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UNTERNEHMEN / BLATZHEIM-BETRIEBE Sparen und sperren

aus DER SPIEGEL 31/1967

Das Geschäft mit der Fidelitas floriert nicht mehr. Im nächtlichen Amüsier- und Dienstleistungsgewerbe erloschen viele rote Laternen. Statt sich bei Strip-tease und Sekt aufzuladen, sorgen sich die früheren Stammkunden um ihre lecken Ladenkassen und Bilanzen.

Diesem Zwang der Zeit mußte sich auch Großgastronom Hans Herbert Blatzheim, 61, beugen. Seine letzte Bilanz schloß bei 41 Millionen Mark Umsatz zum erstenmal mit Verlust (44 000 Mark minus) ab. Er reist jetzt als sein eigener Sparkommissar von Betrieb zu Betrieb, kontrolliert, rationalisiert, kürzt den Spesenaufwand seiner Geschäftsführer, spart und sperrt.

An elf Kettenlokalen der Blatzheim-Typen Edelweiß, Tabu, Black Horse und Habanera hängt bereits das Schild »Geschlossen«. In Düsseldorf verkaufte der Rationalisierer das Nachtparadies Eve. Jeder Strip hatte den Clubbesitzer pro Abend 120 Mark gekostet. aber es fehlte das zahlungsfähige Publikum, so daß Eve monatlich 28 000 Mark Verlust machte.

Auch in Blatzheims »Tempel der Gourmets« » der Schlemmer-Rotunde Bastei am Kölner Rheinufer, sanken die Einnahmen, nachdem die großen Industrieunternehmen ihre Repräsentationsfonds -- früher jährlich drei bis fünf Millionen Mark -- stark beschnitten hatten. Einer der größten Ruhrkonzerne bewilligte für ein Gäste-Essen des Vorstands mit brasilianischen Kunden nur 25 Mark pro Person, klagt Blatzbeim.

Durch die Schließung der unrentabelsten Restaurants konnte der Ökonom die monatlichen Ausgaben für Löhne und Gehälter -- fast eine Million Mark -- um 220 000 Mark senken. Er konzentriert sich jetzt auf 71 Gaststätten und Hotels. Mit energischer Hand drehte der gelernte Bankkaufmann den Kreise] der Expansion zurück, der ihn vor wenigen Monaten fast In die Tiefe gerissen hätte. Während er 18 neue Nobelrestaurants einrichtete, waren seine Verbindlichkeiten gegenüber Lieferanten und Banken auf etwa 9,5 Millionen Mark gestiegen.

Von Sorgen geplagt, schrieb Blatzheim am 17. Mai Brandbriefe an 70 Brauereien, Spirituosen- und Lebensmittellieferanten, denen er seit längerer Zeit 1,8 Millionen Mark schuldete. Er bat die Gläubiger, »Ihre noch offenstehenden Rechnungsbeträge in ein Schuldscheindarlehen umzuwandeln, das wir mit sieben Prozent verzinsen und das vom 1. März nächsten Jahres

* Morgengymnastik in seiner Tessiner Villa mit Dr. med. Peter Beckmann (l.).

mit je 20 Prozent in fünf Raten monatlich getilgt wird«.

In mündlichen Verhandlungen drohte er mit katastrophalen Möglichkeiten. »Im Fall X hätte ich auch Vergleich anmelden können; dann hätte ich wahrscheinlich nur 40 Prozent (der Schuldsumme) zu zahlen brauchen«, sagt Blatzheim heute.

55 Gläubiger nahmen die Schuldscheinpapiere statt überfälliger 1,729 Millionen Mark Bargeld; die übrigen Lieferanten, darunter die Münchner Paulaner-Salvator-Thomasbräu -- AG, wurden abgefunden und sind jetzt bei Blatzheim abgemeldet:., Ich schwöre beim Leben meiner Kinder. daß die bei mir keinen Tropfen mehr loswerden.«

Noch bevor ihm die Krise hart auf den Leib rückte, hatte der Rheinländer versucht, seine Liquiditätslücke durch Anlehnung an den größten deutschen Gastwirt, Friedrich Jahn, Inhaber von 239 Wienerwald-Restaurants, zu stopfen. Doch der Brathendl-Millionär wollte nicht mit Blatzheim fusionieren.

Er überließ dem Konkurrenten aber neidlos seinen ehemaligen Kompagnon und Steuerberater Ludwig Robeller, der sich 1966 mit einer Jahn-Abfindung bei der Blatzheim AG als Aktionär einkaufte. Der Kölner Gastronom schenkte dem Überläufer so viel Vertrauen, daß er ihm die Leitung des gesamten Unternehmens übertrug. Von zwei Herzinfarkten angeschlagen, zog sich der Boß in seine Luxusvilla »Maro« am Luganer See zurück.

Robeller baute indes Blatzheims Warenhaus der Gastronomie weiter aus und richtete mit 2,2 Millionen Mark neue Etablissements ein. Er hißte die Flagge seines Herrn sowohl auf Helgoland als auch in Viersen und Kaiserslautern, wo er ein anrüchiges Freizeitgehege amerikanischer Soldaten in ein gutbürgerliches Hotel mit Edelweiß-Restaurant und Tabu-Keller umwandelte.

Da die Ordnungshüter in Kaiserslautern nach der Rote-Inge-Affäre auf strikte Einhaltung der Polizeistunde achten, geriet das Kombi-Unternehmen, in das Robeller 440 000 Mark investiert hatte, sofort in rote Zahlen. Im Mai zog Aufsichtsratsvorsitzei Blatzbeim die Bremse.

Robeller trat als Vorstandsvorsitzer zurück und verkaufte seine Blatzheim-Aktien. Der Boß übernahm wieder selbst das Zepter und begann nun den Rückzug nach der Devise: sparen und sperren. Seinen sieben Bezirksdirektoren sperrte er sogar alle Auto-Dienstfahrten. Er kaufte ihnen Netzkarten der Bundesbahn.

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