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PARTEIEN / NPD Sonst sind wir tot

aus DER SPIEGEL 43/1969

Nach achtstündigem Verhör lobte Kassels Hauptkommissar Wolfgang Freiling den Privatdetektiv Gerd Mihm: »Sie haben der Demokratie einen großen Dienst erwiesen.«

Vor Polizei und Untersuchungsrichter hatte der Privatfahnder behauptet, NPD-Chef Adolf von Thadden und NPD-Pressechef Hans-Joachim Richard hätten einen Heckenschützen zu schützen versucht: den Bundesbeauftragten für den NPD-Ordnungsdienst Klaus Kolley, 39, der beschuldigt wird, am 16. September in der Kasseler Weinbergstraße die Anti-NPD-Demonstranten Bernd Lunkewitz und Michael Hoke durch zwei Pistolenschüsse verletzt zu haben (SPIEGEL 39/1969 und 42/ 1969).

Nach Kolleys Verhaftung waren in der NPD-Zentrale zu Hannover die Kasseler Parteifreunde Werner Fischer und Friedhelm Freiling vergattert worden: »Das können Sie auf keinen Fall sagen«, so Thadden laut Mihm, »denn sonst sind wir alle tot.«

Was Fischer hätte sagen können und was von Detektiv Mihm auf eigene Faust recherchiert wurde, hatte sich am Tatabend gegen halb neun begeben. Nach den Schüssen eilte Adolf von Thadden in Fischers Wohnung am Weinberg, in seinem Gefolge Kolley, der vom Hausherrn wissen wollte: »Gibt es denn hier keinen Hinterausgang?« Fischer zum SPIEGEL: »Ich hatte angenommen, daß er sich mit der Apo geprügelt hat.«

Fischer-Sohn Martin, 14, erhielt vom Vater den Auftrag, Kolley über eine Wendeltreppe und ein Nachbargrundstück nach draußen zu bringen. Der minderjährige Fluchthelfer nach der Rückkehr: »Vati, dieser Mann hat ja noch eine Pistole in der Hand gehabt.«

Als freilich die Polizei nach dem Schützen fragte, hatte im Hause Fischer keiner einen gesehen. Adolf von Thadden unterzog sich bereitwillig einer Leibesvisitation, der Fischer-Sproß gab an, er habe zur fraglichen Zeit auf der Toilette gesessen.

Mehr noch: Deutschlands Rechte beschuldigt die Linke des Totschlagversuchs. Thadden: »Diese Schüsse können auch mir gegolten haben.« Fischer ließ sich -- angeblich aus Furcht vor einem Attentat -- auf einer Bahnfahrt nach Wiesbaden ins Abteil einschließen. NPD-Bundestagskandidat Dr. Felix Buck, der ebenfalls in der Fischer-Runde gesessen hatte, barmte: »Ich habe Angst.«

Und der Kasseler NPD-Funktionär Friedhelm Freiling, ein Vetter des mit der Untersuchung beauftragten Kommissars Wolfgang Freiling, gab sich ebenfalls ahnungslos, als der Cousin von der Polizei ihm eine Kolley-Skizze vorhielt: »Ich habe mir Bedenkzeit ausgebeten.« Er bedachte bis zum 29. September, dem Tag nach der Bundestagswahl -- dann gab er Kolley preis. Wenig später offenbarten sich Freiling und Fischer dem Privatfahnder Mihm.

Vorletzten Freitag endlich baten die beiden Nationaldemokraten in Adolf von Thaddens Büro um Aussagegenehmigung -- begleitet von Mihm, der im Zuge der nationaldemokratischen Verneblungsaktion von der NPD beauftragt worden war, den Pistolenschützen zu ermitteln, jedoch beizeiten mißtrauisch wurde.

In Hannover freilich zeigten die Parteispitzen wenig Neigung, den beiden Zeugen freie Rede zu gestatten. Fischer, Fraktionschef der NPD im hessischen Landtag und ehemaliger Schöffe, nach dem Gespräch zum SPIEGEL: »Allein abzusprechen, wie zu schwören wäre, wäre schon zuviel. Aufgrund des Gesprächs gibt es zwei Alternativen für mich: einer Gruppe von Leuten anzugehören, die wissen, daß ihre Aussage falsch ist, das ist für mich eine Gang. Oder aber: personelle Alternativen zu erreichen ... Ich hatte den Eindruck, daß ich dem Richard eins in die Schnauze hauen müßte.« Freiling empfand das Verhalten seiner Oberen, »gelinde gesagt, als eine Schweinerei« und sekundierte dem Parteifreund: »Nicht nur dem Richard.«

Mittwoch letzter Woche meldete sich Fischer beim Kasseler Untersuchungsrichter, Landgerichtsrat Alfred Haber, »um das zu ergänzen, was in meiner früheren Vernehmung noch gefehlt hat«. Und auch Detektiv Mihm (NPD-Richard: »Eine schräge Figur, ich dachte, es sei ein SPIEGEL-Redakteur") -- inzwischen Waffenscheininhaber -- breitete am selben Tage vor Haber und der Sonderkommission seine Recherchen aus.

Was beide zu sagen hatten, könnte den beteiligten Nationaldemokraten üble Vorwürfe eintragen: Begünstigung, versuchte Verleitung zu Falscheid oder Falschaussage.

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