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China Soziales Desaster

aus DER SPIEGEL 35/1993

In einem Geheimpapier warnt Chinas Propagandaministerium vor einer sozialen Katastrophe. Wenn das Wohlstandsgefälle zwischen Stadt und Land weiterhin so rapide wachse wie in den vergangenen 15 Reformjahren, müsse damit gerechnet werden, so das streng vertrauliche Kader-Rundschreiben mit der Nummer 30/1993, »daß bis zum Jahre 2000 mehr als 200 Millionen überflüssige ländliche Arbeitskräfte in die Großstädte strömen«. Während die Städte prosperieren, werden auf den Dörfern minimale Grundbedürfnisse nicht befriedigt. Schon im Frühjahr hatte es deshalb Bauernaufstände gegeben. Die soziale Versorgung der Städter, die knapp ein Viertel der Gesamtbevölkerung ausmachen, übertreffe die der rund 900 Millionen Landbewohner um das 30fache, heißt es in dem Papier. Ihre Kaufkraft sei dreimal so groß. Nicht besser steht es anscheinend um die Infrastruktur: 8 Prozent der Dörfer, so das Dokument, sind noch an kein Straßennetz angeschlossen, 30 Prozent verfügen nicht über ein Post- und Telegrafenamt. Ein Drittel der Gemeinden haben kein Krankenhaus, 12 Prozent nicht einmal einen Arzt in erreichbarer Nähe. Auf dem Land sind viermal mehr Analphabeten zu finden als in der Stadt. Um dem Mißstand abzuhelfen, empfehlen die Verfasser, das »sehr mangelhafte« Schulwesen zu verbessern und Erwachsenenbildung in den Medien zu forcieren. Nur: Ein Fünftel der Landbevölkerung kann kein Radio- und Fernsehprogramm empfangen.

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