Sorgen im Süden
Einer wird gewinnen: In wenigen Wochen fällt die Entscheidung, wer von den vielen westdeutschen Südwanderern, die sich ein Domizil im sonnigen Spanien wünschen, einen Gratis-Bungalow im Werte von 50 000 Mark erhalten wird.
Dieses Ferienhaus will Westdeutschlands mobilste Immobilienfirma, die Contracta Gesellschaft für Auslandsbesitz & Co. KG, dem zehntausendsten Teilnehmer ihrer Besichtigungsflugreisen schenken. Jede Woche startet der
Contracta-Chef Rudolf Ratzel, 44, mit rund 80 Ehepaaren nach Italien, Spanien und Portugal. Die mehrtägige Reise kostet für zwei Personen nur 450 Mark, einschließlich Unterbringung in erstklassigen Hotels. Die Passagiere sollen einen möglichst günstigen Eindruck von der Contracta gewinnen.
3300 Bundesbürger haben sich bereits ein Ratzel-Refugium zugelegt. Über 1000 Objekte stehen noch zum Verkauf. Wie kein zweiter Sonnenstrand-Verkäufer hat der Contracta-Chef den teutonischen Drang nach Süden kommerzialisiert. Rund 200 Millionen Mark wandten die Bundesbürger in den letzten zwölf Monaten für Ferienhäuser Im Ausland auf, davon kassierte die Contracta allein 50 Millionen Mark. Die Palette ihres Angebots reicht von Volks -Bungalows in Reihenhausform (Preis etwa 50 000 Mark für einen Wohnteil) bis zu luxuriösen Villen.
Mit Vorliebe katapultiert die Stuttgarter Gesellschaft ihre Landsucher an die Mittelmeerküsten Spaniens. Wo einst die Vandalen hausten, im südspanischen Vandalusien (heute Andalusien genannt), domizilieren jetzt Ratzels Kunden. Seine vollmundige Werbung, die ihn jährlich 2,5 Millionen Mark kostet, verspricht ihnen längeres Leben und beste Nachbarschaft.
High Society ist in der Tat vorhanden. In und um Marbella, wo ein Contracta -Gelände liegt, kauften sich unter anderen an: General Eisenhower und Otto Fürst von Bismarck, Aristoteles Onassis und Professor Messerschmitt, Bierbrauerstochter Neelia Guinness und Millionärsgattin Lucia Münemann aus München.
Zur Contracta verirrte sich von der Prominenz nur der nicht sehr vermögende Enkel des letzten deutschen Kaisers, Alexander Prinz von Preußen, der in einem Appartementhaus der Ratzel -Gesellschaft eine Dreizimmerwohnung erwarb. Das Gros der Kunden (39 Prozent) setzt sich aus selbständigen Kaufleuten und Unternehmern zusammen. Aber auch ein Kellner legte seine Ersparnisse bei der Contracta an.
Jüngster Hauseigentümer ist ein 21jähriger Student, ältester ein 87jähriger Schnapsbrenner mit sechs Bungalows.
Etwa die Hälfte der Kunden kaufte auf Raten mit vierjährigern Abzahlungstermin. Ein vermögender Landwirt hingegen brachte gleich bei der Besichtigungsreise soviel Bargeld mit, um drei Häuser kaufen zu können.
Der spontanen Begeisterung während der Blitzflüge und Besichtigungen folgt indes auch manchmal bittere Enttäuschung, wenn die Käufer Ihre meist Im Rohbau erworbenen Contracta-Häuser übernommen haben. Als Ratzel Im September mit einer großen Reisegruppe seine südspanische Urbanisation Costa Bella bei Marbella besuchte, mußte er sich die Beschwerden vorjähriger Kunden anhören, die dort ihren Urlaub verbrachten.
-Sie klagten zum Beispiel über Trinkwassermangel, stromlose Elektroleitungen, lecke Dächer, schadhafte Türen und Fenster oder auch über unpräzise Landvermessung. Manche Käufer hatten erst nach Monaten gemerkt, daß an der vertraglich vereinbarten Grundstücksgröße bis zu zehn Prozent fehlten.
In mehreren Fällen hatten die Ratzel -Männer auf Parzellen, die ursprünglich für zwei Bungalows bestimmt waren, noch ein drittes Haus errichtet. Dadurch wurde der teure Baugrund (Quadratmeterpreis 60 bis 70 Mark) besser ausgenutzt, den Käufern aber die Sicht verbaut oder die Zufahrt versperrt. Einem Hausbesitzer haben die Bauland-Ökonomen den Weg zu seiner Garage so stark beschnitten, daß man ihn nur mit einem Motorroller befahren kann.
