz einen Film auch schon gekauft und die Untertitel schneller fertig hat. Dann sind 400 DM plus Transportkosten hinausgeworfenes Geld.