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Briefe

Sozialer Sprengstoff
aus DER SPIEGEL 28/1997

Sozialer Sprengstoff

(Nr. 26/1997, Titel: Ausbildung - Generation ohne Chancen)

Die Probleme bei der Jobsuche und der Mangel an Ausbildungsplätzen sind Tatsachen, die den Jugendlichen in Deutschland schwer im Magen liegen. Doch wer sich hinstellt, ein Weltuntergangsszenario entwirft und sagt, daß jetzt alles aus und vorbei sei für die neue Generation, der macht es sich zu einfach. Denn die Wirtschaft braucht die Jugend nicht nur als Nachwuchs und zukünftiges Fundament ihrer eigenen Existenz, die Jugendlichen werden auch als Zielgruppe für die Unternehmer immer interessanter. Es liegt daher im eigenen Interesse der Firmen, auf die Jugend zu bauen und sich um sie zu bemühen.

München Angela Heuschkel

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Das gesamte Ausbildungswesen bedarf einer schnellen und gründlichen Reform. Viele Berufe wird es in wenigen Jahren nicht mehr geben, die brauchen nicht mehr erlernt zu werden. Dafür wird es neue qualifizierte Berufe geben, von denen Behörden/Universitäten/Arbeitsämter heute noch keine konkreten Ausbildungsvorstellungen haben.

Lampertheim (Hessen) Freddy Kraus

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Nachdem nun etwa 30 Jahre lang reform- pädagogische Impulse die Struktur unseres Bildungs- und Erziehungswesens in immer stärkerem Maße geprägt haben, lassen die jetzt in die Öffentlichkeit gelangten Daten über leistungsbezogene, aber auch erzieherische Defizite die Notwendigkeit einer zweiten Bildungsreform sichtbar werden. Welchen Verlauf die Diskussion nehmen wird, läßt sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht seriös vorhersagen, eines steht jedoch mit Sicherheit fest: Mit dem starren Festhalten an liebgewonnenen Denkgewohnheiten aus der Zauberkiste ei- ner in die Jahre gekommenen Reformpädagogik wird man die Krise wohl nicht bewältigen können.

Hamm Bernhard Winter

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Die Profitgier potentieller Unternehmer läßt keinen Raum für die Verantwortung gegenüber jungen Menschen. Wo bleibt das humane Pflichtgefühl, wenn dem ohnehin verschlissenen Arbeitnehmer sein wohlverdienter Ruhestand wegen einer miserablen Politik drastisch verkürzt wird und gleichzeitig arbeitsfähigen und arbeitswilligen jungen Menschen eine solide Berufsausbildung verwehrt wird? Sind sich die leichtfertig agierenden Opportunisten bewußt, welch ein unkalkulierbares Wachstum an sozialem Sprengstoff mit all ihren kriminellen Folgereaktionen sie selber provozieren?

Düsseldorf Günter Freudmann

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Wieder einmal werden die deutschen Universitäten in der Presse schlechter gemacht, als sie wirklich sind. Die Finanzknappheit der Hochschulen, die schwierige Situation auf dem Arbeitsmarkt, die wachsende Dynamik der Wissenschaften und nicht zuletzt die zunehmende internationale Konkurrenz haben beachtliches Umdenken und Reformbewegungen in Gang gesetzt. So wurden Prüfungs- und Studienordnungen entrümpelt und um zukunftsträchtige, auch fachübergreifende Inhalte bereichert, wurden die Studienberatung intensiviert und internationale und berufsorientierte Ausrichtungen etabliert. In unserem Fachbereich schließen über 25 Prozent der Studierenden mit einem Examen ab. Die meisten Studienabbrecher der Mathematik werden bereits im ersten Semester registriert (circa 60 Prozent), da die Anforderungen an Begabung und Leistungsbereitschaft offensichtlich höher sind als die zum Abitur erforderlichen. Die zu Recht beklagten überlangen Studienzeiten sind inzwischen hauptsächlich auf die unzureichende Grundfinanzierung der Studierenden zurückzuführen. Mehr als die Hälfte müssen zu ihrem Lebensunterhalt dazuverdienen, wodurch ihnen viel Zeit und Kraft fürs Studium verlorengehen.

Berlin Prof. Dr. E. Fehr

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