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Briefe

Spekulativer Boom
aus DER SPIEGEL 43/1976

Spekulativer Boom

(Nr. 38/1976, SPIEGEL-Report über Mietensprünge im sozialen Wohnungsbau) In dieser Legislaturperiode führt kein Weg an der Lösung der Mietenproblematik im sozialen Wohnungsbau vorbei. Dazu gehört kurzfristig die Reform des praktisch seit 1970 unverändert gebliebenen Wohngeldes ebenso, wie sicher auch dort, wo das Wohngeld nicht ausreicht, die Aussetzung und Streckung der Subventionen zur Vermeidung subventionsbedingter Mietsprünge. Langfristig läßt sich die Mietproblematik einschließlich des Fehlsubventionierungsproblems nur durch eine strukturelle Änderung der Wohnungsbauförderung lösen. Die Schwierigkeiten im sozialen Wohnungsbau rühren doch im wesentlichen daher, daß nach wie vor versucht wird, die Wohnungsversorgung besonders der einkommensschwachen Bevölkerungskreise durch Neubauten sichern zu wollen, statt die im Zusammenhang mit der Eigentumsförderung immer bedeutsamer werdenden vielfältigen Wechsel- und Freisetzungseffekte im billigen Sozialwohnungsbestand für diese Personenkreise zu nutzen.

Bonn DR. OSCAR SCHNEIDER MdB/CSU

Vorsitzender des Ausschusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau des Deutschen Bundestages

Die Behauptung, der Wohnraumkündigungsschutz führe zu einem Quasi-Mietstopp, ist unrichtig. Sie läßt sich noch nicht einmal statistisch belegen. Richtig ist vielmehr, daß das sogenannte Miethöhegesetz dem Vermieter erlaubt

* bei jeder Erst- und Weitervermietung die Miete zu nehmen, die der Markt hergibt, die freie Preisbindung wird nicht behindert; > alle Erhöhungen der Betriebs- und Kapitalkosten sowie Modernisierungskosten mit 14 Prozent pro Jahr auf den Mieter abzuwälzen. Kein vernünftiger Mieter und auch der Deutsche Mieterbund sind an einem unrentablen Miethausbesitz interessiert. Andererseits ist nicht einzusehen, daß allein die Mieter die Folgen eines spekulativ aufgeblähten Wohnungsbaubooms zu tragen haben. Jahrelang ist um jeden Preis gebaut worden, und heute beklagen die

Verantwortlichen, daß die Mieter Spekulations-Mieten von zwölf Mark und mehr pro Quadratmeter nicht bezahlen wollen. Ein Sündenbock ist dann natürlich schnell gefunden: der Mieterschutz.

Köln DR. PAUL NEVERMANN

Präsident des Deutschen Mieterbundes

Vermieter geben nicht nur Kosten weiter, sondern produzieren auch kräftig Kosten, die sie dann auch weitergeben. Beispiel: Billigstmaterial beim Bau -- später hohe Betriebs- und Reparaturkosten: gerichtliche Klagen wegen lächerlicher Beträge, um der Lobby Material zu liefern, die dann die erlaubte Verwaltungskostenpauschale als zu gering darstellen soll. Einige Vermieter glauben, ihre Mieter seien mit einer Mitteilung der Erhöhung und einer Wirtschaftlichkeitsberechnung zufrieden; weitere Erklärungen werden nicht gegeben. Es kommt dabei zu kuriosen Fehlansätzen. Beispiele: Doppelter Ansatz der Straßenreinigungskosten, Facharbeiterlöhne für Arbeiter, die vorwiegend mit Straßenreinigung, Müllbeseitigung und so weiter befaßt sind. Keineswegs unterstelle ich allen Vermietern, so zu handeln; meine Erfahrungen beziehen sich auf ein Mietobjekt der »Neuen Heimat« in Bochum-Querenburg.

Bochum DR. KLAUS VOGT

Nicht die Neue Heimat, sondern das städtische Wohnungsunternehmen Saga hat den überwiegenden Teil der 4282 Wohnungen in der Hamburger Siedlung Osdorfer Born errichtet. Die Neue Heimat Nord hat lediglich die Erschließung mit Wasser, Siel und Straße durchgeführt und daneben 683 eigene Wohnungen gebaut.

Hamburg JAENECKE/WEBER

Neue Heimat Nord

Sie schreiben, Reformversuche im sozialen Wohnungsbau seien an Gewerkschaftsinteressen gescheitert, exakter: an den Interessen solcher Gewerkschaftsfunktionäre, die in billigen (älteren) Sozialwohnungen sitzen. Das ist natürlich purer Unsinn, denn es gibt etliche Millionen solcher billigen Sozialwohnungen. wohl aber nicht Millionen von Gewerkschaftsfunktionären, die darin wohnen ... Und noch eines: Die Länder finanzieren schon seit Jahren den »öffentlich geförderten sozialen Wohnungsbau« (sogenannter 1. Förderungsweg) ganz überwiegend selbst, nur 25 bis 30 Prozent an Förderungsmitteln steuert der Bund dazu bei, einen Teil davon mit verfassungswidrigen Dotationsauflagen. Zur Sache selbst: Es ist sonnenklar, daß die Mietensprünge nur dann und dadurch vermieden werden können, daß zunächst nicht gewährte Subventionen (Aufwendungszuschüsse und dergleichen) nachträglich doch noch zugestanden werden, es sei denn, die kommende Wohngeldreform ist so umfassend, daß sie diese Sprünge auffängt. Hierfür fehlt mir vorerst der Glaube.

München DR. MICHAEL SCHNEIDER Leitender Ministerialrat im Bayerischen Staatsministerium des Inneren

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