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SÜDAMERIKA-ROUTE Später Kranich

aus DER SPIEGEL 52/1965

Die Boeing 707 der Deutschen Lufthansa AG, die am 11. Januar 1966 um 10.15 Uhr auf dem Frankfurter Rhein-Main-Flughafen nach Santiago de Chile - über New York, Jamaika und Peru - startet, hat 14 Monate und elf Tage Verspätung.

Im Frühsommer 1964 schon hatte der Vorstand der Lufthansa beschlossen, neben der seit 1958 beflogenen Strecke - von Frankfürt über Dakar und Buenos Aires nach Santiago - eine zweite Linie über New York einzurichten. Der Jungfernflug war für den 1. November 1964 vorgesehen.

Juristisch schien der Start klar zu sein: Die Landerechte in Jamaika, Peru und Chile waren beschafft, das Recht, in New York zwischenzulanden und Passagiere aufzunehmen, stand der Lufthansa bereits seit 1955 zu. Damals hat die Bundesrepublik die Lufthoheit zurückerhalten und auch mit der amerikanischen Regierung ein Abkommen über den gegenseitigen Flugverkehr geschlossen.

Vorstand und Aufsichtsrat der Lufthansa waren sicher, daß die US-Luftfahrtbehörde Civil Aeronautics Board (CAB) keine Schwierigkeiten machen würde. Der Flugweg ab New York nach Südamerika ist die einzige von der Lufthansa beanspruchte Transitstrecke in den USA, während amerikanische Gesellschaften zahlreiche Streckenrechte in der Bundesrepublik ausnutzen (SPIEGEL 20/1962).

Als die Lufthansa der in den USA für die Flugbetriebsbewilligung zuständigen Bundesbehörde CAB mitteilte, sie wolle von ihrem Streckenrecht Gebrauch machen, galt die Zusage als sicher. Wenige Stunden vor der für den 17. Juni 1964 festgesetzten Verhandlung jedoch geriet der deutsche Lufthansa-Kranich unter gezielten Flakbeschuß der Konkurrenz.

Die beiden US-Gesellschaften Braniff Airways und Pan American Grace Airways (Panagra)* hatten gegen die zuständige Bundesbehörde eine Einstweilige Verfügung erwirkt. Die Flugerlaubnis für die Deutschen, so begründeten die Firmen ihren in der Luftfahrt einmaligen Schritt, liege nicht im öffentlichen Interesse der Vereinigten Staaten. Braniff-Vizepräsident Tom Robertson: »Zwischen den USA und Lateinamerika gibt es bereits genug Fluglinien.«

Im vergangenen Jahr flogen 313 000 US-Urlauber nach Jamaika, und die Braniff- und Panagra-Manager argwöhnen, die Lufthansa beanspruche die neue Strecke nur wegen dieses lukrativen Teilstücks. Lufthansa-Vorstandsmitglied Hans. Süssenguth behauptet dagegen: »Uns liegt an der zweiten Verbindung nach Südamerika und nicht an der Strecke New York - Jamaika.«

Die Amerikaner verklagten das CAB mit dem Antrag, die neue Lufthansa-Linie abzulehnen. Das Verwaltungsverfahren ging durch drei Instanzen, und alle drei befanden, die Zwischenlandung der Deutschen in New York sei Rechtens.

Im vergangenen Monat stimmte Präsident Johnson der Entscheidung zu. Zwei Auflagen haben die US-Gesellschaften durchgesetzt:

- In New York darf die Lufthansa

ihre Flugzeuge nicht auswechseln;

- viermal im Jahr muß sie dem CAB

die genaue Zahl der pro Monat in New York zusteigenden Passagiere melden.

Braniff und Panagra hoffen, der US -Luftfahrtbehörde damit ihren Verdacht, es gehe der Lufthansa nur um das Jamaika-Geschäft, statistisch beweisen zu können.

Pan American World Airways, die Holdingfirma der Panagra, ging inzwischen zum normalen Konkurrenzkampf über. Wenige Tage nachdem die Lufthansa in Großannoncen ihre neue Linie angekündigt hatte, warb die Pan Am in bundesdeutschen Blättern: »Fliegen Sie mit uns nach Buenos Aires. Auf dem Wege zeigen wir Ihnen New York für nur 90 Mark mehr.«

* Die Anteile der Panagra werden von der Pan American World Airways und dem Chemiekonzern W. R. Grace & Co. gehalten.

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