ZAHNÄRZTE Spatzen tot
Friedhelm Farthmann, profilierter Sozialdemokrat und Sozialminister in Nordrhein-Westfalen, stellte sich schützend vor einen politischen Gegner. Er nahm den nicht minder profilierten Christdemokraten Ernst Albrecht in Schutz, als der von der nordrheinischen Kassenzahnärztlichen Vereinigung (KZV) angenommen wurde.
Diese KZV hatte Albrecht nämlich als einen ehemaligen »Krankheitsanbieter« beschimpft, weil er Manager bei Bahlsen-Keks in Hannover gewesen war. Und da wird allerlei Naschwerk bereitet, Gift fürs Gebiß.
Zwar leben die Zahnärzte nicht schlecht, auch von den Folgen des Kekskonsums, aber Albrecht hatte sie seinerzeit an einem empfindlicheren Nerv getroffen: Seine Landesregierung ließ im Bundesrat das Kostendämpfungsgesetz passieren, Paragraphen, mit denen sich die Zahnärzte bis heute noch nicht abgefunden haben.
Farthmann, dessen Ministerium die Dienstaufsicht über die Kassenzahnärztliche Vereinigung obliegt, ordnete ganz formell an, daß solche Äußerungen künftig zu unterbleiben hätten, und zitierte Eduard Knellecken, den KZV-Vorsitzenden von Nordrhein, in sein Düsseldorfer Ministerium.
Jedermann, auch einem Mediziner, so Farthmann, sei es unbenommen, »amtierende Persönlichkeiten und bestehende Institutionen anzumisten, soviel er will« -- aber nicht als Vertreter einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft wie der KZV. Schließlich hätten die von der Ärztevereinigung erhobenen Zwangsbeiträge steuerähnlichen Charakter; jeder Zahnarzt muß sie zahlen, will er nicht auf Kassenpatienten verzichten. Deshalb dürften die Beiträge nicht dazu dienen, allgemeinpolitische Verlautbarungen zu finanzieren.
»Für den Fall, daß sich die KZV nicht an diese Anordnung hält«, so Farthmann, werde er vor Gericht gehen und jedes einzelne Vorstandsmitglied »persönlich haftbar machen«.
Vor dem Sozialgericht werden sie sich wiedersehen -- denn Knellecken schert sich keinen Deut um Farthmanns Anordnungen »Erst nach der letzten Instanz«, sagt der Zahnarzt, »werden wir wissen, ob wir zurückhaltender sein müssen.«
Kaum war die Albrecht-Attacke verklungen, bohrte Knellecken schon weiter, nun gegen den, der ihm das Kostendämpfungsgesetz eingebrockt hatte: Bundesarbeitsminister Herbert. Ehrenberg.
Unvergessen ist bei allen Standesvertretern, daß Ehrenbergs Ministerium für 1976 ausgerechnet hatte, was ein Zahnarzt so verdient: »Es ist von einer geschätzten Bandbreite von 210 000 bis 225 000 Mark Bruttojahreseinkommen auszugehen.«
Da wollten sich die Zahnärzte auch nicht lumpen lassen und machten eine Gegenrechnung auf: »Ein Ehrenberg-Taler = Zahnarzt-Mark«, so das »Rheinische Zahnärzteblatt«. Einschließlich aller Leistungen, bis hin zur Pension für seine Witwe, entspreche Ehrenbergs Einkommen der stattlichen Summe von 810 211,30 Mark. Zwar nicht in bar, und schon gar nicht netto, aber so viel müsse ein Freiberufler verdienen, um mit dem Minister, der auch Abgeordneter ist, gleichzuziehen.
»Herr Minister Ehrenberg«, so Knelleckens klassenkämpferische »Diagnosen aus Gesundheits- und Gesellschaftspolitik«, empfinde »offensichtlich keine Scham, sich von lohnabhängigen Arbeitern finanziell in einer Weise absichern zu lassen, wie es in älteren Zeiten selbstherrlichen Feudalherren nicht möglich war«.
Solche und ähnliche Äußerungen sind für Farthmann »ein eindeutiger Rechtsbruch«. Denn: Die KZV habe keine politische Erklärung für ihre Zwangsmitglieder abzugeben, sondern sich »ausschließlich auf die Zahngesundheit der Bürger zu beschränken«.
Dabei räumte der Sozialdemokrat durchaus ein, daß Minister womöglich zu hoch honoriert werden, der Minister Farthmann hat selbst hin und wieder öffentlich darüber nachgedacht. Nur, sagt er, »der Ehrenberg kriegt keinen Pfennig, der ihm nicht vom Bundestag bewilligt wurde -- das hat eine öffentlich-rechtliche Körperschaft wie die KZV nicht in den Dreck zu ziehen«.
Tut sie aber. Und einen Dreh, dem Ganzen einen gesundheitlichen Touch zu geben, wird sie sicher auch in diesem Fall finden.
Schließlich ist das Knellecken. wie er meint, sogar gelungen, als er sich für die KZV gegen die Kernkraft aussprach. Spätfolgen für die Gesundheit, so argumentierte er, seien beim Betrieb von Kernkraftwerken wahrscheinlich, insbesondere werde es »zu einer Vermehrung der Leukämie und der Erbschäden« kommen. Bevor aber Leukämie diagnostiziert werden kann, würden die Menschen von Stoffwechselstörungen heimgesucht, die ihrerseits, »klinisch sichtbar«, im Mundbereich Störungen hervorrufen also müssen Zahnärzte gegen den Bau von Atomkraftwerken sein.
»Das geht nun doch zu weit«, ärgert sich Farthmann, »da kann ich nur sagen: Wenn der Himmel einstürzt, sind die Spatzen tot.«