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PORTUGAL So soll es bleiben

Bonner Genossen leisten Portugals Sozialisten Schützenhilfe -- die KP ist auf dem Rückzug.
aus DER SPIEGEL 13/1976

Sie pflegen einander erbittert zu bekämpfen, aber diesmal waren sie sich einig; Gleichermaßen wütend wetterten Portugals KP-Chef Alvaro Cunhal und der Führer der sozialliberalen Volksdemokratischen Partei, Francisco Sa Carneiro, gegen Europas Spitzen-Sozialisten.

Die sozialistischen und sozialdemokratischen Partei- und Regierungschefs waren als geschlossene Gesellschaft in Portugal eingefallen, eingeladen von portugiesischen Genossen -- rechtzeitig vor den ersten freien Parlamentswahlen in Portugal seit einem halben Jahrhundert am 25. April.

Persönlich protestierte der Sozialliberale Sá Carneiro bei den Botschaften aller am Treffen beteiligten Länder und zieh die Sozialisten der »ausländischen Einmischung«. Der Kommunist Cunhal schmähte den Sozialistengipfel als einen »miserablen, arroganten, geschmacklosen Versuch, vor den Wahlen die Meinung der Portugiesen zugunsten einer gewissen Partei zu beeinflussen.

Die Volksdemokraten zürnten wohl vor allem deshalb, weil sie nicht eingeladen waren: Seit langem haben sie vergebens um Aufnahme in die Sozialistische Internationale ersucht. Die Kommunisten grollten wegen des von den SP-Chefs organisierten »Komitees für Freundschaft und Solidarität mit Demokratie und Sozialismus in Portugal«, dessen Promoter Willy Brandt sich rühmte, den portugiesischen Genossen gegen die Gefahr einer kommunistischen Machtübernahme in Portugal geholfen zu haben.

Tatsächlich hat Deutschlands Sozialdemokratische Partei -- unter deren Schutz Portugals Sozialistenchef Mário Soares 1972 in einem Haus der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung in Münstereifel seine Partei gründete -- den portugiesischen Genossen schon im Oktober 1974, ein halbes Jahr nach dem Sturz der Caetano-Diktatur, zum Anti-KP-Kurs geraten.

Während eines dreitägigen Besuchs in Portugal empfahl damals Willy Brandt seinem Freund Soares diskret, sich gegen die Kommunisten abzugrenzen. Doch zu jener Zeit fürchteten die Sozialisten noch die Rechten mehr als die Kommunisten, mit denen sie relativ reibungslos zusammenarbeiteten.

Der Kampf um die Einführung einer Einheitsgewerkschaft, in dem die Sozialisten den Kommunisten unterlagen, trübte dann freilich das Verhältnis zwischen den beiden größten Linksparteien des Landes. Und als nach einem fehlgeschlagenen Putschversuch des abgehalfterten einstigen Revolutionsgenerals Spinola im vorigen März die regierenden Militärs vollends nach links marschierten, alarmierten die Soares-Leute ihre Bonner Gesinnungsfreunde.

Prompt warnte in der ARD-Tagesschau der außenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Bruno Friedrich, vor der Gefahr einer »kommunistischen Diktatur« in Portugal und einer »Belastung für den gesamten Entspannungsprozeß«.

Bei starken Worten blieb es nicht. Während des Wahlkampfes für die Wahlen zur verfassunggebenden Versammlung im vergangenen April reisten Mitarbeiter der Friedrich-Ebert-Stiftung als »Beobachter« mit der Soares-Mannschaft über Land; deutsche Sozialdemokraten berieten die in diesen Dingen noch unerfahrenen portugiesischen Genossen bei der Propaganda-Strategie. Wahrscheinlich spendeten die Bonner auf Umwegen auch für die Parteifonds der Lissabonner -- was das portugiesische Gesetz untersagt -- aber auch Cunhals KP erhielt nicht nur ideologischen Beistand aus Moskau.

Auch nach den Wahlen, die Portugals Sozialisten mit 38 Prozent der Stimmen hoch gewannen, konnten sie auf Hilfe aus Bonn zählen. So beschloß die bayrische SPD, den lusitanischen Genossen mit Druckmaschinen im Wert von 30 000 Mark unter die Arme zu greifen. Komplette Parteibüro-Einrichtungen wurden nach Lissabon geliefert, ebenso wie Stapel des Godesberger Parteiprogramms auf Portugiesisch. Als in Portugal einmal das Zeitungspapier ausging, schickten die Sozialdemokraten Lastwagen mit Papierrollen gen Süden.

Im Juli vergangenen Jahres zog Soares mit seinen Sozialisten aus der Regierung aus, weil er den KP-freundlichen Kurs des Premiers Vasco Goncalves nicht mehr mitverantworten wollte. Die von Sozialdemokraten geführte Regierung in Bonn stoppte die Auszahlung eines 70-Millionen-Mark-Kredits.

»Die SPD ist solidarisch mit den portugiesischen Sozialisten«, so erklärte vergangenen September Willy Brandt dem Freund Soares in Bonn, »und so soll es bleiben«.

Schon einen Monat darauf -- inzwischen war eine neue, die sechste, provisorische Regierung gebildet worden, in der wieder Sozialisten saßen -- besuchte als erster Bonner Bundesminister Verteidigungschef Georg Leber Lissabon. Er drängte seine Gastgeber, ihm die Projekte zu nennen, die mit dem 70-Millionen-Mark-Kredit finanziert werden sollten. Das machte er so: »Schaffen Sie Klarheit über Ihren politischen und ökonomischen Weg, damit wieder privates Kapital in Ihr Land kommt.«

Der fehlgeschlagene Putsch der äußersten Linken am 25. November schuf diese Klarheit, bis auf weiteres.

Die kommunistische Partei, die angeblich den Putschversuch zunächst unterstützt und sich dann -- zu spät -- distanziert hatte, verlor rapide an Macht. Wenn die Wahlen im April den gegenwärtigen Trend bestätigen, wird Portugal eine bürgerliche Demokratie -in der die KP nur im Bündnis mit den Sozialisten politisch überleben könnte:

Schon jetzt weigern sich die meisten Zeitungen im konservativen Nordportugal, KP-Verlautbarungen in ihrem redaktionellen Teil zu veröffentlichen, auf den Azoren sind die Kommunisten wieder verboten, mehrfach wurden Attentate auf KP-Mitglieder verübt. Die katholische Tageszeitung »Diário do Minho« erinnerte ihre Leser vor wenigen Tagen an einen Erlaß des Vatikan aus dem Jahre 1949, nach dem jeder Christ, der Kommunisten unterstützt, automatisch exkommuniziert werde.

Zeit der Anpassung für Portugals KP: In dem jetzt verabschiedeten Wahlkampfprogramm nennt die KP sich nicht mehr, wie bisher, »Partei der Arbeiterklasse«, sondern nur noch »Partei der Arbeiter«.

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