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NATO / MILITÄRHILFE So viele Wünsche

aus DER SPIEGEL 47/1970

Nato-Türken in Brüssel reagierten verblüfft auf den jähen Großmut Ihres deutschen Alliierten: 48 Stunden vor Beginn einer Sitzung der europäischen Nato-Verteidigungsminister hatte Helmut Schmidt Anfang letzter Woche den türkischen Vertretern im Allianz-Hauptquartier ausrichten lassen, die Bundesregierung wolle der Türkei 16 Transportflugzeuge vom Typ C-160 »Transall« schenken, fabrikneu und insgesamt 286,4 Millionen Mark wert.

Bei der Sitzung am vergangenen Dienstag hatten die türkischen Nato-Vertreter immer noch keine offizielle Stellungnahme zu dem generösen Angebot abgegeben. Zwar sind es die armen Nato-Länder Griechenland und Türkei seit Jahren gewöhnt, Kostgänger ihrer wohlhabenden Alliierten zu sein, doch hatten die reichen Länder bislang meist ihre ausgemusterten Waffen auf den Weg nach Südeuropa gebracht -- und auch das noch widerwillig. Ostern 1969 klagte der damalige Außenminister Willy Brandt beim Nato-Jubiläum in Washington nach einem Frühstück mit seinem türkischen Kollegen Ihsan Sabri Caglayangil: »Ich habe vorher nie jemanden getroffen, der in so kurzer Zeit so viele Wünsche äußern kann.«

Die ungewöhnliche Transall-Offerte kam dadurch zustande, daß Bonn sich selber helfen mußte. Seit Jahren nämlich versuchen die jeweiligen Verwalter der Hardthöhe, sich mit Anstand von einer Folge militärischer Fehlplanung zu befreien: 1963 hatte der CDU-Wehrminister Kai-Uwe von Hassel auf Drängen seines Luftwaffen-Inspekteurs Werner Panitzki 110 der bulligen zweimotorigen Transportflugzeuge mit 40 Metern Spannweite und 16 Tonnen Zuladekapazität bestellt.

Schon wenig später war klar, daß diese Transporter-Flotte für die Bedürfnisse der Bundeswehr bei weitem zu groß ausgelegt war. Versuche, den Auftrag um die Hälfte zu kürzen, scheiterten 1967 am Widerspruch der Im Transall-Gemeinschaftsprogramm beteiligten Franzosen sowie daran, daß nach den Gesetzen einer einmal angelaufenen Großserie 55 Maschinen wegen höherer allgemeiner Kosten fast ebenso teuer geworden wären wie 110 Flugzeuge.

Fortan reisten Bonner Händler in ferne Länder, um den mit Hochdruck produzierten Überschuß zu verscherbeln. Selbst in Tokio vollführte eine Demonstrations-Transall ihre Luft-Kunststücke, ohne jedoch die Japaner zum Kauf reizen zu können.

Ebensowenig Erfolg hatten die deutschen Flugzeug-Verkäufer bei Belgiern und Marokkanern. Zwar zeigten sich die Belgier zunächst an 24, die Marokkaner an zwölf Maschinen interessiert, dann aber sprangen beide Regierungen wieder ab -- trotz hoher Rabatte.

Inzwischen nämlich hatte Bonn die Preise gesenkt. Während das Verteidigungsministerium 13 Millionen Mark für jede Transall zu bezahlen hatte, sollten ausländische Käufer einen Nachlaß von drei Millionen Mark pro Stück erhalten. Offizielle Begründung: Es sei international üblich, beim Export von Militärflugzeugen die Entwicklungskosten nicht auf die exportierten Maschinen umzulegen.

Auch nachdem eine von der Bundesregierung dem Roten Kreuz ausgeliehene Transall sich beim Einfilegen von Lebensmitteln ins belagerte Biafra hervorragend bewährt und die Transportleistung aller anderen an der Hilfsaktion beteiligten Maschinen weit übertroffen hatte, wollte sich kein Käufer finden.

Nur die Israelis, die seit dem Sechs-Tage-Krieg längere Nachschublinien haben und deshalb größere Transportkapazitäten brauchen, schienen 1968 ernsthafte Interessenten zu sein. Doch hier befürchtete Bonn politischen Ärger, verwies auf den Grundsatz, Waffen nicht in Spannungsgebiete zu liefern, und winkte ab.

Rücksichtsloser waren die Franzosen. Auch ohne von einem Überangebot geplagt zu sein -- Paris hatte von Beginn an nur 50 Maschinen bestellt verkauften sie bislang neun Flugzeuge fest an die Apartheid-Regierung in Südafrika.

Minister Schmidt entdeckte erst einen Ausweg, die überschüssigen Transporter loszuwerden, als die Amerikaner von ihren europäischen Verbündeten höhere Verteidigungs-Anstrengungen forderten. Er beschloß, den Türken 16 Maschinen als Geschenk anzudienen und sie mit ihrem vollen Wert von mittlerweile rund 18 Millionen Mark pro Stück als westdeutschen Zusatzbeitrag zu präsentieren.

Der Vorteil für den listigen Helmut Schmidt: Er kann zum zweitenmal mit denselben Flugzeugen Eindruck machen. Denn die Kosten für die Transall sind bereits seit Jahren im Bonner Wehrhaushalt als westdeutscher Nato-Beitrag ausgewiesen.

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