In seinem Contracta-Club-Journal verspricht Westdeutschlands erfolgreichster Immobilienhändler den sonnenhungrigen Hauskäufern, daß sie durch günstige Vermietungen jährlich etwa zehn Prozent Rendite kassieren können: »Sie brauchen sich dabei weder um Gäste noch um irgendwelche Formalitäten zu bemühen, die-Reisegesellschaften nehmen Ihnen all das ab.«
Bisher konnten die meisten Contracta -Hausbesitzer bei Marbella nicht einmal die laufenden Unkosten für Grundsteuer und Verwaltung erwirtschaften, denn andere Urbanisationen In der Umgebung fanden bei den Touristen mehr Anklang, solange noch auf Ratzels Gelände Baubetrieb herrscht.
Ein Bungalow-Besitzer entdeckte allerdings, daß sein Haus während seiner Abwesenheit vermietet worden war. Er sah es an den hinterlassenen Spuren und stritt sich mit den Verwaltern um die Einnahmen.
Ratzei dämpfte den Lärm der Kritiker, die seine Contracta-Häuser »Casa vertracta« nannten, als er mit den Unzufriedenen Kompromisse schloß. Einer aggressiven Berlinerin zahlte er kürzlich sogar den vollen Kaufpreis zurück.
Versöhnt sind auch jene Kunden, die ihre Objekte mit Gewinn weiterverkauften. Bei der anhaltenden Völkerwanderung nach Süden sind der .Boden und das Bauen In Spanien immer teurer geworden, so daß die Andalusien-Schwärmer zum Beispiel für einen Bungalow, der vor zwei Jahren 50 000 Mark kostete, heute 65 000 bis 70 000 Mark bieten.
Jetzt soll eine neue Ratzel-Gesellschaft, die Eurocura, die Verwaltung und Betreuung der Privathäuser im Ausland übernehmen und Hilfestellung bei der Vermietung und Abrechnung leisten«. Außerdem will die Stuttgarter Zentrale vertrauenswürdigere Verwalter einsetzen, denn einen neuen Eklat kann sich das Unternehmen in Spanien nicht leisten. Dort wurde die Contracta vor drei Jahren wegen des Verdachts unlauterer Methoden vom Fiskus scharf angefaßt.
Ratzel gründete dann am 24. Januar 1963 im Steuerparadies Liechtenstein eine Nebengesellschaft, die Euroland AG für europäischen Grundbesitz. Sie erwirbt seither offiziell das Bauland für neue Contracta-Siedlungen und übernimmt auch die Landerschließung.
Im Verwaltungsrat der Euroland thront als würdige Repräsentationsfigur Seine Durchlaucht Prinz Emanuel von und zu Liechtenstein, ein aus Böhmen und Mähren vertriebener Vetter des regierenden Landesherrn. Der Prinz ist zwar nicht mit Reichtümern gesegnet, aber sein Name vergoldet das Firmenschild der Euroland.
Das Grundkapital der Gesellschaft wird zur Zeit von sechs auf zehn Millionen Schweizer Franken (9,147 Millionen Mark) erhöht. In den Verkauf der Anteilscheine schaltete Ratzel seinen politischen Berater ein - den CDU-Bundestagsabgeordneten Arthur Missbach aus Hannover, der Contracta-Anteile besitzt und 'dem Gesellschafterbeirat angehört.
Der Parlamentarier aus Niedersachsen
- im Hauptberuf Verleger eines Informationsdienstes und Geschäftsführer des Verbandes der Deutschen Mützen- und Mützenzutaten-Industrie - brachte seine und Ratzels Interessen unter einen Hut. Seine »Vertraulichen Mitteilungen aus Politik und Wirtschaft« preisen die Euroland-Aktien als diamantähnliche Effekten mit hoher Dividendenträchtigkeit. Wer Missbachs Dienst abonniert, erhält sie zum Vorzugskurs von 120 Prozent des Nominalwertes.
Die meisten neuen Anteilscheine werden während der Besichtigungsreisen im Flugzeug verkauft, wenn die Passagiere noch vom makellosen Ferien- und Alterssitz in Andalusien oder auf Madeira träumen.
Da die südlichen Zweitwohnungen über 1000 Kilometer vom ersten Wohnsitz entfernt liegen, richtete der Stuttgarter Immobiliengrossist einen Flugdienst ein, der die Bungalow-Besitzer an bestimmten Wochentagen zu sehr günstigen Tarifen in die Nähe der Sonnen-Siedlungen bringt. Die Contracta beteiligte sich zu 50 Prozent an der Südwestflug GmbH in Baden-Oos, die über eine viermotorige DC 6 und drei zweimotorige Verkehrsflugzeuge verfügt.
Dem Ferienhaus-Konzern fallen die neuen Investitionen nicht schwer. Seine Manager rechnen in diesem Jahr bei 50 Millionen Mark Umsatz mit etwa 30 Prozent steuerpflichtigem Gewinn.
Südspanische Contracto-Siedlung: Wer ist mit seinem Haus zufrieden?
Contracta-Chef Ratzel
Millionen-Geschäfte im Flugzeug