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ÄGYPTEN / PUTSCHVERSUCH Sieg verhindert

aus DER SPIEGEL 38/1967

Im Jahre 1811 lud Mehmed Ali, Statthalter des Osmanen-Sultans in Ägypten und früherer Eseltreiber aus Mazedonien, 480 widerspenstige Mameluckenfürsten zu einem Gastmahl auf die Zitadelle von Kairo. Dann befahl er seiner Palastwache, die Gäste bis auf den letzten Mann niederzumachen. So gewann er die Herrschaft über Ägypten.

Im vergangenen Monat lud Ägyptens Präsident Nasser seinen früheren Stellvertreter, designierten Nachfolger und stellvertretenden Oberbefehlshaber seiner Armee, Feldmarschall Amir, zum Dinner in seinen Palast. Dann eröffnete er dem Gast, daß er ihn unter Arrest gestellt habe. So behielt er die Herrschaft über Ägypten.

Denn Nassers oberster Soldat hatte -- so enthüllte Anfang letzter Woche Nassers Sprachrohr »Al-Ahram« -- gegen seinen Präsidenten putschen wollen. Einen Tag vor der Abreise Nassers zum Arabergipfel in Khartum wollte sich Amir eines Teiles der Armee bemächtigen und dem Staatschef ein Ultimatum stellen.

Der Marschall war Anführer der Sündenböcke für Ägyptens Blitz-Niederlage gegen Israel: der ägyptischen Offiziere, die innerhalb von fünf Tagen von den Privilegierten zu den Verachteten des Nil-Landes abgesunken waren.

Für den Obersten Nasser waren die einstigen Kameraden für das Debakel auf Sinai alleinverantwortlich. Deshalb hatte er unmittelbar nach der Niederlage fast 700 Offiziere entlassen, pensioniert oder in das Wüsten-KZ Payoum in Oberägypten deportieren lassen.

Fellachen, die vor dem Krieg den Offizieren die Schuhe putzten, spucken nun Uniform-Träger auf offener Straße an, Taxifahrer weigern sich, die einst Hofierten zu chauffieren.

Am tiefsten war Amir gedemütigt worden -- er hatte schon in der Offiziers-Schule auf Nasser gesetzt. Seit dieser Zeit verband die beiden Kadetten und späteren »Helden der Sowjet-Union« enge Freundschaft. Sie hatten im Palästinakrieg von 1948 zusammen gekämpft und 1952 als Mitglieder des Revolutionsrates zusammen den feisten Faruk vom Thron gejagt.

Nach Faruks Sturz avancierte Amir in einem Jahr vom Major zum General, später zum Marschall. 1964 ernannte Nasser den Freund zum Ersten Vizepräsidenten, der im Falle des Präsidententodes das politische Erbe antreten sollte.

Am Fiasko im Blitzkrieg, das fast zu Nassers Rücktritt führte, zerbrach die alte Freundschaft. Als Armee-Chef wurde Amir gefeuert, als Marschall verzichtete er auf den Vizepräsidenten-Posten, und als Enttäuschter versuchte er, Selbstmord zu begehen. Er blieb am Leben und sann auf Rache. Sein Haus in der Kairoer Nile-Street wurde zum Kameradschaftstreff geschaßter Offiziere.

Nasser und nicht das Offizierskorps sei schuld an der Niederlage, erzählte Amir seinen Besuchern. Er habe dem Diktator genau denselben Überraschungs-Schlag gegen Israels Luftwaffe vorgeschlagen, mit dem die Israelis schließlich Ägyptens Mig-Geschwader vernichteten. Doch Nasser habe abgelehnt.

Der Präsident erfuhr von den Kontakten seines früheren Freundes zu unzufriedenen Offizieren. Mehrmals sei der Staatschef -- so berichteten nach Saudi-Arabien geflüchtete Ägypter-Offiziere -- im Cadillac vor Amirs Villa vorgefahren, um ihn vor Futsch-Plänen zu warnen. Dabei gerieten der Präsident und sein einstiger Vize heftig aneinander; denn Amir bestand darauf, Nasser müsse die Entlassung einiger Offiziere zurücknehmen, weil sie »nicht im nationalen Interesse liegt«. Nasser aber lehnte ab.

Im Jemen-Krieg habe er Nasser stets gebeten, den Kampf durch eine Groß-Offensive mit massiertem Einsatz rasch zu beenden -- oder aber die 40 000 Soldaten des ägyptischen Expeditionskorps abzuziehen. Wieder habe Nasser nein gesagt.

Amir und seine Freunde wollten selbst wieder an die Spitze der Armee. Sie planten, Nassers Flug nach Khartum für den eigenen Höhenflug zu nützen. Zu spät. Kurz vor seiner Abreise stellte Nasser Freund Amir unter Hausarrest, die Leibwache wurde gegen Wächter ausgetauscht. Mit dem Marschall wurden hundert andere Personen verhaftet, darunter der frühere Verteidigungsminister Schamseddin Badran.

Sie sollen wegen Verschwörung vor Gericht gestellt werden. Über das Schicksal seines alten Freundes Amir will Nasser selbst entscheiden.

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